Öle: Heilig war gestern

Das geht runter wie Öl? In Zeiten von Pantscherei und Etikettenschwindel weit gefehlt. Wie man echte Qualität erkennt, welche Öle wirklich das i-Tüpfelchen auf Speisen setzen – eine Orientierungshilfe.
November 13, 2015

ein Koch beim Öl eingiessen Heiliges Element seit Menschengedenken, fast genau so lange Geschmacksträger schlechthin, seit geraumer Zeit auch Speisenvollender höchster Güte: Öle ziehen in der Küche nicht nur als Allrounder temperaturmäßig alle Register, sondern trumpfen in ihrer edelsten Form auch als einzigartige Würze für den letzten Schliff kreativer Kreationen auf. Und dennoch: In Sachen Öl scheiden sich heute die Geister. Qualität ist beileibe keine Selbstverständlichkeit und schon gar nicht heilig. Um sich durch das Dickicht der Klassifizierungen, Güteklassen und Etikettierungen zu kämpfen, braucht es fast eine eigene Wissenschaft. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen Spielräume offen, die bis ins Letzte ausgereizt werden (etwa Verarbeitungsdauer von Oliven für „Extra Vergine“-Kennzeichnung bis zu 72 Stunden), Billigproduktion und Etikettenschwindel (steirisches Kürbiskernöl aus chinesischen Kernen, eingefärbte oder gestreckte Öle, als Olivenöl deklariertes billiges Pflanzenöl wie zuletzt in Italien) stehen nahezu an der Tagesordnung.
Die Krux beginnt bereits bei der Bezeichnung „kalt gepresst“ – im Grunde genommen ist das eine schlichte Irreführung, denn Wärme ist immer im Spiel. „Auch alle Ölsaaten müssen für die Pressung erwärmt werden“, sagt Alois Gasser, Frontman des Kreativteams bei Wiberg. Der Pressvorgang darf lediglich 27 Grad nicht übersteigen. Preis, Farbe und Etikett sind nicht immer aussagekräftig. Hinzu kommen noch die unterschiedlichsten Ideologien…

