Große Show der Meister

Wenn plötzlich Kalamari nicht aus dem Meer, sondern aus dem 3D-Drucker kommen, ein Obst-Wissenschaftler mit einem Sternekoch unter einer Decke steckt und ausgewiesene Fleisch-Gurus lieber salzigen Muscheln nachstellen, dann ist man garantiert auf der ROLLING PIN.CONVENTION gelandet. Also haben wir uns für dich gleich einmal durchgekostet.
Feber 3, 2022 | Text: Lucas Palm | Fotos: Gerd Tschebular, Bobbys Agency

Hast du schon einmal einen auf Meeresfrüchte allergischen Menschen dabei beobachtet, wie er unbeschwert Meeresfrüchte genossen hat? Haben wir auch nicht. Bis jetzt jedenfalls. Doch nun trauen wir unseren Augen nicht! Was die Kochzwillinge Ivan und Sergey Berezutsky da vor uns zeigen, ist mehr als nur ganz große Küche …

Chef Days
Küchen-Philanthropin mit einer Vision: Jessica Rosval von Massimo Botturas Casa Maria Luigia in Modena erklärte auf der Mainstage den begeisterten Zuschauern, wie das Zusammenspiel zwischen Fine-Dine und Charity die Welt in Zukunft besser machen kann. Und hoffentlich auch wird.

Hast du schon einmal einen auf Meeresfrüchte allergischen Menschen dabei beobachtet, wie er unbeschwert Meeresfrüchte genossen hat? Haben wir auch nicht. Bis jetzt jedenfalls. Doch nun trauen wir unseren Augen nicht! Was die Kochzwillinge Ivan und Sergey Berezutsky da vor uns zeigen, ist mehr als nur ganz große Küche …

Chef Days
Küchen-Philanthropin mit einer Vision: Jessica Rosval von Massimo Botturas Casa Maria Luigia in Modena erklärte auf der Mainstage den begeisterten Zuschauern, wie das Zusammenspiel zwischen Fine-Dine und Charity die Welt in Zukunft besser machen kann. Und hoffentlich auch wird.

Nabel der Kochwelt

Die zwei russischen Kulinarikgenies sind genauso wie die restliche Elite für zwei Tage hier im Süden Österreichs, in Graz, versammelt. Sie alle machen die schmucke Stadt an der Mur mit ihrer modernen Messehalle für geschlagene 48 Stunden zum erklärten Nabel der Kochwelt. ROLLING PIN.CONVENTION heißt die international für Aufsehen sorgende Expo. Ikonen wie Massimo Bottura, Mauro Colagreco oder Tim Raue spazieren gut gelaunt und sichtlich entspannt zwischen den einzelnen Bühnen, Präsentationsständen und „Kostbarkeiten“ umher. „Paco Méndez ist auch schon da“, raunt uns jetzt der Mann zu, der für all das verantwortlich ist: Rolling Pin-CEO Jürgen Pichler. „Wir verstecken keine Speaker in irgendeinem Backstage-Bereich“, sagt er noch, bevor er entschwindet. Damit bringt er auf den Punkt, was längst offensichtlich ist: Auf dieser Expo geht es nicht bloß um sehen und gesehen werden. Hier wird getalked, genetzwerkt, kreiert, diskutiert und Neues ergründet.

Seit wir wissen, wie es geht, drucken wir im Twins Garden sozusagen unsere Kalamari mit dem Drucker selbst aus.
Ivan und Sergey Berezutsky, Twins Garden Moskau

