Mach mal kein Fass auf

Lange galt das Traditionsgetränk alten Herren vorbehalten. Heute ist Whisky unverstaubter und vielseitiger denn je. Eine Trendanalyse.
Feber 8, 2016 | Text: Kathrin Löffel | Fotos: Regina Hügli, The Balvenie, beigestellt

Jasmin Haider in Aktion

God save the queen

Denn sie weiß, was gut ist. Nicht umsonst hat sie große Künstler, Musiker, Sportler, Moderatoren und Traditionsverfechter für ihre Lebenswerke ausgezeichnet. Darunter ist auch David Stewart. Er ist der dienstälteste Malt Master in Schottland. Seit 54 Jahren hat er die schottische Whisky-Industrie beeinflusst und perfektioniert… 

Jasmin Haider in Aktion

God save the queen

Denn sie weiß, was gut ist. Nicht umsonst hat sie große Künstler, Musiker, Sportler, Moderatoren und Traditionsverfechter für ihre Lebenswerke ausgezeichnet. Darunter ist auch David Stewart. Er ist der dienstälteste Malt Master in Schottland. Seit 54 Jahren hat er die schottische Whisky-Industrie beeinflusst und perfektioniert.
Aber kann ein traditioneller Whisky überhaupt die Ansprüche der heutigen Generation bedienen? Muss nicht jede Spirituose einen Relaunch durchlaufen, damit sie wieder aktuelle Bedürfnisse stillen kann? Gibt es überhaupt aktuelle Vorlieben beim Whisky oder reicht es dem Getränk, von alten Herren in Zigarrenzimmern geschlürft zu werden?
Und überhaupt: Darf man Whisky jetzt mit Eis trinken oder kommt man dann in die Hölle?
Whisky

Abstauben

Staubig sind nur die VHS-Kassetten, die alte Männer in großen Sesseln mit Whisky-Glas zeigen. Whisky hat sich den Staub von den Schultern geklopft und schafft es, die junge Generation und auch die weibliche Bevölkerung von sich zu überzeugen.
Vielleicht mag das eines dieser Hipster-Phänomene sein – „Back to the Roots“ oder „Weg vom Schnickschnack“ –, vielleicht ist es aber auch einfach das Erinnern an Gutes. „Viele Cocktail-Rezepte wie die des Old Fashioned oder Manhattan basieren auf Whisky und das nicht erst seit gestern.
Wodka hatte seinen Höhepunkt um die 2000-Wende. Whisky war schon immer da“, erklärt Reinhard Pohorec, der sich über mehrere Stationen als Barkeeper, Absinth- und Wermut-Produzent, Gastro-Consultant, Whisky-Liebhaber und Spirituosen-Experte in der Branche etablierte.
„Vielleicht mag man dem Single Malt das Attribut verstaubt zuschreiben, dahingegen waren und sind amerikanische das nie.“ Amerikanischer Whisky glänzt mit Kreationen aus Roggen, Mais, Gerste oder auch Weizen. „Am Ende des Tages muss es dem Gast schmecken. Alteingesessene Produzenten müssen ihre Boniertheit ablegen und sich fragen, was die Zielgruppe will. Und wenn die kaufkräftige Zielgruppe Whisky auf Eis oder mit Ginger Ale oder Soda will, dann bekommt sie es auch“, sagt der 27-jährige Pohorec. „Es muss dann ja nicht der 40 Jahre alte Single Malt sein.“ 
 „Kleine Brauereien können sich schneller am Markt bewegen. Sie sind experimentierfreudiger, weil es risikoärmer ist", so Jasmin Haider
Jasmin Haider, Marketing-Managerin und Familienmitglied der ersten Whisky-Destillerie Österreichs, ist sich sicher, dass die Zielgruppe neugieriger wird: „Die Öffentlichkeit ist neuen Entwicklungen einfach nicht mehr so verschlossen, auch gegenüber kleineren Brauerein oder Experimenten.“
Der österreichische Roggenwhisky der Haider-Destillerie, der feine brotige Akzente aufweist, ist so eine Entwicklung. „Wenn man mit Fässern experimentiert, in denen der Whisky jahrelang lagert, kann man erst spät die Erfolge oder eben Misserfolge messen“, da sind sich Haider und Pohorec einig. Deshalb ist es schwer für große Unternehmen, offen zu sein. Alteingestandene Unternehmen wie jene aus Schottland brauchen ihre stetig gute Qualität und können nicht darauf vertrauen, dass etwas gegebenenfalls funktioniert.
Den Trend bilden also die jüngeren kleineren Unternehmen. Orientierung finden aber alle in den Wurzeln. So wie es auch die Japaner tun, die 2015 den besten Whisky der Welt laut Jim-Murrays-Whisky-Guide produzierten. Sie haben sich die Destillerieweise bei den Schotten abgeschaut und haben noch dazu sehr weiches Wasser.
In diesem Jahr gewann ein Roggenwhisky aus Kanada. „Eine meiner liebsten Aufgaben ist die Fässerauswahl. Durch die Lagerung im Fass kann man sehr großen Einfluss auf das Produkt nehmen. Da ergeben sich immer neue Möglichkeiten. Bei dem Ansatz des Destillats bin ich eingeschränkter gegenüber Experimenten“, schildert Haider ihre Erfahrungen.
Whisky

Aus dem Fass

Genauso wie Whisky im Fass reift, geht das auch mit fertig gemixten Cocktails. „Dieser Hype kam vor rund sechs Jahren auf. Die einzelnen Komponenten sollen sich besser verbinden und holzige Aromen aufnehmen. Allerdings ist das mit Hypes immer so eine Sache: Man setzt sich nicht ordentlich mit dem Thema auseinander, macht viele Fehler, kehrt der Sache den Rücken und springt auf den nächsten Hype-Zug auf“, so Pohorec.
Bei Barrel Aged Cocktails gibt es viele Fehlerquellen: Das Fass ist zu groß oder zu klein, die Lagerdauer zu lang oder zu kurz, der Alkoholgehalt zu niedrig, „Für mich ist John Glaser einer der wirklich interessanten Entwickler. Er hat beispielsweise die einzelnen Streben sowie Boden und Deckel der Fässer untereinander variiert und bringt so mehrere Komponenten in die Lagerung“, schwärmt Pohorec.
Auch Master Malt und Mind David Stewart hat sich mit der Lagerung besonders auseinandergesetzt: Er hat das Cask Finishing – die Veränderung des Whiskys durch das Fass – perfektioniert. Mit dem Verfahren hat er Qualitäten wie den 12- und 17-jährigen The Balvenie DoubleWood hervorgebracht, die heute zu seinen wichtigsten Erfolgen zählen. Beide änderten ihren Lagerort und reiften zuletzt in Sherry-Fässern. Besonders bei der Lagerung können auch alteingesessene Destillerien Neues ausprobieren.
Aber auch hier gilt: Nicht an der jungen Zielgruppe vorbeiwirtschaften. Denn die ist offen für Neues und ehrt Traditionelles, solange es nicht verstaubt ist. 

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