Abseits der Schampus Falle

Auf Sylt ist es einfacher, eine Rolex zu kaufen als ein Pfund Matjes. In Deutschlands Luxus-Sandhaufen wird eben gewohnheitsmäßig aus dem Rahmen gefallen. Das tut Holger Bodendorf auch. Allerdings mit Vorbildwirkung.
November 13, 2015

Holger BodendorfFotos: Helge O. Sommer

Am Tag unseres Gespräches sitzt Holger Bodendorf fest. Gut für mich, denn ein Interview hat gerne Zeit. Eigentlich nicht so gut für einen Spitzenkoch, in dessen Terminkalender für den folgenden Tag „Berlin“ eingetragen ist. Eigentlich deshalb, weil Holger Bodendorf dem Nordsee-Sturmtief und der Tatsache, dass die Zugverbindung zum Festland eingestellt wurde, doch erstaunlich viel Positives abgewinnen kann. „Ich war gerade am Strand. Wahnsinn. Sylt bei so einem Wetter … Etwas Besseres gibt’s gar nicht!“, platzt es mit kindlicher Freude in der Stimme aus ihm heraus. Und Berlin? „Steht morgen auch noch. Ich werd schon irgendwie rechtzeitig hinkommen.“

Ein gewisses Maß an Entspanntheit traut man Holger Bodendorf schnell mal zu, wenn er so vor einem steht, stylishen Schmuck am hochgewachsenen Leib, schwiegermutteruntaugliches langes Haar am Kopf und eine Harley-Davidson in der Garage. Für einen Sternekoch, der mit dem Landhaus Stricker eine höchst gediegene Institution auf der Deutschen liebster Insel führt, ist diese Ausprägung an Gelassenheit dennoch nicht ganz alltäglich. „Ich sehe keinen Widerspruch darin, ein 5-Sterne-Relais-&-Châteaux-Hotel zu führen, auf Sterneniveau zu kochen und gleichzeitig eine charmante Unkompliziertheit an den Tag zu legen“, sagt er. „Die Zeiten, in denen Luxus sich über eine künstlich elitäre, möglichst hübsche Fassade definiert hat, sind ja längst vorbei.“

Den (möglichen) Vorteil der eben erwähnten hübschen Fassade mit Meerblick hat Bodendorf im Landhaus Stricker ohnehin nie genossen. Seine gastronomische Welt liegt mitten in Tinnum, unweit des Bahnhofs und abseits touristischer Magnete – sprich Dünen und Watt. Dass das schmucke Hotel und das Gourmetrestaurant Bodendorf’s trotzdem zu den beliebtesten Adressen der Insel zählen, darf als Beleg gewertet werden, dass Lage nicht alles ist und mit Bodendorf der richtige Mann zur richtigen Zeit mit der richtigen Einstellung ans Werk ging.

Die Sache mit dem Schuster und den Leisten …

Das nötige Rüstzeug für kulinarische Großtaten erwarb der Wahlnordfriese früh…

Holger Bodendorf
Fotos: Helge O. Sommer

Am Tag unseres Gespräches sitzt Holger Bodendorf fest. Gut für mich, denn ein Interview hat gerne Zeit. Eigentlich nicht so gut für einen Spitzenkoch, in dessen Terminkalender für den folgenden Tag „Berlin“ eingetragen ist. Eigentlich deshalb, weil Holger Bodendorf dem Nordsee-Sturmtief und der Tatsache, dass die Zugverbindung zum Festland eingestellt wurde, doch erstaunlich viel Positives abgewinnen kann. „Ich war gerade am Strand. Wahnsinn. Sylt bei so einem Wetter … Etwas Besseres gibt’s gar nicht!“, platzt es mit kindlicher Freude in der Stimme aus ihm heraus. Und Berlin? „Steht morgen auch noch. Ich werd schon irgendwie rechtzeitig hinkommen.“