Apropos! Wo ist jetzt die Mainstage? Wir wollten doch den Zwillingen aus Moskau weiter auf die Finger schauen! Mit ihrem außergewöhnlichen Stil haben sich die Berezutsky-Brüder längst weit über die russischen Grenzen hinweg einen klingenden Namen gemacht. Auf der Liste der „The World’s 50 Best Restaurants“ stehen sie mit ih- rem Kulinariktempel aktuell auf Platz 30. Hier ist der Name „Twins Garden“ naturgemäß Programm. Erstens erwarten die Gäste dort eineiige Zwillingsbrüder. Und zweitens ist es ein kulinarischer GartenEden. 70 Prozent der Zutaten für ihre grenzgenialen Gerichte kommen von einer eigenen, zweieinhalb Autostunden südlich von Moskau gelegenen, Farm. Auf Gemüsefeldern, in Teichen und in Gewächshäusern, wachsen und gedeihen die besten Pflanzen und Tiere für die außergewöhnlichen Menüs der Brüder. Ein Farm-to-table-Konzept im russischen Stil. Zudem sind Ivan und Sergey kulinarische Super-Nerds, die auf technologische Tüfteleien setzen.

„Wir wollen die Grenzen des Kochens ausloten, das macht uns einfach Spaß“, sagen sie. Außerdem aber wollen sie mit ihrem Know-how auch Grenzen überwinden und Genuss-Hindernisse aus dem Weg räumen. Wie etwa Allergien auf Meeresfrüchte!

Das falsche Meer

Genau davon ist hier und jetzt gerade die Rede. „Das ist eine jener Allergien, denen wir in unserem Restaurant am öftesten begegnen“, legt jetzt Ivan los. „Wie viele Menschen würden gerne diese Urgeschmäcker des Meeres kosten – dürfen aber nicht, weil sie damit einem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wären?“ Was also tun? Einfach etwas anderes servieren. So lautet in der Regel das Rezept der Köche. Nicht so bei den Berezutskys. Sie sahen die regelmäßig wiederkehrende Problemstellung vielmehr als Arbeitsauftrag, um eine Lösung zu finden. Und stellten kurzerhand fest: diese wächst im eigenen Garten!

Die Misere der Gastronomie hat ihren Ursprung in den Strukturen der vergangenen Jahrzehnte. Sie ist hausgemacht!
Christian Rach, TV-Koch

„Nehmen wir Kalamari“, holt also Sergey aus. „Dieses Lebewesen besteht zu 80 Prozent aus Wasser und zu 16 Prozent aus Eiweiß. Was wir getan haben, war, das Eiweiß aus den Bohnen unseres Gartens zu nehmen und es mit Wasser zu mischen, in das Algen samt Meersalz eingelegt wurden.“ Das Ergebnis war eine Masse, die jener von Kalamari erstaunlich ähnlich war. Also haben die zwei weiter experimentiert. Gefeilt. Probiert. Neun Monate später war ihr Baby dann reif für das Licht der Gastrowelt. Sowohl im Geruch als auch im Geschmack und in der Textur glich der welterste vegane Kalamar ganz ohne Meeresfrüchte-Allergene seinen Verwandten aus dem Ozean fast komplett.

„Seither drucken wir im Twins Garden sozusagen Kalamari“, tönt es von der Bühne. Tatsächlich nutzt das Brüderpaar einen umgebauten 3D-Drucker, um die geheimnisvolle Masse final zu verarbeiten. Damit gelingt es ihnen, Menschen, die unter Meeresfrüchteallergien leiden, mitunter erstmals das Meer schmecken zu lassen! Eine Grenzerfahrung, die gleichsam verstörend wie faszinierend klingt. Aber keinesfalls alles ist, was Ivan und Sergey Berezutsky hier auf der Bühne der ROLLING PIN. CONVENTION zaubern. „Während sich dieses erste Gericht rund um das Phänomen des Gemüseeiweißes drehte, steht unser zweites ganz im Zeichen von Gemüsefett“, geht’s schon weiter zu Gang zwei. Long Story short: Genau so wie Kalamari kann man auch Foie gras ganz ohne Gänse herstellen. Man muss aber halt wirklich sehr genau wissen, wie, schmunzeln Ivan und Sergey Berezutsky verschmitzt. Betriebsgeheimnis, eh klar.