ein Koch beim Öl eingiessen Heiliges Element seit Menschengedenken, fast genau so lange Geschmacksträger schlechthin, seit geraumer Zeit auch Speisenvollender höchster Güte: Öle ziehen in der Küche nicht nur als Allrounder temperaturmäßig alle Register, sondern trumpfen in ihrer edelsten Form auch als einzigartige Würze für den letzten Schliff kreativer Kreationen auf. Und dennoch: In Sachen Öl scheiden sich heute die Geister. Qualität ist beileibe keine Selbstverständlichkeit und schon gar nicht heilig. Um sich durch das Dickicht der Klassifizierungen, Güteklassen und Etikettierungen zu kämpfen, braucht es fast eine eigene Wissenschaft. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen Spielräume offen, die bis ins Letzte ausgereizt werden (etwa Verarbeitungsdauer von Oliven für „Extra Vergine“-Kennzeichnung bis zu 72 Stunden), Billigproduktion und Etikettenschwindel (steirisches Kürbiskernöl aus chinesischen Kernen, eingefärbte oder gestreckte Öle, als Olivenöl deklariertes billiges Pflanzenöl wie zuletzt in Italien) stehen nahezu an der Tagesordnung.
Die Krux beginnt bereits bei der Bezeichnung „kalt gepresst“ – im Grunde genommen ist das eine schlichte Irreführung, denn Wärme ist immer im Spiel. „Auch alle Ölsaaten müssen für die Pressung erwärmt werden“, sagt Alois Gasser, Frontman des Kreativteams bei Wiberg. Der Pressvorgang darf lediglich 27 Grad nicht übersteigen. Preis, Farbe und Etikett sind nicht immer aussagekräftig. Hinzu kommen noch die unterschiedlichsten Ideologien, was die Herstellung und Verwendung einzelner Öle betrifft – trüb oder klar, entsteinte oder nicht entsteinte Oliven, gesundheitliche Bedenken bei der Erhitzung auf hohe Temperaturen, Zeitrahmen von der Ernte bis zur Abfüllung. Fest steht, dass ungefiltertes Öl, wie beispielsweise Lein-, Mandel- oder Walnussöl, wie sie auch Heinz Reitbauer jr. und Johann Lafer verwenden, zwar mehr Aromastoffe beinhaltet, aber absolut frisch sein muss, innerhalb von vier Wochen aufzubrauchen ist und nicht erhitzt werden darf. Das Thema Erhitzen steht auch beim extra nativen Olivenöl immer wieder zur Diskussion. „Temperaturen bis zu 180 Grad sind anstandslos möglich, da die vielfach vorhandenen, einfach gesättigten Fettsäuren sehr hitzebeständig sind. Auch in der Mittelmeerküche wird es seit jeher so verwendet“, betont Olivenölexperte Heinrich Zehetner (L‘Olio Secondo Veronelli), „150 Grad reichen aber auch aus und sind schonender.“
Und worauf ist nun in Sachen Qualität wirklich Verlass? Als Kriterien können die möglichst genaue Rückvollziehbarkeit von Herstellungsort und -betrieb auf dem Etikett, (teils selbst) auferlegte Kontrollen der Produktionsstätten durch neutrale Prüfstellen (z. B. Verkostungspanels wie das „Deutsche Olivenöl Panel“, steirisches Kürbiskernöl mit Prüfnummer und der EU-Bezeichnung „g.g.A.“, geschützte geografische Angabe), die Auflistungen von Inhaltsstoffen (über den Säuregrad hinaus etwa der Anteil an Polyphenolen) sowie sortentypischer Geruch und Geschmack herangezogen werden. Beim Olivenöl heißt das etwa: „Ein Duft nach frischem Gras, nach Tomaten, nach Sauerampfer – das zeugt von gutem Öl. Je nussiger das Öl wird, desto reifer waren die Oliven bei der Ernte“, sagt Klaus Dolleschall, Restaurantleiter im Aenea in Velden. Je früher die Ernte stattfindet, desto bitterer, schärfer und gesünder (und grüner) ist das Öl – es eignet sich in besonderer Weise für Süßspeisen und Desserts. Nach der Methode des italienischen Olivenpapstes, Luigi Veronelli, werden die Oliven wegen des geringsten Säureanteils genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Farbe von Grün auf Violett umschlägt, geerntet und sortenrein innerhalb von nur vier Stunden verarbeitet, um sie im noch optimalen Zustand zu pressen.

