Komm, süßer Tod

Brennpunkt Pâtisserie: Mangelware trotz überdurchschnittlichen Verdienstes und großen Stellenwertes im Restaurant.
November 13, 2015

Fotos: Jean-Louis Bloch Lainé, Tony le Duc, Arthur Los, Piet De Kersgieter, Pierre Lingelser/Traube Tonbach/Baiersbronn, beigestellt
Brennpunkt Pâtisserie

Das Dessert ist der wichtigste Gang des Abends, denn er ist der letzte und damit der bleibende Eindruck, den der Gast beim Verlassen des Restaurants behält. Die Range reicht dabei von himmlischer Offenbarung bis zu unterirdisch grauenhaft.
Der Grund: Es gibt fast keine Pâtissiers und die süße Küche verkommt damit immer öfter zum Stiefkind aller Posten. Auf den ersten Blick ist der Mangel an talentierten Pâtissiers schwer nachzuvollziehen, denn als süßer Postenkoch kann man mit einem Einstiegsgehalt um die 1500 Euro rechnen und liegt damit weit über dem durchschnittlichen Verdienst anderer Posten.

Thomas Köpl ist Chef-Pâtissier im Gourmet-Restaurant Amarantis in Wien und wurde kürzlich bei den LEADERS OF THE YEAR 2011 zum Pâtissier des Jahres in Österreich ausgezeichnet. Seine Erklärung für dieses bittere Paradoxon: "Viele meinen, sie hätten einfach kein Händchen für die Pâtisserie. Denn eine große Portion Geduld wird einem in der Pâtisserie schon abverlangt."

"Das Image der Pâtisserie leidet noch immer an der verstaubten Theorie von Torte und Eis als Dessert."
Pierre Lingelser, Chef-Pâtissier Traube Tonbach

Raffinierte Dessertkreationen kosten…

Fotos: Jean-Louis Bloch Lainé, Tony le Duc, Arthur Los, Piet De Kersgieter, Pierre Lingelser/Traube Tonbach/Baiersbronn, beigestellt
Brennpunkt Pâtisserie

Das Dessert ist der wichtigste Gang des Abends, denn er ist der letzte und damit der bleibende Eindruck, den der Gast beim Verlassen des Restaurants behält. Die Range reicht dabei von himmlischer Offenbarung bis zu unterirdisch grauenhaft.
Der Grund: Es gibt fast keine Pâtissiers und die süße Küche verkommt damit immer öfter zum Stiefkind aller Posten. Auf den ersten Blick ist der Mangel an talentierten Pâtissiers schwer nachzuvollziehen, denn als süßer Postenkoch kann man mit einem Einstiegsgehalt um die 1500 Euro rechnen und liegt damit weit über dem durchschnittlichen Verdienst anderer Posten.

Thomas Köpl ist Chef-Pâtissier im Gourmet-Restaurant Amarantis in Wien und wurde kürzlich bei den LEADERS OF THE YEAR 2011 zum Pâtissier des Jahres in Österreich ausgezeichnet. Seine Erklärung für dieses bittere Paradoxon: "Viele meinen, sie hätten einfach kein Händchen für die Pâtisserie. Denn eine große Portion Geduld wird einem in der Pâtisserie schon abverlangt."

"Das Image der Pâtisserie leidet noch immer an der verstaubten Theorie von Torte und Eis als Dessert."
Pierre Lingelser, Chef-Pâtissier Traube Tonbach

Raffinierte Dessertkreationen kosten eine Menge Zeit. Denn die hohe Kunst der Pâtisserie besteht aus vielen kleinen Zwischenschritten, in denen Komponenten trocknen, gebacken oder gefroren werden müssen, bis schlussendlich das süße Kunstwerk am Teller bis zum Gast gelangt. Und Zeit ist Geld. Geld, das der Gastronom möglicherweise nicht aufbringen möchte, und daher auf Convenience-Produkte zurückgreift. Denn der Pâtissier ist traditionellerweise der erste Posten, der im Restaurant eingespart wird. Schließlich geht es ja nur um das Dessert. Und im Besonderen den Convenience-Produkten im süßen Bereich wird nachgesagt, in den letzten Jahren qualitätstechnisch massiv aufgeholt zu haben und inzwischen als gute Alternative zu gelten. Gerade im Hotelbereich für Frühstücksbuffets und Co. wie im Bereich der Pralinenhohlkörper haben sich hochwertige Convenience-Produkte etabliert. "In der absoluten Top-Pâtisserie haben Convenience-Produkte bis auf einige einzelne Ausnahmen aber trotzdem nichts verloren", ist sich Köpl sicher.