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MAINSTAGE & CHEFSTAGE
Zwei Tage lang sind auf der ROLLING PIN.CONVENTION die Blicke auf zwei Bühnen gerichtet: Auf der Mainstage geben Spitzenköche genauso wie etablierte Gastronomen ihr wertvolles Wissen weiter – ob in Form von ausgeklügelten Cooking-Demonstrations oder Tacheles-Talks. Hier findet jeder Inspiration und Ideen, egal, welche Küche die seine ist. Die Chefstage wiederum gehört den Praktikern und Youngstern. Hier wird es verrückt und besonders kreativ. Hier sind die Köche zum Angreifen nahe, Inspiration passiert mit allen Sinnen. Kurz: Wer Abgefahrenes kennenlernen will, ist hier richtig!

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Weltreise in wenigen Schritten

Ein paar Schritte weiter stehen wir plötzlich gleich ganz am anderen Ende Europas. Und zwar im Westen, an der portugiesischen Algarveküste bei Hans Neuner. Die Küche des Vorarlbergers zählt zweifelsohne zur Champions League – und das keineswegs bloß in Portugal. 2009 holte er mit seinem malerischen Restaurant direkt an der Küste den ersten Michelin-Stern, im selben Jahr sicherte er sich außerdem den Titel Portugals Koch des Jahres, und zwei Jahre später erkochte er in seinem Ocean Restaurant den zweiten prestigeträchtigen Macaron.

Das echte Meer

Was er wohl für das Fachpublikum zaubern wird? Seine Cooking-Demonstration schließt nahtlos an die verrückte Chose der Gebrüder Berezutsky an. Allerdings nur, was die Geschmackswelt betrifft. Neuner beeindruckt, wie er mit reduktiver Präzision die Aromen des Meeres auf die Teller bringt. Und zwar die echten, keine nachgebauten. Das Beste an seinem Amuse Bouche, einem Signature Dish seines Restaurants: Wir dürfen kosten! Name der Kostbarkeit: Tagliatelle vom Carabinero mit Lardo- und Seaweed-Spaghetti, Kaviar und einer himmlischen Sauce mit gegrillten Carabinero-Köpfen.

Vor 100 Jahren gab  es allein in der  Steiermark 2000  Apfelsorten. Heute sind es hochgerechnet nur noch 600!
Alois Wilfling, Apfel-Papst

Wie bitte macht der Neuner das? Wir haben offensichtlich laut gedacht, denn die Frage wird sogleich vom Sternekoch selbst beantwortet! „Zunächst wird die verführerisch rote Riesengarnele zerlegt und rund drei Minuten in Salz eingelegt. Das entzieht diesen wunderbaren Meeresbewohnern – die ihr Leben 500 Meter unter der Meeresoberfläche fristen – die Feuchtigkeit“, erfahren wir. Deshalb kann man sie anschließend besser verarbeiten, so die Begründung. Danach werden sie am Bauch entlang aufgeschnitten. „Aber nur so weit, dass ihr Darm entfernt werden kann. Sie werden also nicht in zwei Hälften geteilt“, mahnt der Meister.

Technik will gelernt sein

Das hat einen guten Grund: Nachdem sie vakuumiert wurden, klopft sie Neuner weich – im Format eines DIN-A4- Blattes. Dadurch entstehen hauchdünne „Sheets“, wie es in der Fachsprache heißt. Also Blätter, die gleichmäßig dünn sein müssen, damit sie eben auch genauso gleichmäßig garen. Und vor allem: damit sie in schön symmetrische Tagliatelle-Formen geschnitten werden können. „Wäre der Carabinero beim Ausnehmen geteilt worden, könnten wir die Tagliatellestreifen nicht so sauber herrichten“, geht die Lehrstunde weiter. Faszinierend daran: Durch das Eiweiß hält die berühmte Blätterform der Sheets erstaunlich gut. Inzwischen hat Neuner die spaghettiartigen Algen kurz blanchiert, den Rückenspeck vom Schwein in dünne Streifen geschnitten.