drei verschiedene Olivenölsorten 700 Olivensorten gibt es insgesamt, allein 500 in Italien. Ihre ganz spezifischen Geschmacksnuancen werden immer gefragter, Verkostungen und eigene Olivenölmenüs stoßen in der Spitzengastronomie auf große Resonanz. Dolleschall: „Es ist eigentlich spannender als eine Weinverkostung, denn die Geschmacksrichtungen sind noch nicht so vertraut, die Gäste immer wieder erstaunt wegen der Vielfalt“. Olivenöl als Würze, ja zum Parfümieren von Speisen, darf durchaus einen Preis von 20 Euro pro Liter haben, sagt Zehetner, „hochwertiges Olivenöl hat seinen Preis, beim Wein haben wir das längst gelernt“.
Die romantische Vorstellung von der Ölproduktion mit Steinmühlen gehört in vielen Fällen der Vergangenheit an – Sauberkeitsfanatiker schlagen beim Gedanken an Rückstände und Verunreinigungen in den Ritzen die Hände über dem Kopf zusammen – Luftabschluss in der Zentrifuge heißt die Devise. Dennoch kommt auch die traditionelle Verarbeitung, etwa in der Herstellung von marokkanischem Arganöl ,zur Anwendung. Das von Berberfrauen in Handarbeit produzierte Öl aus den Früchten des Arganbaums (Kostenpunkt: rund 20 Euro/250ml) hat nicht nur Alfons Schuhbeck zu neuen Kreationen inspiriert, es eignet sich gleichermaßen für Salate, Speisen mit süßsaurer Note, eingelegte Fische und Fleisch. Wiberg-Koch Alois Gasser belässt das Arganöl lieber in der Heilmittelecke, er setzt in der warmen und kalten Küche auf Allrounder wie Distel-, Erdnuss-, Sonnenblumen-, Sesam- oder Walnussöl – oder die Finolio-Cuvées aus verschiedenen Ölsorten. Und auf Kürbiskernöl. Das dunkelgrüne, nussige und dickflüssige Öl aus der Steiermark sollte nicht erwärmt werden. Laut Mozartöl-Produzent Gerhard Wippel empfiehlt es sich neben Marinaden sowie in der Suppen- und Dessertküche auch in der klassischen Mozzarella-Tomaten-Balsamico-Kombination: „Ich habe das auf Elba Italienern gezeigt, sie waren restlos begeistert.“ Für die Titulierung „100 Prozent reines Kürbiskernöl“ darf nur die Erstpressung verwendet werden. Merkmale, die darauf schließen lassen, dass es sich um die Verarbeitung von chinesischen Kürbiskernen handelt, sind laut Wolfgang Gladysz von der Steirerkraft: hellere Farbe, weniger intensiver Geschmack, dünnflüssiger und teils artfremde Aromen – nur die Prüfnummer samt Hinweis auf geschützte geografische Angabe nach EU-Richtlinie mache beim Kauf sicher (Kostenpunkt: ab 7 Euro/500ml)
TraubenkernölDie Vielfalt der Öle und ihr Einsatz zur Geschmacksveredelung ist schier unbegrenzt, „man hat alle Entscheidungsfreiheiten“, betont Alois Gasser. Öl-Fachmann Franz Karl Hartl hat dennoch einige Empfehlungen parat – schon wenige Tropfen machen klassische Speisen zu einem neuen Geschmackserlebnis: Zur Verfeinerung kalter Gerichte eignet sich etwa Leinöl mit seinem süßlich-bitteren Geschmack und expliziter Schärfe, Mandelöl geht nicht nur in der Patisserie, sondern auch mit Entengerichten eine geschmackliche Harmonie ein. Marillenkernöl mit seiner marzipanigen Note unterstreicht Gerichte zum Thema „sweet & sour“, ist aber auch für Wildsaucen geeignet. Pistazienöl gilt als Rolls-Royce unter den Ölen. In der Küche ist diese Spezialität etwas launisch, sie harmoniert aber gut mit zitronigen Aromen, Avocados, Roten Rüben (Roter Bete) oder gebratenem bzw. pochiertem Fisch. Die Devise lautet einmal mehr: Probieren geht über Studieren.

 

Die Königin
Olivenöl wird je nach Säuregrad (gesättigte Fettsäuren) in Güteklassen eingeteilt (nativ extra: max. 0,8 %). Mehr Aufschluss geben die Inhaltsstoffe, v. a. der Anteil der guten Polyphenole (100–600 mg/l), K-Werte (Hinweis auf unerlaubt zugesetztes raffiniertes Öl), Peroxidwerte (max. 10, Frischegrad). Je früher die Oliven geerntet werden, desto grüner, schärfer, bitterer und gesünder ist das Öl. Je schwärzer und vollreifer die Früchte sind, desto goldgelber ist das Endprodukt (weniger Fruchtgeschmack, süßliche Töne).
Spanien ist der größte Olivenölproduzent mit einer Million Tonnen pro Jahr, Italien folgt mit 700.000 Tonnen, Griechenland mit 400.000 Tonnen.
Reinsortige Olivenöle gewinnen als edle Würzessenzen immer mehr an Bedeutung. Eine Auswahl italienischer Sorten (Secondo Veronelli):
Casaliva (Gardasee): Grasig. Eignet sich besonders zu Fisch, Spargel, Gemüse, Frischkäse.
Leccino (Lombardei): Mild. Empfehlenswert zu Fisch, Meeresfrüchten, weißem Fleisch und Pastagerichten.
Moraiolo, Frantoio, Raggiolo (Toskana): Kräftig, passt zu rotem Fleisch.
Coratina, Tondina (Süditalien): Pfeffrig, scharf. Ideal zu gegrilltem Fleisch, für Gemüse, Saucen, Süßspeisen.

