Nachruf auf Jörg Wörther: Der Besessene
Der Schützling Eckart Witzigmanns
Auch wenn es in den letzten Jahren erstaunlich ruhig um Jörg Wörther, den ersten österreichischen „Koch des Jahrzehnts“, geworden war: Sein Tod am 15. Juli reißt eine tiefe Wunde in die vergleichsweise junge Kulinariknation Österreich, die Wörther so viel zu verdanken hat. Denn Zeit seines Lebens, so scheint es, holte ihn seine Heimat zu sich zurück. Und das, obwohl – oder gerade weil? – der charismatische Herdmagier in Deutschland seine prägendsten Erfahrungen machte. Aber fangen wir von vorne an.
Das Grand Hotel Gasteinerhof in Wörthers Heimatort Bad Gastein existiert zwar heute nicht mehr, doch wenn es das täte, würde auf der mondänen Fassade dieser verschollenen Topadresse wohl eine Goldplakette prangen, auf der geschrieben stünde: „Hier lernte die österreichische Kochlegende Jörg Wörther.“ Eines hat sich in der Spitzengastronomie jedoch seit Wörthers Lehrzeit nicht geändert: Kontakte und Bekanntschaften können wahre Karrierewunder wirken, und wer bereit ist, rastlos und unbeirrt für absolute Perfektion zu kämpfen, dem öffnen sich die Türen der großen Häuser. Bezeichnend in der Biographie des radikalen Kulinarik-Kämpfers Wörther: Als tüftelnder Springinsfeld schlug er lieber Türen ein, als zu warten.
Es wirkt nach Maßstäben der heutigen Arbeitnehmer wie ein verstörender Anachronismus, aber neben seiner Vollzeitstelle hinter dem Herd des Münchner Hotels Sheraton nutzte der durch und durch Besessene Wörther seine Freizeit, um als Volontär in der aufrührerischen Küche des sagenumwobenen Tantris am Olymp des Kochmetiers zu schnuppern. Dortiger Revoluzzer und Großmeister in Personalunion: Eckart Witzigmann.
Der Schützling Eckart Witzigmanns
Auch wenn es in den letzten Jahren erstaunlich ruhig um Jörg Wörther, den ersten österreichischen „Koch des Jahrzehnts“, geworden war: Sein Tod am 15. Juli reißt eine tiefe Wunde in die vergleichsweise junge Kulinariknation Österreich, die Wörther so viel zu verdanken hat. Denn Zeit seines Lebens, so scheint es, holte ihn seine Heimat zu sich zurück. Und das, obwohl – oder gerade weil? – der charismatische Herdmagier in Deutschland seine prägendsten Erfahrungen machte. Aber fangen wir von vorne an.
Das Grand Hotel Gasteinerhof in Wörthers Heimatort Bad Gastein existiert zwar heute nicht mehr, doch wenn es das täte, würde auf der mondänen Fassade dieser verschollenen Topadresse wohl eine Goldplakette prangen, auf der geschrieben stünde: „Hier lernte die österreichische Kochlegende Jörg Wörther.“ Eines hat sich in der Spitzengastronomie jedoch seit Wörthers Lehrzeit nicht geändert: Kontakte und Bekanntschaften können wahre Karrierewunder wirken, und wer bereit ist, rastlos und unbeirrt für absolute Perfektion zu kämpfen, dem öffnen sich die Türen der großen Häuser. Bezeichnend in der Biographie des radikalen Kulinarik-Kämpfers Wörther: Als tüftelnder Springinsfeld schlug er lieber Türen ein, als zu warten.
Es wirkt nach Maßstäben der heutigen Arbeitnehmer wie ein verstörender Anachronismus, aber neben seiner Vollzeitstelle hinter dem Herd des Münchner Hotels Sheraton nutzte der durch und durch Besessene Wörther seine Freizeit, um als Volontär in der aufrührerischen Küche des sagenumwobenen Tantris am Olymp des Kochmetiers zu schnuppern. Dortiger Revoluzzer und Großmeister in Personalunion: Eckart Witzigmann.
Der spätere Jahrhundertkoch war es dann auch, der Wörthers Talent erkannte – und schließlich zu seinem Förderer wurde. Drei Jahre verbrachte Wörther nach einer Zwischenstation im Hamburger Le Canard dann auch in Witzigmanns Aubergine – jenem Restaurant also, das im Jahr 1979 als erstes Restaurant in Deutschland mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Immer und immer wieder bezeichnete Wörther die Zeit bei Deutschlands kulinarischem Großmeister als die prägendste seines Lebens. Und wollte, wer weiß, vielleicht gerade deswegen zurück nach Österreich, um in heimatlichen Gefilden das Neuerlernte mit einer Furore umzusetzen, wie es Witzigmann in München praktizierte.
Unbeirrte Entrümpelung
Doch bis Wörther sein eigenes Ding auf die Beine stellte, sollte es noch ein wenig dauern. Der Anfang hingegen war damit gemacht, dass für Wörther der zukünftige Ort seines Wirkens bereits feststand: Im vertrauten Bad Gastein war er mit nur 24 Jahren Küchenchef im Grand Hotel de l’Europe. Zwei Jahre später, im Jahr 1984, machte sich der erfahrene Jungspund mit seinem Restaurant namens Vinothek in der Villa Solitude selbstständig – und holte damit zwei Hauben. Sein bisher längstes Projekt hingegen war dann die Villa Hiss, die er ab 1987 sieben Jahre lang mit Herzblut führte und die ab 1989 jedes Jahr mit drei Hauben bedacht wurde.
Im Jahr 1990 dann schließlich der Moment, der den wenigsten und besten seiner Zunft vorbehalten ist: Im Wiener Haas Haus wurde Jörg Wörther für seine puristische Küche, die im Sinne der Nouvelle Cuisine unbeirrt entrümpelte und auf kurzfristige Trends verzichtete, von keinem Geringeren als Christian Millau und Joël Robuchon persönlich zum österreichischen Koch des Jahrzehnts gekührt. Von 1997 bis 2003 dann kochte Wörther ganze vier Hauben in seinem Restaurant Jörg Wörther im Schloss Prielau in Zell am See. Dass sein Verständnis für moderne Kulinarik immer schon am Puls der Zeit, jedoch nie anbiedernd war, bewies er wenig später in Salzburg, wo er Fingerfood salonfähig machte. Im Sternerestaurant Carpe Diem entwickelte Wörther für Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz die heute legendären Cones.
„Einer der Großen dieses Landes ist gegangen. Ich habe von ihm viel gelernt. Wir sind Freunde geworden. Da drüben machst du jetzt deine Sellerietascherl, wo immer es ist“, teilte Wörthers Wegbegleiter und Gastronom Sepp Schellhorn über Twitter mit. Wohlgemerkt: Die Sellerietascherln waren das wohl berühmteste Signature Dish des Jörg Wörther. Christian Millau soll von ihnen gar als „die besten der Welt“ geschwärmt haben. Auch Wörthers Tomatensuppe mit Flusskrebsen und sein herzhaft ausbalancierter Nussschmarren trugen die unverkennbare Handschrift dieses produktfokussierten Tüftlers. „Ich trauere um einen meiner genialsten und kreativsten Schüler, Mitarbeiter und Freund. Ich bin sprachlos“, schrieb Eckart Witzigmann auf Facebook und Instagram. Jörg Wörther wurde 62 Jahre alt.