Pierre LingelserGeorg Kocman ist Pâtissier im Sterne-Restaurant Vila Joya in Portugal und sieht den Grund für die unfreiwillige Pâtissier-Diät der Gastronomen ohnehin ganz woanders: "Man kann den Beruf Pâtissier nicht wirklich lernen. Entweder man lernt Koch und spezialisiert sich dann auf die süße Küche, oder man geht in die Lehre als Konditor. Den Schritt nach einer Konditorlehre in die actiongeladene Top-Gastronomie setzen aber nur wenige."

Der Weg zum Pâtissier ist definitiv kein einfacher. Denn während der Lehrzeit verbringen einige nur wenige Wochen in der Pâtisserie und seine berufliche Laufbahn aufgrund dieses kurzen Zeitrahmens zu entscheiden ist schwierig. Weiters steht der Pâtissier mit seinen Entscheidungen oft alleine. Während andere den Chefkoch um Rat fragen können, verlässt sich dieser in vielen Fällen auf die Entscheidungen des Pâtissiers. Zu guter Letzt bedarf es einer irrsinnigen Genauigkeit und viel Geduld, um zur Elite der Pâtissiers aufzusteigen.

Wagt man es doch und wählt die Profession Pâtissier, so stehen Talenten alle Türen offen: als Visitenkarte eines Top-Restaurants zu gelten. Der Grund zu sein, warum Gäste wiederkehren und nach dem einen bestimmten Dessert fragen, das man in mühevollster Detailgenauigkeit entwickelt hat. Im eigenen Bereich auf Augenhöhe mit dem Chefkoch zu arbeiten. Das sind die Zuckerl, die einem in der süßen Königsdisziplin, der Pâtisserie winken.

Das hartnäckige Vorurteil, die Pâtisserie sei der unkreativste Posten in jeder Küche, weil seit Jahren nach den gleichen Rezepten gearbeitet werde, wurde von Experten einhellig verneint. Ganz im Gegenteil. Pierre Lingelser, seinerseits seit 15 Jahren Chef-Pâtissier an der Seite von 3-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn, ist sich sicher: "Unkreativ zu arbeiten, darf man sich als Pâtissier gar nicht erlauben. Schließlich muss man sich ganz besondere Mühe geben, auf gleichem Niveau wie der Chefkoch des Hauses zu arbeiten. Die Gäste müssen sich an das Dessert erinnern und von ihm begeistert werden. Mit den ewig gleichen Rezepten ist das bestimmt nicht realisierbar." Zudem, so Lingelser, unterliege die Pâtisserie genauso wie die übrige Küche einem ständigen Wandel. Waren vor 15 Jahren noch deftige Soufflés das Nonplusultra, so sind heute fragile, leichte Fruchtkompositionen gefragt. Den Geschmack der Produkte klar und präzise herauszuarbeiten, das zählt heute als große Kunst der Pâtisserie, die den Menschen im Gedächtnis bleibt.

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Durch Top-Gerichte in Erinnerung der Gäste bleiben, sodass diese gerne wiederkommen – das ist das Ziel von jeder guten Küche. Die Pâtisserie bietet dem Gastronomen dabei noch weit mehr Optionen zur Gästebindung. In der service- und unterhaltunsgorientierten Gastronomie und Hotellerie in den USA weiß man die effektive Macht des Süßen für Image und Umsatz schon lange perfekt zu nutzen.