„Wir haben also drei Texturen“, kommt’s beiläufig vom Spitzenkoch. Uns läuft freilich längst das Wasser im Mund zusammen. „Die Carabineros, das jodige, leicht knackige Seaweed und den Speck, der schmilzt dann mit der heißen Sauce.“ Letztere erhält übrigens durch die im Fond eingelegten Carabineroköpfe, die scharf angegrillt wurden, so richtigen Bums – und wird zusätzlich noch mit Olivenöl zu einer einmaligen Textur vermengt. Jetzt wird der ganz große Spaß noch mit eigens eingepacktem Basilikum aus der Algarve garniert. Auf den schwört Neuner. „Zu Recht“, attestieren wir fleißig. Und meinen damit: Dieses Amuse-Bouche wird ewig im Kasten unserer Geschmackserinnerungen verwahrt bleiben.

Manche Rezepte kann man nicht kochen

Doch Zeit, um über solch außergewöhnliche Gaumenspiele lang nachzudenken, bleibt auf den CHEF.DAYS der ROLLING PIN.CONVENTION keine. Kaum runtergeschluckt, stehen plötzlich zwei bekannte Gesichter vor uns, die doch sonst ganz andere Süppchen kochen – hochpolitische nämlich. Österreichs Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und der Arbeitsminister Martin Kocher mischen sich samt Entourage unter die Gäste. Auf den zweiten Blick verfliegt die Verwunderung dann aber, wie ein flüchtiger Geschmack. Stattdessen werden wir jäh mit der blanken Realität konfrontiert: Es ist Pandemie. Aus dem seit Jahren beklagten Fachkräftemangel droht ein regelrechter Fachkräftekollaps zu werden.

Und überhaupt: Nie stand die Gastronomie in den vergangenen Jahrzehnten so im tagespolitischen Mittelpunkt wie in diesen Tagen. Und weil außergewöhnliche Situationen eben außergewöhnliche Maßnahmen verlangen, liegt es auf der Hand, dass bei dieser Fach-Expo über den Tellerrand geblickt wird. Und neben Kochgrößen auch politische Entscheidungsträger Rezepte präsentieren. Aber eben Rezepte, die statt Geschmacksexplosionen auszulösen vielleicht Probleme lösen helfen. Also geht’s auf der großen Bühne auch schon richtig ans Eingemachte. Rolling Pin-CEO Jürgen Pichler quetscht erst Köstinger aus. Dann sitzt Kocher auf dem heißen Stuhl. Und kurz bevor wir wie- der Lust auf mehr Kulinarik als Rhetorik haben, saugt uns eine wahrlich bekannte Stimme wieder Richtung Diskussion und Bühne.

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WHO-IS-WHO ZU GAST
Die CHEF.DAYS-Area zog auch dieses Jahr die international Besten ihrer Zunft an: Pos- terchild der neuen New Nordic Cuisine, Poul Andrias Ziska, New Yorks Fine-Dine-Koryphäe Daniel Humm, Casa Maria Luigia-Küchenchefin Jessica Rosval, Deutschlands Fleischpapst Ludwig „Lucki“ Maurer, Österreichs Küchenikone Heinz Reitbauer, Österreichs Ausnahmekoch in Portugal, Hans Neuner, Spaniens Superstar Paco Méndez, World’s 50 Best-Listen-Reiter Tim Raue, die Küchen-Nerds aus Moskau Ivan und Sergey Berezutsky, Philipp Rachinger aus dem Mühltalhof, Alex Wulf aus dem Troyka, Mr. Taste Heiko Antoniewicz, Wiens aufstrebender Herdmagier Sören Herzig, Belgiens Schokoladenkönig Dominique Persoone – und, und, und!