Ein gewisses Maß an Entspanntheit traut man Holger Bodendorf schnell mal zu, wenn er so vor einem steht, stylishen Schmuck am hochgewachsenen Leib, schwiegermutteruntaugliches langes Haar am Kopf und eine Harley-Davidson in der Garage. Für einen Sternekoch, der mit dem Landhaus Stricker eine höchst gediegene Institution auf der Deutschen liebster Insel führt, ist diese Ausprägung an Gelassenheit dennoch nicht ganz alltäglich. „Ich sehe keinen Widerspruch darin, ein 5-Sterne-Relais-&-Châteaux-Hotel zu führen, auf Sterneniveau zu kochen und gleichzeitig eine charmante Unkompliziertheit an den Tag zu legen“, sagt er. „Die Zeiten, in denen Luxus sich über eine künstlich elitäre, möglichst hübsche Fassade definiert hat, sind ja längst vorbei.“

Den (möglichen) Vorteil der eben erwähnten hübschen Fassade mit Meerblick hat Bodendorf im Landhaus Stricker ohnehin nie genossen. Seine gastronomische Welt liegt mitten in Tinnum, unweit des Bahnhofs und abseits touristischer Magnete – sprich Dünen und Watt. Dass das schmucke Hotel und das Gourmetrestaurant Bodendorf’s trotzdem zu den beliebtesten Adressen der Insel zählen, darf als Beleg gewertet werden, dass Lage nicht alles ist und mit Bodendorf der richtige Mann zur richtigen Zeit mit der richtigen Einstellung ans Werk ging.

Die Sache mit dem Schuster und den Leisten …

Das nötige Rüstzeug für kulinarische Großtaten erwarb der Wahlnordfriese früh in Petermann’s Kunststuben in Zürich und bei Wolfgang Staudenmaier im Da Gianni in Mannheim, zurück auf Sylt erkochte er 2000 im Hotel Windrose seinen ersten Stern. Als das Landhaus 2001 zur Pacht stand, schlug Bodendorf zu und übernahm gemeinsam mit seiner Frau Hotel und Restaurant. 14 Jahre später ist Bodendorf nicht nur Spitzenkoch, sondern auch smarter Unternehmer. Das Wort „Multientrepreneur“ hört er jedoch nicht gerne. „Ich bin kein Manager, und in der Küche auch kein Passbewacher. Das ist nichts für mich. Ich koche an sechs Abenden die Woche Posten. Denn ich bin im Landhaus Stricker der Koch, und das bleibe ich auch.“ Man müsse in einem Betrieb dieser Größe Aufgaben delegieren, sagt er, „aber die Person Holger Bodendorf selbst kann man nicht delegieren.“ Deshalb bleibt das Gourmetrestaurant auch geschlossen, wenn der Chef mal nicht im Haus ist. Kann es sich ein Spitzengastronom auf einem kulinarisch so hart umkämpften Eiland wie Sylt wirklich leisten, seinen Laden einfach mal so dichtzumachen? „Das ist keine Frage des Könnens, sondern eine Prinzipfrage“, sagt Bodendorf. „Präsenz ist einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren. Abgesehen davon haben wir mit dem siebzehn84 ja noch ein zweites Restaurant, das auch offen hat, wenn ich mal nicht da bin.“ 2012 eröffnete Bodendorf das mit 80 Sitzplätzen deutlich größere und mit einer modernen, regionaler ausgerichteten Karte auch legerere siebzehn84 – als sinnvolle Ergänzung des kulinarischen Angebotes, wie er betont, und nicht als finanzielle Stütze für den Fall, dass im Gourmetrestaurant der eine oder andere Platz leer bleibt. „Ich zähle mich nicht zu den Leuten, die sich ein Spitzenrestaurant ‚leisten‘ und den Fortbestand eines solchen an die Auslastung des Hotels oder die Einnahmen anderer Outlets knüpfen. Ich möchte mit allem, was ich tue – egal ob Catering, Restaurant oder Hotel –, Geld verdienen, und jedes meiner Outlets muss profitabel laufen.“

