Magnus Ek – Der gefeierte Insulaner

Kiefernnadel-Sour-Cream, frittierte Fischblasen, Löwenzahnmayonnaise: Was nach den Experimenten eines kulinarischen Robinson Crusoe klingt, sind Erfolgsrezepte aus dem Netz des 2-Sterne-Kochs Magnus Ek.
August 10, 2016 | Text: Kathrin Löffel | Fotos: Monika Reiter, Erik Olsson Photography/erik@eof.se, Per Ranung, beigestellt

Magnus Ek wirft ein Netz aus

Der Vergleich mit einem auf einer Insel lebenden Einsiedler ist einfach: Magnus Ek eröffnete sein erstes Restaurant auf einer Insel namens Oaxen – 60 Kilometer südwestlich von Stockholm – und machte sich aus der Not heraus die Insel und ihre Vegetation zu eigen. Denn nur einmal in der Woche kam eine Lieferung mit frischen Produkten hinaus in das nach der Insel benannte Restaurant, das Ek gemeinsam mit seiner Frau Agneta Green führte.

Und dann darf man sich den ruhigen, unscheinbaren Ek schon mit Trekking-Outfit und Wanderschuhen vorstellen, wie er über die Insel kraxelt, auf der Suche nach Produkten, die seine Küche zu dem machten, was sie heute ist: außergewöhnlich, erstaunlich, unbegreifbar, natürlich mit einem Hauch Unwirklichkeit.

Blaubeeren mit Strahlenlose-Kamille-Kuchen, Blumenkohl-Stiel-Püree und Echte Mädesüß

Lange bevor die Nordic Cuisine als das gefeiert wurde, was René Redzepi, das noma und Claus Meyer in die Welt hinaustrugen, war es Magnus Ek, der im wahrsten Sinne die Wurzeln zurück in die Küche brachte. 1994 war er es – fast zehn Jahre bevor das noma eröffnete –, der sich an allen Punkten des Manifestes der Nordic Cuisine orientierte, ohne dass es dieses Manifest aus der Feder des noma-Gründers Claus Meyer überhaupt gab.

Aber Unmut oder Eifersucht erwartet man nun zu Unrecht: „Ohne René Redzepi wäre ich nie so weit gekommen, hätte keine zwei Sterne bekommen“, behauptet Ek, dem Bescheidenheit auf den Leib geschneidert ist. Er ist nicht der Typ dafür, der in die Welt hinausschreit, dass er Nachhaltigkeit schon vor über 20 Jahren gut fand oder dass Nose-to-tail schon in seiner Küche Einkehr gehalten hat, als alle noch an ihrem Premium-Hühnerflügel knabberten, während der Rest in der Tonne landete.

 

Erstaunlich und unbegreifbar

Der Vergleich mit einem auf einer Insel lebenden Einsiedler ist einfach: Magnus Ek eröffnete sein erstes Restaurant auf einer Insel namens Oaxen – 60 Kilometer südwestlich von Stockholm – und machte sich aus der Not heraus die Insel und ihre Vegetation zu eigen. Denn nur einmal in der Woche kam eine Lieferung mit frischen Produkten hinaus in das nach der Insel benannte Restaurant, das Ek gemeinsam mit seiner Frau Agneta Green führte.

Magnus Ek wirft ein Netz aus

Und dann darf man sich den ruhigen, unscheinbaren Ek schon mit Trekking-Outfit und Wanderschuhen vorstellen, wie er über die Insel kraxelt, auf der Suche nach Produkten, die seine Küche zu dem machten, was sie heute ist: außergewöhnlich, erstaunlich, unbegreifbar, natürlich mit einem Hauch Unwirklichkeit.

