Wie Marco Müller im Rutz Regionalität revolutioniert

Was Marco Müller anpackt, kommt erstens aus der Region und wird zweitens zum kulinarischen Highlight. Von Bepflanzungsplänen bis zu eigenen Fischteichen: ein Auszug.
Juli 4, 2019 | Text: Alexandra Polic | Fotos: Lukas Kirchgasser

Kaum jemand arbeitet so akribisch und gleichzeitig so gelassen wie Marco Müller. Der Sternekoch aus dem Berliner Rutz reist mit Sous Chef Dennis Quetsch bereits am Sonntag an. Ihre Kochkünste vorführen werden sie erst zwei Tage später. Das tut bei der Vorbereitung der beiden aber nichts zur Sache: Das Team aus dem Rutz überlässt nichts dem Zufall. Zur Sicherheit wird auch noch mal nach Stickstoff gefragt. „Vier Stunden Vorbereitungszeit“ steht mit drei Rufzeichen versehen auf den Unterlagen mit Müllers Namen.
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Als einer der ersten Köche in Deutschland verschreibt sich Marco Müller der Regionalität. Seine Produkte kommen aber nicht nur aus der Region, um ihren Anbau und ihre Zucht kümmert sich der Küchendirektor höchstpersönlich.
Wer nun glaubt, der Mannschaft bereite der Auftritt Stress, der irrt: Müllers Köche sind die entspanntesten, hören Musik, sind im Takt: Der Laden läuft, der Küchenchef auch: Er spaziert

Kaum jemand arbeitet so akribisch und gleichzeitig so gelassen wie Marco Müller. Der Sternekoch aus dem Berliner Rutz reist mit Sous Chef Dennis Quetsch bereits am Sonntag an. Ihre Kochkünste vorführen werden sie erst zwei Tage später. Das tut bei der Vorbereitung der beiden aber nichts zur Sache: Das Team aus dem Rutz überlässt nichts dem Zufall. Zur Sicherheit wird auch noch mal nach Stickstoff gefragt. „Vier Stunden Vorbereitungszeit“ steht mit drei Rufzeichen versehen auf den Unterlagen mit Müllers Namen.
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Als einer der ersten Köche in Deutschland verschreibt sich Marco Müller der Regionalität. Seine Produkte kommen aber nicht nur aus der Region, um ihren Anbau und ihre Zucht kümmert sich der Küchendirektor höchstpersönlich.
Wer nun glaubt, der Mannschaft bereite der Auftritt Stress, der irrt: Müllers Köche sind die entspanntesten, hören Musik, sind im Takt: Der Laden läuft, der Küchenchef auch: Er spaziert indes mit Skript durch die heiligen gas­tronomischen Hallen der CHEFDAYS. Das nimmt er auch mit auf die Bühne, als es endlich losgeht.

Schon vorab hat der Deutsche nach einem gedeckten Tisch auf der Mainstage gefragt. Denn zwei glückliche Fänger dürfen live auf der Bühne sein Essen verkosten. Fänger? Ja: Müller schießt erst mal fröhlich mit der Ballkanone ins Publikum. Dass sich dafür Freiwillige finden, hätte aber auch niemand bezweifelt.