Die Alternativen
Haselnussöl: Glasklar, hellgelb. Schokotouch mit Wald- und Gewürzaromen, vollmundig. Zu Salaten (in Kombination mit Zitrusfrüchten), Suppen, Desserts.
Kürbiskernöl: Dunkelgrün, dickflüssig, ausgeprägtes Nussaroma. Geschmeidiger Abgang, darf aber nicht bitter sein. Für Speisen mit rustikalem Touch (Salatmarinaden, Suppen, Dessertvariationen). Kombination mit Balsamessigen aller Art. Maximal leicht erwärmen.
Traubenkernöl: Grünlich bis grüngold. Das Aroma ist traubig-fruchtig und weinig, am Gaumen Anklang an Trester und Nuss. Vielfältig einsetzbar. Tipp: Gut geeignet zur Herstellung von Würzölen.
Distelöl: Goldgelb bis rot. Eher dickflüssig. Wildfruchtiger Geschmack. Vielseitig etwa für die Zubereitung von Marinaden und Dips einsetzbar, aber auch zum Dünsten und kurzen Braten.
Leinöl: Goldgelb. Scharf, süßlich-bitter, leicht widerborstig im Geschmack. Hat den höchsten Anteil dreifach ungesättigter Fettsäuren. Zur Verfeinerung kalter Gerichte oder zum Beträufeln. Besser nicht oder nur sanft erhitzen.

Die Alleskönner Rapsöl: Verträgt hohe Temperaturen, eignet sich also auch gut zum Braten, Backen und Frittieren. Deutliche Currytöne, raffiniert geruchs- und geschmacksneutral.
Sesamöl: Aus rohen Samen gewonnen, schmeckt es leicht nussig und ist von gelber Farbe. Das Öl aus gerösteten Samen ist sehr würzig und bernsteinfarben. Zum Verfeinern vegetarischer Gerichte, für die asiatische Küche.
Sonnenblumenöl: Hellgelb, nussig-fruchtig. Ideal zu Rohkost. In raffinierter Form dunkler und mit charakteristischem Röstgeschmack. Universell einsetzbar.
Maiskeimöl: Brat- und Frittieröl, zur Herstellung von Mayonnaise. In der raffinierten Form praktisch geschmacksneutral.
Erdnussöl: Nussig, aromatisch, aber unaufdringlich. Durch den hohen Anteil einfach ungesättigter Fettsäuren hoch erhitzbar. Klassisches Bratöl in der asiatischen, insbesondere chinesischen Küche. Eignet sich auch gut zum Grillen.

PistazienölDie Extravaganten
Pistazienöl: leuchtend grün, kräftiger Duft, ausgeprägtes Röstaroma. Für würzige und für süße Speisen geeignet. Tipp: Mit Balsamico oder Honigessig kombinieren.
Hanföl: Grünliches Gelb, raffiniert schillerndes Dunkelgrün. Enthält alle vom menschlichen Körper benötigten essenziellen Fettsäuren. Tipp: Zu Carpaccios aller Art, v. a. Steinpilzcarpaccio.
Arganöl: Das flüssige Gold Marokkos. Harmonie mit süßen Gerichten, auch erhitzbar, von einer Kombination mit Essig ist abzuraten. Tipp: Einfach pur zu geröstetem Weißbrot.
Pinienkernöl: Brotig bis dezent-süß. Durch seine Mildheit hält es anderen Gewürzen, Zitronensaft oder Speisen mit starkem Eigengeschmack nicht stand. Tipp: In Verbindung mit Süßwasserfischen, zu Avocados oder Ziegenkäse.

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