Underdog im Aufwind

Private Sorgen, finanzielle Schwierigkeiten und ein nahendes Happy End: Sternekoch Stefan Hartmann streckt dem Schicksal erhobenen Hauptes seinen Mittelfinger entgegen.
November 13, 2015

Fotos: Wolfgang Hummer

Sternekoch Stefan Hartmann Von ehrlichen Typen wie Stefan Hartmann gibt es in diesem Business leider nicht genug. Eigentlich habe ich mir Dutzende wichtige Fragen überlegt, aber gleich wenige Sekunden nach Beginn unseres Interviews platzt es aus ihm heraus: „Mir geht es grade echt scheiße. Meine Mama ist vor Kurzem gestorben und ich habe zurzeit keinen Kopf, hier in der Küche zu stehen.“ Und noch bevor er fertig gesprochen hat, liegt mein Fragenkatalog schon zusammengeknüllt im Papierkorb. Zwar trägt der Berliner Sternekoch sein Herz auf der Zunge, aber klarerweise will man zu so einem Zeitpunkt nicht über Kaninchenkomplettverwertung oder den Niedergang der Avantgarde-Küche sprechen.

Es sind turbulente Zeiten für den sympathischen Berliner. Seit zwei Monaten hat er sich nämlich selbst kein Gehalt ausbezahlt…

Fotos: Wolfgang Hummer

Sternekoch Stefan Hartmann Von ehrlichen Typen wie Stefan Hartmann gibt es in diesem Business leider nicht genug. Eigentlich habe ich mir Dutzende wichtige Fragen überlegt, aber gleich wenige Sekunden nach Beginn unseres Interviews platzt es aus ihm heraus: „Mir geht es grade echt scheiße. Meine Mama ist vor Kurzem gestorben und ich habe zurzeit keinen Kopf, hier in der Küche zu stehen.“ Und noch bevor er fertig gesprochen hat, liegt mein Fragenkatalog schon zusammengeknüllt im Papierkorb. Zwar trägt der Berliner Sternekoch sein Herz auf der Zunge, aber klarerweise will man zu so einem Zeitpunkt nicht über Kaninchenkomplettverwertung oder den Niedergang der Avantgarde-Küche sprechen.

Es sind turbulente Zeiten für den sympathischen Berliner. Seit zwei Monaten hat er sich nämlich selbst kein Gehalt ausbezahlt: „Die Gastronomie in Berlin ist wirklich nicht einfach. Einmal ist es gerammelt voll, den Tag darauf fast leer. Der Großteil erzählt ja immer, wie gut es läuft, aber ich kenne die Wahrheit.“ Außer in Berlin-Mitte sei es in der Bundeshauptstadt ein verdammt harter Kampf ums Überleben. Hartmann spricht offen aus, was viele Fine-Dining-Restaurants selbst erleben, aber selten zugeben. Derzeit muss er eben noch einen Kredit fürs Restaurant abbezahlen und da sind schwankende Gästezahlen nicht unbedingt von Vorteil. Aber wie so oft im Leben gibt es da bereits ein helles Licht am Ende des Tunnels.

Die Gastronomie in Berlin ist nicht einfach. Einmal ist es gerammelt voll, den Tag darauf fast leer.
Stefan Hartmann über das harte Pflaster Bundeshauptstadt

Der talentierte Küchenchef hat nämlich gerade einen Beratervertrag mit Marriott abgeschlossen und wird das gastronomische Konzept für das im Dezember neu eröffnende Hotel am Steinplatz verantworten: „Da bin ich vor allem Tim Raue zu großem Dank verpflichtet, da er mich bei diesem Projekt von Anfang an unterstützt hat.“ Der stets polarisierende Berliner Starkoch ist laut Hartmann für viele auf den ersten Eindruck bestimmt ein schwieriger Geselle, aber wenn man hinter den harten Kern blickt, verbirgt sich ein vor allem hilfsbereiter Mensch, der ihm mit Rat und Tat beim neuen Projekt zur Seite stand. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wird dieses luxuriöse Boutique-Hotel, das 1913 zum ersten Mal als Hotel eröffnet wurde, seine Türen erneut aufmachen und Hartmann ist dabei für das umfangreiche gastronomische Konzept verantwortlich: „Ich habe mich in den letzten Wochen vor allem in diese Aufgaben gestürzt, um mich von den privaten Sorgen etwas abzulenken. Aber das Gute an der Sache ist, dass mein Bankbetreuer in Zukunft wieder mehr Freude mit mir haben wird.“