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Kräftig eins auf die Kochmütze

Christian Rach, der einstige Multigastronom und heute bekannte TV-Koch, hat das Mikrofon ergriffen. Wir wissen: In Sachen Kritik an der Gastrobranche hat er sich schon vor Corona kein Blatt vor den Mund genommen. Seit Jahren weist der 64-Jährige gnadenlos auf Missstände hin, hält gleichzeitig aber stets auch konstruktive Lösungsvorschläge parat. Klar, das muss man sich geben – zumal der Titel seines Referats „Zwischen Festessen und Hungersnot“ lautet. Los geht’s dann auch so, dass Köstinger, Kocher und Co die Ohren anlegen: Coron trägt überhaupt keine Schuld an der derzeitigen Misere in der Gastronomie, erfahren wir. „Im Gegenteil“, so Rach, „diese Misere hat ihren Ursprung bereits in all den Strukturen der vergangenen Jahrzehnte. Sie ist hausgemacht!“

Rolling Pin Convention
Belgiens Star-Metzger Hendrik Dierendocnk verköstigte die Teilnehmer mit seinen fleischigen Delikatessen.

Ganz im Zeichen des dialektischen Aufklärers versuchte sich Rach also mit beeindruckender Prägnanz als Advocatus Diaboli, also als derjenige, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort den Finger in die offene Wunde legt – und zusätzlich auch noch eine ordentliche Menge Salz hineinstreut. Nichts lässt er in seiner Kritik aus: Ausufernde Arbeitszeiten. Beschämende Bezahlung. Das Nichtvorhandensein jeglicher Work-Life-Balance. Und last but not least, der grobe Umgang vieler Küchenchefs mit ihren Mitarbeitern. Für Rach steht mehr denn je fest: „Die Gastronomie und die Hotellerie müssen sich ändern.“ Großes Aber, sagt Rach: „Auch die Gäste müssen sich ändern!“ Sprich: Es geht nur mit ganzheitlichen Lösungsansätzen, die sein müssen.

Streuobst als neuer Star

Bevor uns die nächsten Kostproben der anwesenden Meisterköche vor Schreck über die Realität im Halse stecken bleiben, hüpfen wir weiter. Zu einem, der seit Jahrzehnten die Welt der Kulinarik prägt wie kaum ein anderer. Und der selbst stets versucht, die harte Gastrowelt für alle Beteiligten besser zu gestalten: Heinz Reitbauer vom Steirereck am Wiener Stadtpark. Aktuell Platz zwölf der prestigeträchtigen World’s 50 Best-Liste. Bäm! Wie nur wenige steht das Aushängeschild der österreichischen Spitzenkulinarik für die euphorische Lust am Kochen, am Tüfteln und vor allem: am Entdecken verlorengegangener Produkte. Wenn es darum geht, vergessene kulinarische Schätze zu heben, ist er der Mann, an den man sich halten sollte. Also: ganz große Neugierde! Vor allem in Sachen Speisepilze hat er zuletzt schon so viel Spannendes auf den Teller gebracht, dass man ihn getrost als „Herr des Waldes“ bezeichnen kann.

„Wir haben in Österreich historisch gesehen eine große und vor allem vielfältige Streuobsttradition!“ Reitbauers sonore Stimme füllt plötzlich den Saal und wir bekommen auf der Stelle einen Vorgeschmack auf das Ziel der nun bevorstehenden kulinarischen Reise: Reitbauers neues Steckenpferd lautet wohl Streuobst! „Leider ist viel Wissen darüber verloren gegangen“, führt der 51-Jährige weiter aus. Um diesem Verlust entgegenzuwirken, widmet sich Reitbauer in seinen beiden Restaurants – neben dem Wiener Stadtpark also auch im Wirtshaus am Pogusch – jetzt bewusst und verstärkt diesem Thema, erfahren wir. Das heißt im Klartext: Dort werden Gerichte mit und aus Streuobst gezaubert, die man so garantiert noch nicht gesehen hat. Und jetzt hier direkt vor unseren hungrigen Augen.