Fast aus dem eigenen Garten

Und noch etwas anderes erregt Aufsehen, ohne dass der Sternekoch auch nur ein Wort darüber verloren hätte. Ein offener Grill steht auf der Bühne. Nur einer fehlt: der Mann, der dafür verantwortlich ist. „Wir suchen nach Jascha am Grill“, sagt Müller ins Mikrofon, durch die Lautsprecher hallt es. „Wo ist er?“, fragt er ins Publikum und beantwortet – oder erledigt – die Sache selbst: „Egal.“
Auch wenn das bestimmt kein großer Zwischenfall ist und Jascha wenige Sekunden später auftaucht, den Chefkoch kann wirklich nichts aus seiner stoischen Ruhe bringen. Schritt für Schritt erklärt er das Konzept des Berliner Rutz, das Restaurant, Weinhandel und Weinbar vereint. Das Küchengeschehen regiert und revolutioniert er seit 2004.
Wir sehen uns den Boden an, wir suchen uns das Saatgut aus, wir arbeiten ohne Pestizide.
Bei Marco Müller wird Regionalität großgeschrieben
„Wir haben uns den regionalen Gedanken schon vor vielen Jahren zu eigen gemacht“, erklärt Müller. „Damit waren wir in Deutschland lange Zeit Vorreiter.“ Mittlerweile arbeitet das Rutz eng mit Bauern, Landwirten und Fischzüchtern zusammen. Das Küchenteam lässt sich aber nicht einfach nur beliefern, es erstellt gemeinsam mit den Produzenten Bepflanzungspläne.
„Wir sehen uns den Boden an, wir suchen uns das Saatgut aus, wir arbeiten ohne Pestizide“, sagt der Rutz-Chef. Wenn er beispielsweise Kohlrabi auswählt, sucht er erst 20 Sorten aus, die er in seinem Küchenlabor auf die Probe stellt. Nur die Sorten, die seinen Test bestehen, lässt er im darauffolgenden Jahr anpflanzen.
Auch seine Denkweise beschreibt er anhand eines sehr hübschen Gewächses: einer Blume, an jenem Dienstag am Beispiel der Tagetes, die er mitgebracht hat. „Wenn man die Blüte von der Tagetes abtrennt, steckt darin ein unfassbares Aroma. Wir stellen uns dann die Frage: Wie kommen wir an dieses Aroma heran?“, erklärt der Querdenker. „Aber wir geben die Blüte auch zur Seite und sehen uns an, was wir mit dem Kelch und den Blättern machen können.“ Das Team rund um Marco Müller findet heraus: Das Beste an der Tagetes scheinen die Aromablätter zu sein.

Die Wertigkeit ist der Geschmack

Dabei ist auch wichtig zu wissen, dass Müller nicht das Produkt in den Vordergrund stellen will, sondern Aromen. „Wir geben jedem Produkt, das wir verarbeiten – ob Fisch, Fleisch oder Gemüse –, die gleiche Wertigkeit. Und die Wertigkeit ist am Ende der Geschmack.“
Und der ist bekanntlich umso besser, je frischer die Produkte sind. Gleiches wie für den Gemüseanbau gilt für Müller dementsprechend auch für die Fischzucht. So lässt das Rutz dafür eigens zwei Teiche halten. „Wir haben jeden Tag die Möglichkeit, die Fische morgens schlachten zu lassen“, sagt der Avantgardist. Abends servieren sie ebendiesen in Gerichten. „Alles, was älter ist, ist für uns alter Fisch!“
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Koji-Stör mit Wacholder und Rauchaal-Aromen aus dem Rutz
Das zeigt die Küchengarde auch auf der Bühne am Beispiel der Quellforelle mit Steinbutt-Bottarga, Buttermilch und Kohlrabi oder des Koji-Störs mit Wacholder und Rauchaal-Aromen.
Wir machen uns jegliche Gar- und Fermentationsmethode zu Eigen und finden heraus, was man mit einem Produkt machen kann.
Marco Müllers Experimentierküche ist noch kein kulinarisches Highlight entgangen
Vom Rauchaal, der eigentlich als Hauptkomponente des Gerichts gedacht war, ist letztlich nur eine Sauce geblieben. „Aber die hat richtig Bums!“ Sie sei das einzige Gericht, vor dessen Abschmecken Müller noch einmal tief Luft holen muss. Den Gästen schafft der Kartoffelschaum Abhilfe, den er mit der Sauce paart.
Den Platz des Rauchaals hat am Ende der Stör eingenommen. „Mit der Konsistenz vom Stör haben wir allerdings immer ein wenig gehadert“, erklärt Müller: Komplett buttrig ist er fast übergart, zu roh verarbeitet hat er leichte Spuren von Sehne zwischen den einzelnen Lamellen. Wie das Team im Rutz so eine Herausforderung meistert? Ganz einfach: „Wir machen uns jegliche Gar- und Fermentationsmethode zu eigen und finden heraus, was man mit einem Produkt machen kann.“ Im Falle des Störs bringt die Lösung, den Fisch mit einem Koji-Reis leicht anzufermentieren. Durch den Prozess wird er „weicher, zarter, eleganter“.
Seinen vom glücklichen Zufall und von einer Ballkanone ausgewählten Gästen serviert er nun das Ergebnis seiner Experimentierküche mit den Worten: „Das ist für euch, ihr könnt jetzt Gas geben!“ Der Ausnahmekoch selbst macht das schon lange.
www.rutz-restaurant.de Hier geht’s zu Marco Müllers Rezept für Koji-Stör mit Rauchaal-Aromen

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