So werden im Luxushotel Bellagio in Las Vegas die Petits Fours in kleinen Schmuckschatullen gereicht. In diesen kann frau dann ihren Schmuck aufbewahren und das nette Give-away ihren Freundinnen vorführen. Es versteht sich von selbst, dass im eleganten Innenteil der Schatulle der Name des Hotels inklusive sämtlicher Kontaktdaten von Telefonnummer bis E-Mail-Adresse angeführt werden. Eine attraktive Visitenkarte also, die gerne hergezeigt wird.

"Um als Pâtissier zu arbeiten, muss man ein geduldiger Mensch sein."
Thomas Köpl, Chef-Pâtissier Restaurant Amarantis

Bei Alain Ducasse im Dorchester-Hotel in London wird hingegen der Showeffekt, den die Pâtisserie in sich birgt, voll ausgekostet. Denn während in anderen Restaurants die Pralinen zum Kaffee wie beiläufig auf dem Tisch platziert werden, werden diese im Dorchester-Hotel auf einem prall gefüllten Petits-Fours-Wagen serviert, sobald der letzte Gang Geschichte ist. Der Chef de Rang befüllt in einem beinahe feierlichen Akt und mit genauen Erklärungen eine kleine Tüte, die der Gast als Erinnerung mit nach Hause nehmen kann. Ein schlauer Schachzug von Ducasse, denn in jeder Tüte befindet sich wie selbstverständlich ein kleines Kärtchen, das seine Gäste zum Wiederkehren auffordert.

Die Pâtisserie ist eine hohe Kunst der Detailgetreuheit und Fantasie. Eine Sparte für kreative Talente, die genau wissen, wie man ihre Top-Produkte in Szene setzt, denn der Chefkoch verlässt sich auf sie. Und ein mächtiges Marketingtool am Ende des Restaurantbesuchs, das nicht unterschätzt werden sollte. Eine Schlüsselposition in jeder Küche, die man sich allerdings hart erarbeiten muss. Denn den direkten Weg gibt es nicht. Schulungen, Austausch unter Kollegen, ausgeprägte Kreativität, ein Arbeiten am Puls der Zeit, diese Meilensteine säumen den Karrierepfad eines jeden Pâtissiers.

Disziplin, Leidenschaft und eine ständige Lernbereitschaft sind die drei Säulen, auf denen die Arbeit der selten gewordenen Gattung der Pâtissiers basiert. Säulen, die sich mit der Besetzung einer Schlüsselposition, einem überdurchschnittlichen Verdienst und einem eigenen Handlungsspielraum mehr als bezahlt machen. Pâtissiers braucht die Branche und keine Dessert-teure. Damit der letzte Gang des Abends auch in süßer Erinnerung bleibt.

Dominique Persoone"Schokolade ist das geilste Produkt der Welt."
Schokolade rockt: Shock-o-latier Dominique Persoone über seine größte Leidenschaft.

I fell in love with chocolate
So beschreibt der Kreative Dominique Persoone die Anfänge seiner schokoladigen Karriere. Eigentlich ist er gelernter Koch. Doch die Schokolade hat es ihm angetan. Denn damit, ist sich Persoone sicher, lassen sich weit genialere Dinge anstellen als mit anderen Produkten.

Sie sind bekannt für Ihren kreativen Zugang zu Schokolade. Auf welche Kreationen sind Sie besonders stolz?

Dominique Persoone: Hier eine auszuwählen ist schwierig. Ich genieße es einfach sehr, Schokolade auf so unterschiedliche Weise darzustellen und zu interpretieren. Aus einer Spielerei entstanden und heute ein absoluter Verkaufsschlager ist beispielsweise der Chocolate-Sniffer. Ein Apparat, mit dem man sich geriebene Schokolade direkt in die Nase katapultiert. Klingt verrückt, aber so kann man die Aromen der genialen Zutat besonders intensiv erleben.

Woher beziehen Sie denn Ihre Inspiration für solche verrückten Ideen?

