Sven, der Trinkgeldkönig

Man muss keine Bank ausrauben, um als Kellner die große Kohle zu machen. Trinkgeldkönig Sven enthüllt, wie er den Rubel zum Rollen bringt.
April 7, 2016 | Text: Daniela Almer | Fotos: Shutterstock

Sven, der Trinkgeldkönig

Der Kunde ist König, aber ich bin Kaiser

Sven ist ein Meister seines Fachs. Als langjähriger Kellner in einem boomenden Fine-Dining-Tempel scheffelt er monatlich Tausende Euro Trinkgeld.

Sie sind Kellner und tragen eine Rolex, der Anzug ist von Armani und vor der Tür steht ein teures Auto. Hand aufs Herz: Haben Sie gut geerbt oder sind Sie kriminell?
Sven: Weder das eine noch das andere! Ich lebe meinen Traumberuf und mache ihn gut. Natürlich ist es auch hilfreich, dass in unserem Restaurant die Gäste mit der großen Brieftasche einkehren.

Aber man sagt doch, dass betuchte Gäste in Dagobert-Duck-Manier nicht viel Trinkgeld geben?
Sven: Egal ob arm oder reich: Gäste müssen spüren, wie sehr sie willkommen und wie besonders sie sind. Bei mir kommen sie als Fremde und gehen als meine Freunde. Und Freunde zeigen sich erkenntlich und kommen obendrein wieder.

Unglaublich! Wie schaffen Sie das in so kurzer Zeit?
Sven: Man darf keine Berührungsängste haben! Der Gast transpiriert oder hat Schuppenbefall wie bei einem schweren Schneegestöber? Egal. Ich gehe trotzdem auf leichten, unauffälligen Körperkontakt und schaffe damit eine Verbindung zwischen uns. Ein Stammgast hat Geburtstag? Sein Dessert geht dann selbstverständlich aufs Haus. Und dass ich meine Gäste mit Namen kenne, versteht sich eigentlich von selbst und umgekehrt.

Als Kellner spielt man oft Fußmatte für schlecht gelaunte Gäste. Wie bekommen Sie da trotzdem gutes Trinkgeld?
Sven: Man braucht die Steher- und Nehmerqualitäten eines Boxers im Ring. Einen Schlechte-Laune-Angriff des Gastes pariere ich mit besonders zuvorkommender Aufmerksamkeit. Oder anders gesagt: Wenn die Welt draußen böse war, kommt man zu mir ins Restaurant quasi heim in Mamas Schoß und vergisst seine Sorgen bei erstklassigem Service.

Wie sieht Ihr erstklassiger Service aus?
Sven: In meinem Beruf ist man Freund, Psychologe und Arzt in einer Person. Das heißt, ich zeige mich betroffen, wenn der Dackel der Bankiersfrau das Zeitliche segnet, ich bin verschwiegen, wenn der Hoteldirektor mit einer Frau diniert, die augenscheinlich nicht seine Gattin ist, und der Kundin auf Diät offeriere ich ein leichtes Dessert, das nicht auf der Karte steht. Außerdem geize ich nicht mit Kostproben und Gratisrunden.

Aber ist das nicht schlecht fürs Geschäft?
Sven: Im Gegenteil! Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft und lassen den Trinkgeld­rubel ordentlich rollen.

Aber Freunden gibt man ja kein Trinkgeld?
Sven: Wenn Ihnen ein Freund ein Geschenk macht, revanchieren Sie sich nicht dafür? Eben. Genauso läuft das zwischen dem Gast und seinem Kellner des Vertrauens. Und damit er sieht, wie sehr ich mich über sein Geschenk freue, schreibe ich noch ein „Vielen Dank“ auf die Rechnung.

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