Wirtschaftliche Rentabilität, sagt Bodendorf, sei aber auch auf der teuersten Sandbank Deutschlands kein Ziel, das sich kurzfristig und mit überteuerten Preisen erreichen ließe. Schnelles Geld mit Fine-Dining und Lifestyle-Chichi? Fehlanzeige. Der finanziell potente Gast auf Sylt will persönlich gewonnen und langfristig gebunden werden. „Das ist keine leichte Aufgabe, denn hier wird nicht nur in den Sternerestaurants, sondern generell sehr gut gekocht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss tadellos sein. Wenn du das nicht bieten kannst, wirst du hier nicht überleben.“ Dass Bodendorf seinen Platz an der kulinarischen Spitze der Insel seit Jahren hält, ist auch einer gewissen Konzepttreue zu verdanken. Seit das Bodendorf’s 2003 seinen Michelin-Stern verliehen bekam, steht es so klar für französisch-mediterrane Hochküche wie die Reeperbahn für Hamburg. Und ohne Sylter Lamm oder Friesenei zu nahe treten zu wollen: Auf Sterneniveau funktioniert die Küche einfach nicht ohne Entenstopfleber & Co. „Im siebzehn84 setzen wir regionale Produkte aus Überzeugung auf die Karte. Im Gourmetrestaurant würde ich damit meinem eigenen Anspruch und dem der Gäste nicht gerecht.“ Ein Steinbutt aus der Bretagne sei einfach schöner als einer aus der Nordsee. Und Punkt.

Aller Anerkennung seiner Gäste zum Trotz: Dass die Tester des Guide Michelin Gerichte wie „Gebratene Taubenbrust/Hanuta von Gänsestopfleber“ und „Taubenkeule/Feldsalatcreme/Schalottenchutney“ mit lediglich einem Stern bewerten, lässt Bodendorf keine Ruhe. „Natürlich bin ich mit einem Stern nicht glücklich – kann ich auch nicht, gemessen an den 18 Punkten im Gault Millau. Ich geb mich grundsätzlich nicht mit einem Status quo zufrieden. Stillstand war immer schon der Tod.“

Sylts Dickes B. goes TV

Herr Bodendorf hat ordentlich Hummeln im Hintern, wenn es um seine persönliche und berufliche Weiterentwicklung geht. Der Hüne mit dem breitesten Lächeln seit der Erfindung der Zahnpastawerbung zeigt Präsenz – sei es beim alljährlich stattfindenden Gourmet Festival Sylt, als Gastkoch auf der MS Europa, als Kochbuchautor oder als Veranstalter eigener Events im Landhaus.

Bodendorf, die personifizierte Gourmet-Marketingmaschine? „Ach was. Marketing ist nie einfach nur Mittel zum Zweck, zumindest nicht für mich. Ich habe wirklich Bock drauf, neue Dinge auszuprobieren, mit anderen Köchen zu arbeiten. Das ist eine schöne Herausforderung.“ Die aktuellste Herausforderung, die Bodendorf angenommen hat, heißt „Game of Chefs“ und wird ab 24. Februar 2015 auf VOX ausgestrahlt. Es ist seine TV-Premiere und, wie er betont, ein Angebot, das er nicht in erster Linie angenommen hat, um den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, „sondern weil ich herausfinden wollte, ob ich das kann“.

Die Idee hinter „Game of Chefs“ ist schnell erklärt: Basierend auf dem gleichnamigen israelischen Quotenknaller sucht Bodendorf gemeinsam mit seinen Show- und Sternekollegen Christian Lohse und Christian Jürgens das größte deutsche Kochtalent, Nach ebendiesem wurde schon in anderen Formaten mehr oder weniger erfolgreich geforstet – Stichwort „The Taste“ – und das lässt leise Zweifel über die Originalität des Konzepts aufkommen. Bodendorf und auch die Macher selbst stehen dem gelassen gegenüber. „Es ist ein völlig eigenständiges Konzept und nicht vergleichbar mit dem, was bisher da war“, sagt er. „Wir agieren einerseits gemeinsam als Jury, stellen aber auch unsere eigenen Teams zusammen und übernehmen eine Mentorenfunktion. Die mich definitiv am allermeisten gereizt hat.“

Der schmale Grat zwischen einem gesunden Maß an Medienpräsenz und dem Konsumenten nur noch schwer zuzumutender Dauerselbstbeweihräucherung ist Bodendorf bewusst. „Ist mediale Popularität ein Fluch oder ein Segen? Darauf gibt es keine Antwort. Natürlich ist ein gewisser Einfluss auf den Umsatz im eigenen Haus wohl nicht ganz wegzuleugnen, aber sich darauf zu verlassen, halte ich für gefährlich.“

www.landhaus-stricker.com

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