Persoone: Eigentlich von allem, was so rund um mich geschieht. Eine große Inspiration sind natürlich immer meine Reisen auf den Spuren der Kakaobohne. Dabei hat es mir Mexiko besonders angetan. Oder der Besuch bei Alex Atala, Chefkoch des Restaurants D.O.M. in Sao Paolo und der Nummer sieben auf der S.Pellegrino-Liste. Dieser Aufenthalt war eine große Inspiration für mich. Einige pilgern ja sogar in den Dschungel, um dort gelbe Frösche aufgrund der halluzinogenen Wirkung der Haut abzulecken. Für mich natürlich ein gefundenes Fressen. Denn gemeinsam mit Alex habe ich Schokolade-Frösche entwickelt, bei denen die Zunge ebenfalls ein bisschen taub wird, wenn man sie isst. Aber keine Sorge, das liegt alles im legalen Bereich.

Das klingt alles wirklich ziemlich ausgeflippt. Ziehen Sie mit Ihren Ideen nicht manchmal auch heftige Kritik auf sich?

Persoone: Äußerst selten. Ich möchte mit meinen Kreationen die Leute auch zum Lachen bringen. Manche verstehen dabei meine Art von Humor nicht. Aber das stört mich nicht weiter. Schokolade als Farbe, Lippenstift oder in Form kleiner Hundehäufchen. Ich finde das witzig und den Leuten bleibt es in Erinnerung.

Sehen Sie diesen Zugang auch als das Geheimnis Ihres Erfolges?

Persoone: Nicht unbedingt. Das Geheimnis meines Erfolges ist schlichtweg meine Liebe und Leidenschaft für den Beruf. Dabei zelebriere ich auch meinen anderen Zugang zu Schokolade. Denn dieses Produkt hat weit mehr drauf, als viele vermuten. Es ist dabei natürlich ein tolles Gefühl, wenn meine Kreationen auch Top-Köche wie 3-Sterne-Koch Sergio Herman oder 3-Sterne-Koch Peter Goosens überzeugen. Gemeinsam mit den Köchen entwickle ich in meiner Chocolate Factory schokoladige Kreationen für ihr Restaurant, mit denen ich sie dann gerne beliefere.

Zur Person
Dominique Persoone
Chocolatier und Geschäftsführer der Chocolate-line-Boutiquen in Brügge und Antwerpen.

1992 gründete der Chocolate-Lover Dominique Persoone die Chocolate Line in Brügge. Seither beliefert er die Top-Gastronmie mit seinen ausgefallen Kreationen und vertreibt diese in seinen zwei Dependancen in Brügge und Antwerpen.

The Chocolate Line Brügge
Simon Stevinplein 19
BL-8000 Brügge
Tel: +32 (0) 50/34 10 90b

The Chocolate Line Antwerpen
Paleis op de Meir 50
Antwerpen
Belgien
Tel: +32 (0) 3/206 20 30b

www.thechocolateline.be

Pierre Hermé"Pâtisserie-Papst"
Pierre Hermé modernisierte mit seinen Kreationen die Grundlagen der Pâtisserie. Heute führt er ein globales Pâtisserie-Unternehmen und gibt sein Wissen an Studenten des Culinary Institute of America sowie der Fachhochschule der hohen französischen Kochkunst der École Grégoire-Ferrandi weiter.
www.pierreherme.com

Ihre Kreationen werden mit Superlativen gerühmt. Manche bezeichnen Sie gar als Picasso der Pâtisserie. Wie wird man so ein begnadeter Dessert-Künstler wie Sie?

Pierre Hermé: Ein generelles Erfolgsrezept gibt es nicht. Es hängt auch viel von der Persönlichkeit ab. Was man auf jeden Fall mitbringen muss, ist eine große Liebe zum Detail und das ständige Verlangen, zu lernen. Mit der Erfahrung und der Leidenschaft für den Beruf entstehen neue Kreationen dann wie von selbst.

Welche Ihrer Kreationen ist Ihnen Ihrer Meinung nach am allerbesten geglückt?

Hermé: Das ist, wie wenn Sie mich fragen würden, welches meiner Kinder mir am liebsten ist. Wobei, wenn ich es mir recht überlege, ist mir meine liebste Kreation immer die zukünftige. Die Pâtisserie unterliegt einem ständigen Wandel und man darf sich dem Zeitgeist auf keinen Fall verschließen oder den Fehler begehen, die Optik über den Geschmack zu stellen. Denn im Endeffekt muss ein Dessert einfach nur gut schmecken und Gäste begeistern.

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