Küchenchef im zukünftigen Restaurant am Steinplatz wird ein alter Freund Hartmanns, nämlich Markus Zimmer, ehemaliger Küchenchef im Restaurant Guy am Gendarmenmarkt. Der Sternekoch ist jetzt zwar hauptsächlich mit der Gestaltung des gesamten gastronomischen Konzepts beschäftigt, wird in Zukunft aber maximal zwei bis drei Mal im Monat vor Ort sein, um sich mit Zimmer auszutauschen und künftige Schritte zu besprechen. „Beim Interiordesign konnten wir nicht mehr mitgestalten, da jetzt alles sehr schnell ging und die Räumlichkeiten schon fertig gebaut waren, aber dafür habe ich vom Geschirr über Frühstück bis hin zur Bar meinen ganz persönlichen Stempel aufdrücken können.“ Der Küchenstil wird den gewinnenden Charakter Hartmanns tragen: ehrliche regionale Gerichte ohne großen Firlefanz, dafür vollkommen auf den Geschmack konzentriert.

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Mann des Vertrauens
Um Zeiten wie diese und vor allem ein zusätzliches aufwendiges Projekt wie das neue Restaurant am Steinplatz bewältigen zu können, braucht es im Stammrestaurant natürlich eine Stütze, die den Laden auch ohne den Chef schmeißt. Diese hat Stefan Hartmann in seinem Sous Chef Martin Harder gefunden. Seit bereits drei Jahren ist Harder im Team und genießt das hundertprozentige Vertrauen des Küchenchefs. Der Küchenstil Hartmanns macht einfach Spaß: Seine Gerichte sind stets transparent und nachvollziehbar. Ohne großen Schnickschnack. Durch diese puristische französisch-mediterran angehauchte Küche hat sich der 35-jährige Küchenchef im Jahr 2010 auch einen Michelin-Stern erkocht.

Gelernt hat er diesen Simplizismus bei Legenden wie Josef Viehhauser, Joachim Splichal oder Kolja Kleeberg. Mit der Eröffnung seines eigenen Restaurants hat er sich 2007 im Handumdrehen an die Spitze der Berliner Gastronomen gesetzt und überzeugt auch heute noch durch seine ansteckende Lust am Experimentieren: „Auch wenn ich aktuell leider sehr selten dazu komme, freue ich mich schon wieder darauf, endlich mit freiem Kopf neue Gerichte auszuprobieren. Ich liebe es ganz einfach, aus vermeintlich bekannten Grundprodukten neue Geschmacksnuancen herauszukitzeln.“

Ich wurde von Kritikern einst als Langweiler bezeichnet, weil ich diesen Glamour-Food-Mist nicht mitmachen wollte.
Stefan Hartmann über vergängliche Food-Trends

Von Molekularküche und Verschnörkelungsorgien auf dem Teller hält der gebürtige Niedersachse wenig. Daher kam auch die Idee, sich beim Fotoshooting als Anti-Avantgarde-Koch ablichten zu lassen: „Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, wie wichtig die Optik auf dem Teller wurde. Nur mehr optische Effekthascherei mit wenig Futter für den Gaumen. Ich wurde auch lange Zeit von Kritikern als Langweiler bezeichnet, weil ich diesen Glamour-Food-Mist eben nicht mitmachen wollte.“ Umso schöner ist es nun für den Spitzenkoch mitzuerleben, wie seine eigene Küchenphilosophie derzeit wieder ein weltumspannendes Revival erlebt.