Blaubeeren mit Strahlenlose-Kamille-Kuchen, Blumenkohl-Stiel-Püree und Echte Mädesüß

Lange bevor die Nordic Cuisine als das gefeiert wurde, was René Redzepi, das noma und Claus Meyer in die Welt hinaustrugen, war es Magnus Ek, der im wahrsten Sinne die Wurzeln zurück in die Küche brachte. 1994 war er es – fast zehn Jahre bevor das noma eröffnete –, der sich an allen Punkten des Manifestes der Nordic Cuisine orientierte, ohne dass es dieses Manifest aus der Feder des noma-Gründers Claus Meyer überhaupt gab.

Aber Unmut oder Eifersucht erwartet man nun zu Unrecht: „Ohne René Redzepi wäre ich nie so weit gekommen, hätte keine zwei Sterne bekommen“, behauptet Ek, dem Bescheidenheit auf den Leib geschneidert ist. Er ist nicht der Typ dafür, der in die Welt hinausschreit, dass er Nachhaltigkeit schon vor über 20 Jahren gut fand oder dass Nose-to-tail schon in seiner Küche Einkehr gehalten hat, als alle noch an ihrem Premium-Hühnerflügel knabberten, während der Rest in der Tonne landete.

Gebackener Kohlrabi mit brauner Kräuterbutter, gekochte Kartoffeln, Bärlauch und sauren Bohnen

Aber genau das macht ihn authentisch. Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem Modewort Regionalität, die mittlerweile ja fast jeder Gastronom in seinem Restaurant behauptet zu vertreten. Magnus Ek ist authentisch, wenn er über seine mit Sauermilch und Kiefernnadeln hergestellte Sour Cream spricht, die die Laktosebakterien über die Nadeln enthält und nicht aus einem Beutelchen voller industrieller Bakterien (auch wenn das natürlich um einiges gefährlicher ist und dringendst abgekocht werden muss).

Authentizität im Kochtopf

Er ist authentisch, wenn er das leuchtend grüne Waldmeister-Puder aus dem Teesieb über das außen gare und innen rohe Makrelensashimi schneien lässt und ein paar durchsichtige Kleckse der mit Agar-Agar angedickten Erbsensauce hinaufdrapiert, die übrigens genauso wie Sojasauce gemacht wird, nur eben mit fermentierten Erbsen. Oder wenn er Austern mit Löwenzahnmayonnaise oder die getrocknete und im heißen Fett aufgepuffte Fischblase auf Holzstöckchen serviert, die in einem selbst gebackenen dunklen Salz-Mehl-Eiweiß-Stein stecken.

Oaxen-Geschäftsführung: Magnus Ek und Agneta Green sitzen nebeneinander

„Meine Frau findet, dass es die Erde, Bäume und Wolken symbolisiert“, schmunzelt der Schwede. „Ich war skeptisch, ob ich dieses Gericht mit auf die Karte nehmen kann, ob ich meinen Gästen wirklich Fischblase servieren möchte. Ich ließ es viele Leute vorher probieren, ohne ihnen zu sagen, was es ist. Viele dachten, es sei Schweineohr. Für mich ist alles vom Tier zu verwenden sehr wichtig.“

Wir wollen mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie.
Magnus Ek über seine Küchenphilosophie

„Wir wollen mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen Geld und zum anderen die Natur. Vermeidbares Plastik oder vermeintliche Abfälle von Tier, Gemüse oder Obst kosten Geld. Das sehen die meisten auch ein, wenn man sie damit konfrontiert.“ Dass er konfrontieren kann, glaubt man ihm kaum, so ruhig, gelassen und unaufgeregt er seine Küche und Philosophie vorstellt.

Schwein aus Linderöds glasiert mit Knoblauch aus Skilleby und Kohl von der Oaxen-Farm mit gerösteten Mandeln und Salbei

Agneta Green ist der Boss, sagt Ek. Gemeinsam mit ihr führt er zwei Restaurants (mit einer Küche, aber zwei Linien) und ein schwimmendes Hotel mit sechs Zimmern. Aber das erst, seit er 2013 auf eine neue Insel gezogen ist, die weniger in der Pampa liegt. Beckholmen ist zwar eine Insel, liegt aber zentral in der Stadt Stockholm. Sie ist mit dem um einiges größeren Insel-Stadtteil Djurgården verbunden und wird auch die Pechinsel genannt, da um 1630 Pech auf dieser Insel hergestellt wurde.

