Punk is not dead

Das Saint Pierre gilt nicht nur als eines der hippsten Restaurants Singapurs, sondern dank Eigentümer und Küchenchef Emmanuel Stroobant auch als eine der besten kulinarischen ­Adressen des Stadtstaates.
November 13, 2015

Emmanuel Stroobant mit orangen jonglierend Das beginnt schon damit, dass es optisch einiges hermacht: Auch wenn man dem Gourmettempel hier und da ansieht, dass er mittlerweile ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, so strahlt das nüchterne, fast spartanische Ambiente noch immer eine ultracoole Eleganz aus.
Mancherorts regt sich zwar Kritik, dass der klein dimensionierte Speiseraum mit 26 Plätzen für leicht klaustrophobische Anwandlungen sorgt und auch die beiden privaten Esszimmer für 14 bzw. 20 Personen sowie der Delikatessenshop Archangel nicht gerade ein Gefühl grenzenloser Freiheit aufkommen lassen – doch dies wird durch die legere Atmosphäre wettgemacht.
Seine Lockerheit verdankt das Lokal nicht zuletzt dem Hausherrn, gilt der gebürtige Belgier Emmanuel Stroobant doch als eine der schillerndsten Gestalten der internationalen Topgastronomie. Trotz seiner 39 Jahre würde der Mann allemal als „junger wilder“ durchgehen – nicht nur aufgrund seiner weißblonden Punkfrisur, seines stets in Schwarz gehaltenen Outfits und seiner Vorliebe für schwer verzerrte Gitarrenklänge, sondern vor allem auch wegen seiner außergewöhnlichen Kreationen.
Bis zu seinem elften Lebensjahr führten seine Eltern ein Restaurant: „Ich erinnere mich, dass ich mich als Kind gerne in der Küche aufhielt, weil mich das geschäftige Treiben faszinierte. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, diesen Job einmal selbst auszuüben.“ Vielmehr sah sich der junge Emmanuel als Anwalt und begann ein Jusstudium. Um dieses zu finanzieren, arbeitete er als Tellerwäscher in einem Restaurant in Brüssel – wie der Zufall es wollte, ein Dreisternehaus. „Zuerst erledigte ich nur den Abwasch, allmählich durfte ich auch Salate und Beilagen zubereiten. Da ich dadurch immer seltener auf die Uni kam, schmiss ich das Studium hin und belegte stattdessen einen Kurs für Hotelmanagement und machte eine Kochausbildung in meinem alten Betrieb.“ Es folgten Jobs in renommierten Restaurants rund um den Globus, zuletzt in Malaysia.
Als er die Zeit für ein eigenes Restaurant gekommen sah, war es nur ein Katzensprung nach Singapur. Von da an ging es mit dem Saint Pierre Schlag auf Schlag: 1999 Best Expatriate Chef, 2002 Chef of the Year und Best New Restaurant, 2003 Best New Restaurant, 2004 Most Innovative Menu – und dazwischen drei Bücher mit den Titeln „Cuisine Unplugged“, „Vine Dining: White“ und „Vine Dining: Red“.

eine kreation aus der frankoasiatische MolekularkücheFrankoasiatische Molekularküche
Der Stil des Emmanuel Stroobant lässt sich am besten als moderne französische Küche mit asiatischen Einflüssen und einer unübersehbaren Affinität zur Molekularküche beschreiben. Außerdem gilt ausgerechnet der Küchenanarcho als Spezialist für Foie gras. Dabei scheint sein Einfallsreichtum grenzenlos zu sein: Wer würde schon einfach so Lammkeule mit rotem Knoblauch und Sommerkräutern, Pimiento del Piquillo, grünen Sojabohnen, Limonenconfit und gerösteten Pinienkernen kombinieren? Wer sonst würde Foie gras in geräucherte Ente wickeln oder Schnecken unter eine Waldpilzsauce rühren?
Tatsächlich scheint unter der Punkfrisur ein Gehirn permanent daran zu arbeiten, kulinarische Schranken niederzureißen und Geschmacksgrenzen zu überschreiten. Dabei hat Stroobant keine Berührungsängste mit Ikonen wie Ferran Adrià, Pierre Gagnaire oder Tetsuya Wakuda – er zollt ihnen Respekt, sieht sich aber nicht als deren Jünger. Am deutlichsten tritt dies bei einem achtgängigen „Gastronomique Menu“ um $ 90,– (EUR 43,–) zum Lunch oder einem zehngängigen „Dégustation Menu“ um $ 128,– (EUR 62,–) zum Dinner zutage.
Saint Pierre Restaurant mit einer Vinothek aus Glas hinter einer langen Tafel Auch die Weinbegleitung, die auf noch einmal $ 75,– (EUR 36,–) kommt, ist ihr Geld allemal wert! Seine bestens sortierte Weinkarte verdankt das Saint Pierre Stroobants Frau, Edina Hong, die in ihrer Funktion als Maître tatkräftig vom französischen Sommelier Vincent Jaureguiberry unterstützt wird – der wiederum behauptet, nichts errege ihn mehr als der Anblick einer Flasche Wein.
Derart leicht erregbar ist Emmanuel Stroobant nicht mehr. Da auch der Punk in die Jahre gekommen ist, ist die Sturheit früherer Tage einer gewissen Gelassenheit gewichen: Zwar hasst er – nicht zuletzt wegen seiner Frisur – nach wie vor Kochmützen, aber im Umgang mit Gästen ist er pragmatischer geworden. „Wenn früher ein Gast sein Steak well-done statt medium-rare wollte, habe ich einen Schreikrampf bekommen. Heute mache ich es ihm halt well-done. Er zahlt ja schließlich genug dafür!“
Was aber wohl immer bleiben wird, ist seine Verehrung für die Kochkunst: „Zutaten abwägen und in einen Topf werfen kann jeder. Kochen bedeutet mehr. Ein guter Küchenchef folgt seinem Instinkt. Er kocht mit dem Herzen, nicht mit dem Hirn!“

>>Info

Saint Pierre
01-01 Central Mall 
3 Magazine Road
Singapore 059570
Tel.: +65 6438 0887
E-Mail: www.saintpierre.com.sg

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