Ein Hoch auf den Apfel-Guru

Reitbauers Demut vor dem Produkt äußert sich gleich zu Beginn seiner Präsentation. Und zwar darin, dass er seinen höchstpersönlichen Streuobst- produzenten auf die Bühne holt – und das mit folgenden Worten: „Er verkörpert all die Leidenschaft, Akribie und Produktversessenheit, für die auch wir im Steirereck stehen!“ Jetzt betritt Alois Wilfling die Bühne. Uns ist er als Apfelpapst geläufig, er selbst bezeichnet sich lieber als Geschäftsführer und Gründer des Oikos-Instituts für angewandte Ökologie und Grundlagenforschung im steirischen Gleisdorf. Der Mann hat nämlich Pomologie studiert und ist somit aus wissenschaftlicher Sicht ein ausgewiesener Fachmann für die Erforschung und Erhaltung von Obstsorten.

Wie wichtig seine Arbeit im Oikos-Institut ist, macht der Experte binnen weniger Sätze deutlich: „Noch vor etwa 100 Jahren“, so der Apfelforscher, „gab es allein in der Steiermark 2000 Apfel- und Birnensorten. Heute sind es hochgerechnet lediglich 600.“ Nachsatz: „Im Supermarkt hat man lediglich die Auswahl einer Hand voll Sorten, und das auch nur, wenn es sich um ein gutes Sortiment handelt.“

Im Gegensatz zu den meisten Sorten der etablierten Supermarktketten, die laut Wilfling hauptsächlich aus Wasser und Zucker bestehen, setzen sich Wilflings alte, fast vergessene Apfelsorten aus vier Elementen zusammen. Zucker. Säure. Gerbstoff. Und vor allem: die sortentypische Würze. „Das beste Beispiel dafür ist die Champagner-Renette“, kommt’s auf einmal von der Seite. Heinz Reitbauer will Wilflings Worte verdeutlichen. Der Name der Champagner-Renette nämlich entspringt ihrer moussierenden, süß-säuerlichen Geschmackstextur. Diese wiederum erinnert an das französische Nationalgetränk mit den feinen Perlen aus der Champagne „Daher rührt freilich der klingende Name dieser Frucht!“

Champagner zum Essen

Doch genug der geistigen Nahrung. Endlich geht es ans Eingemachte. „Fünf Gerichte werden es“, verspricht der Steirereck-Patron endlich. Alle auf der Obstseite gelagert, versteht sich. Schon das erste Gericht verdeutlicht, was mit qualitativ so hochwertigen Früchten kreiert werden kann: Zur Champag- ner-Renette gesellt sich jetzt der Rote Trierer Weinapfel und so entsteht direkt vor unseren neugierigen Blicken ein Sud aus Weißwein, Gewürzen und Johanniskraut. Dazu gibt’s gebeitzten Amurkarpfen mit Paradeispaprika, ofengeschmorten Goldrüben und Kohlrabi. Ein weiterer Fond der Champagner-Renette wird von Reitbauer noch mit Verjus und Feigenblattöl verfeinert, während eine Feigenblatt-Mayonnaise mit einem Spritzer Fischgarum für ordentlich Bums sorgt. Das ist regionale Hochküche, wie sie zukunftsweisender nicht sein könnte. In dieser Tonart geht’s weiter und wir sind glücklich, ab und zu direkt von der Bühne einen Happen kosten zu dürfen.

Des Fleischpapsts Austern

Nein, satt sind wir noch lange nicht. Unser Hunger nach weiteren Neuigkeiten und spannenden Geschmacks-Experimenten ist ungebrochen. Da kommt uns Lucki Maurer gerade recht. Seit Sommer 2016 betreibt der umtriebige Niederbayer unter dem Namen Stoi in einem über 300 Jahre alten Bauernhaus ein Pop-up-Restaurant samt Showroom, Wagyumanufaktur und Kochschule. „Deshalb haben wir ihn bei unseren ROLLING PIN Awards 2019 mit dem Gastronomiekonzept des Jahres ausgezeichnet“, lernen wir überraschend von Magazin-Gründer Jürgen Pichler, der sich Maurers Schaukochen offenbar auch nicht entgehen lassen will.