Sterne für den Inselkoch

Das Pech verfolgt Magnus Ek aber nicht. Vielmehr regnen, seitdem er auf die Insel Beckholmen zog, die Sterntaler: Bereits im ersten Jahr wurde er vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet. Darauf folgte der zweite. Gerüchten zufolge, sei er nur in die Stadt gezogen, um genau diese Sterntaler mit gespannter Schürze aufzufangen:
„Nein, ich bin nicht wegen der Restaurantguides oder Bewertungen nach Stockholm gezogen. Auf Oaxen waren wir 17 Jahre, es musste eine Veränderung her. Außerdem konnten wir das Restaurant nur über die Sommermonate öffnen. Wir suchten also nach einer Möglichkeit, einen Ganzjahresbetrieb zu betreiben. Aber die Sterne sind ein tolles Lob und Motivation für mich und das Team. Vielleicht folgt ja noch der dritte Stern.“

Magnus Ek in der Küche des Restaurants Oaxen Krog

Ehrgeizig wie damals Robinson Crusoe arbeitet der Koch für seine Ziele. Einen gestrandeten Eindruck macht er dabei aber absolut nicht. Eher einen angekommenen, einen zufriedenen. Obwohl man ihm bei zwei Restaurants und einem Hotelboot durchaus auch Augenringe oder Stress zutrauen würde, sucht man danach vergeblich: „Wir haben ein großes Team, das uns unterstützt. Insgesamt haben wir rund 60 Mitarbeiter für das Bistro, das Gourmetrestaurant sowie das Boot.

Davon sind 24 Köche, die in der Küche für das Bistro und das Restaurant arbeiten. Einige meiner Mitarbeiter sind damals von Oaxen nach Stockholm mitgekommen. Viele sind bereits seit der Eröffnung in der Stadt vor drei Jahren mit dabei. Im Moment erleben wir allerdings einen Umschwung. Wenn du als Koch über zwei Jahre in einem Betrieb bist, ist das schon lang.
Aber neue Mitarbeiter bringen auch wieder neuen Schwung mit und neue Ideen, das ist gut.“ In der Küche wird aufgrund des Wechsels nun Englisch gesprochen. Zuvor waren nur Einheimische angestellt, aber mit der Bewertung und der Stadtnähe bekommen auch internationale Bewerber Interesse an dem Betrieb.

Ich habe die königliche Erlaubnis, in Djurgården Kräuter zu sammeln.
Magnus Ek mit majestätischem Beistand

Die Nähe zur Stadt hindert Ek nicht daran, seine kleine Farm zu bestellen genauso wie in der Wildnis nach Kräutern, Pilzen und Früchten zu suchen: „In Schweden darf jeder Bürger, in der Wildnis mitnehmen, was er findet. Nur auf Djurgården ist es nicht erlaubt, weil die Insel dem König gehört. Allerdings habe ich seine Erlaubnis, auch dort nach Pilzen, Beeren und Kraut zu wildern“, erklärt der Koch.

Magnus Ek auf seinem Boot

Auf seiner Farm spaziert er wie auch in der freien Natur umher und probiert alles, was gut aussieht. Er wartet nicht, bis etwas reif ist. Zuletzt hat er in seinem Garten, der Oaxen Farm, den frischen, jungen Buchweizen für sich entdeckt. Das Mehl kennt jeder, aber diese säuerliche, saftige Pflanze eher weniger.

Die Früchte der Inspiration

Die Natur inspiriert ihn genauso wie Reisen und Restaurantbesuche bei Kollegen und das Spazieren auf seiner Farm, die nur fünf Minuten von seinem Restaurant entfernt ist und auf der er die meiste Zeit in der Woche verbringt. Neben dem Buchweizen baut der Schwede auch Bronzefenchel und Molla-Kohl an, aber auch Unspektakuläres wie Kohlrabi, Mangold und Radicchio.