„Wobei Wagyumanufaktur ein Understatement ist“, fügt er noch hinzu. Hintergrund: 2006 gründete der heute 41-Jährige zusammen mit seiner Frau Europas allererste ökologische Wagyu-Zucht. Heute grasen auf den prachtvollen Weiden Schergengrubs rund um den Stoi sage und schreibe 100 Stück der japanischen Edelrinder. Apropos Understatement: Alle, die glauben, dass der – zurecht – als „Deutschlands Fleischpapst“ betitelte Maurer lediglich für feine Fleischgerichte steht, wird soeben eines Besseren belehrt: Drei Gerichte präsentiert der Küchen-Rock-’n’-Roller. Jedes davon kann filigraner und gleichzeitig sinnlicher nicht sein. Los geht’s mit – der „Ungarischen Auster“. Ja, richtig gehört. „Wir wollten die Auster anders interpretieren“, erklärt Maurer seine Überlegungen dazu. Die Idee sei ihm im Rausch gekommen, schmunzelt er.

Nachdem ihm die Sommelière seines Vertrauens verraten hatte, wie großartig der ungarische Süßwein Tokajer doch zu Austern passe. Anstatt mit Portwein, Pumpernickel oder einer Schalotten-Vinaigrette serviert er die jodigen Edelmuscheln also mit Paprika – einmal rot, einmal gelb – Austernkraut und einem himmlischen Sud. Dem verpasst er übrigens mit der ungarischen Wurst Kolbász einen ordentlichen Bums.

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DIE EXPO ALS HERZSTÜCK
Während bei den CHEF.DAYS der ROLLING PIN.CONVENTION die Kochstars mit ihren kreativen Ideen, neuen Techniken und ihrem Können das Publikum auf zwei Bühnen inspirieren, ist das wahre Herzstück die Expo-Area selbst. Schließlich können die besten Köche nicht arbeiten, wenn sie nicht die besten Rohstoffe zur Verfügung haben. Auf der Expo sind somit aufmerksam kuratierte und somit exklusive Produzenten und Lieferanten vor Ort, um neueste Produkte, kommende Trends sowie innovative Techniken vorzustellen. Um so wiederum alle Köche zu inspirieren. Damit diese auch in Zukunft ihrer größten Leidenschaft nachgehen können: Gäste glücklich machen.

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Fazit mit gutem Ausblick

Wir lernen: Meeresfrüchte sind derzeit offenbar sowohl bei Tech-Verliebten als auch bei Fleisch-Vernarrten in aller Munde. Festgeschriebene Rezepte sind zum Glück genauso Geschichte wie das Jammern über die Pandemie. Und wir schon wieder neugierig auf das, was die nächste ROLLING PIN.CONVENTION zu bieten haben wird.

SEI MIT DABEI! DIE NÄCHSTE ROLLING PIN-CONVENTION WARTET:

Graz: 30. bis 31. Mai 2022
Berlin: 11. bis 12. September 2022

Alle Infos sowie Early-Bird-Tickets: rollingpinconvention.com

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DAS ERWARTET DICH 2022
Auch heuer finden die ROLLING PIN.CONVENTIONS statt. Und zwar von 30. bis 31. Mai in Graz und von 11. bis 12. September in Berlin! Die ersten Speaker stehen schon fest: So erwarten wir in Graz Mr. Kitchen Impossible Tim Mälzer, die #5 der Asia‘s 50 Best Restaurants, Gaggan Anand, Österreichs Innereien-Häuptling Max Stiegl, Londons aufstreben- des Kulinarik-Genie Isaac McHale sowie Österreichs Veggie-Super- star Paul Ivic. In Berlin freuen wir uns schon auf Rasmus Munk aus dem Alchemist in Kopenhagen, genauso wie auf Tim Raue, Ana Ros oder Ricardo Camanini.

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