Molekulare Küche bedeutet für mich Kontrolle und Leblosigkeit.
Magnus Ek über das, was er nicht macht

Doch bei Ek kann man sicher sein, dass er selbst aus der unaufgeregtesten Pflanze etwas Besonderes macht: „Meine Küche basiert auf alten Techniken, manchmal sogar solche aus der Mittelalter- oder Steinzeitküche – natürlich modern umgesetzt. Heute macht das jeder in den skandinavischen Ländern.“

Forelle | Sauerampfer | Schnittlauchcreme | Kohlrabi | Seegras | Hanfsamenmayonnaise

„Techniken wie die aus der Molekularküche bedeuten für mich Kontrolle, Reproduzierbarkeit, Leblosigkeit. In der Industrie werden auch alle Zutaten aufs Detail abgewogen, damit immer der gleiche gute Geschmack erreicht wird. Aber ich will kein gutes Ergebnis, ich will den fantastischen, den perfekten Geschmack hervorrufen.“

„Das schaffe ich nur, wenn ich alle Variablen herausfinde, den Produkten ihre natürliche Zeit lasse, sie lebendig lasse. Natürlich funktioniert das wie bei der Kiefernnadel-Sour-Cream oder Fermentationsprozessen manchmal auch nicht. Trotzdem bewege ich mich da – ohne alles unter verkrampfter Kontrolle zu haben –  in einem Bereich, der zwischen sehr gutem Geschmack und fantastischem Ergebnis liegt. Meine Gäste kommen allerdings nur in den Genuss der besten Ergebnisse.“

Genauso sehen auch seine Teller aus: „Ich glaube, dass ich in meiner Karriere nur maximal zehn Gerichte nur einmal ausprobieren und anrichten musste und sich die einzelnen Komponenten perfekt zusammengefügt haben. An der Kreation aller anderen Gerichte muss ich manchmal wochenlang feilen, bis es so ist, wie es mir gefällt. Früher wollte ich, dass die Zutaten und Teller anders aussehen als das, wonach es schmeckt. Heute sehe ich den Teller als eine Karte des Geschmacks. Insgesamt muss es sich in meinem Bauch gut anfühlen. Es sind nicht das Herz oder der Kopf, die entscheiden, es ist der Bauch.“

Erbse und Bohne | Wilde Ananassamen | Löwenzahn | Schwarzer Knoblauch | Joghurt

Im Menü tauscht Magnus Ek regelmäßig Gerichte aus: „Wenn ich ein Fischgericht von dem Menü streiche, muss ein neues Gericht mit Fisch dafür rein. Meistens starte ich meine neuen Gerichteideen mit einer Zutat. Das Gericht muss sich wieder in das Menü einfügen. Und am besten dürfen sich keine Zutaten des gesamten Menüs in den einzelnen Gerichten wiederholen. Ich sehe also das Menü als Ganzes wie ein Puzzle – nicht nur einen Teller.“

Es sind nicht das Herz oder der Kopf, die entscheiden, es ist der Bauch.
Magnus Ek über die stärkste seine Entscheidungshilfen

Das Menü mit sechs oder zehn Gängen wird im Restaurant Nummer eins Oaxen Krog angeboten. Im Bistro mit leichter nordischer Küche, dem Oaxen Slip, gibt es Brunch, Lunch und Dinner. In beiden Restaurants steht das soziale Miteinander in den stylishen Räumen an den großen Tischen im Vordergrund: „Essen bedeutet für mich zusammenzukommen, sich auszutauschen. Außerdem schmeckt’s besser, wenn man gemeinsam isst.“
Gemeinsam – ein Wort, das man von einem echten Einsiedler nicht hören würde. Er mag ein Insulaner sein, aber gestrandet oder allein ist er sicher nicht.

www.oaxen.com
Wir haben von Magnus Ek eine Flaschenpost bekommen. Seine ehrlichen Antworten auf unsere Fragen findet ihr hier.

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