Gefragter Gastkoch
Um den kulinarischen Dampfer finanziell über Wasser zu halten, ist Hartmann auch immer wieder als Starkoch bei kulinarischen Ausnahme-Events zu Gast. Ob bei den Gloria Hotels & Resorts in Belek an der Türkischen Riviera oder beim Gourmetwochenende im Robinson Club Fleesensee gemeinsam mit Kapazundern wie Karlheinz Hauser, Ralf Zacherl oder Heiko Antoniewicz: Stefan Hartmann hat sich seinen Platz unter den besten Köchen Deutschlands erkämpft und wird ihn so schnell auch nicht mehr hergeben.

Und auch wenn die Zukunft nach gerade harten Zeiten aufgrund des neuen Engagements bald wieder rosiger aussehen wird, einen Fehler will der Sternekoch nicht noch einmal machen: „Natürlich habe ich nun diesen Beratervertrag bei Marriott und somit quasi ein zweites Standbein. Aber mit keinem eigenen finanziellen Risiko. Ich war bereits einmal überheblich und wollte es mit einem Zweitrestaurant wissen, das ist aber gründlich in die Hose gegangen.“ Er hat jetzt dazugelernt. Und einen Tipp für all jene, die auch den Weg in die beinharte Sterneküchen-Selbstständigkeit wagen wollen: „Der Großteil überschätzt sich.

Viele denken, nur weil sie ein paar Jahre in einer Sterneküche den Löffel gehalten haben, sind sie Superstars. Sich zu präsentieren, als wäre man der Größte, obwohl man eigentlich ein kleines Licht ist, ist jedenfalls ein weitverbreiteter Fehler. Das und Überehrgeiz.“ Ein Blatt vor den Mund genommen hat sich Stefan Hartmann wahrscheinlich sehr selten in seinem Leben. Er kocht, wie er ist. Und das schmeckt.

www.hartmanns-restaurant.de

Schokoladentarte – Sanddorn, Kaffee
Rezept für 4 Personen
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Mürbteig
300 g Butter
500 g Mehl, 2 Eier
120 g Zucker
60 g Mandelgrieß

Schokomasse
200 g Kuvertüre, 4 Eier
200 g Butter
200 g Zucker

Schokomousse
150 g Kuvertüre, 2 Eigelb
1 Espresso
50 g Zucker
200 ml Muskat, Salz
1 Bl. Gelatine

Ganache
50 g Zucker
50 ml Sahne
2 Espresso
20 g Zucker
150 g Milchkuvertüre

Sanddorneis
200 g Sanddornpüree
6 Eigelb
150 g Zucker
125 g Butter

Sanddorncreme
150 g Sanddornpüree
60 g Zucker
100 g Butter
2 Volleier

Kaffeecreme
400 ml Sahne
50 g Zucker
2 Espresso
2 g Agar-Agar
3 Bl. Gelatine
Espressopulver

Schokotarte
Temperierte Butter mit Mehl, Eiern, Zucker und Mandelgrieß verkneten und eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Teig ausrollen, in die gewünschte Form bringen und bei 180 °C blind backen.

Schokomasse
Die Kuvertüre mit weicher Butter im Wasserbad auflösen. Zucker und Eier dazurühren. Auf den gebackenen Mürbteig gießen und bei 90 °C im Ofen eine Stunde garen.

Schokomousse
Kuvertüre im Wasserbad schmelzen, Eigelb mit Espresso und 50 Gramm Zucker zur Rose abziehen, ausgedrückte Gelatine unterrühren und nun die geschlagene Sahne unterheben. Schokomousse kalt stellen.

Ganache
Den Zucker karamellisieren und mit der Sahne ablöschen. Die restlichen Zutaten dazugeben und mit dem Küchenmixer mixen. Kalt stellen.

Sanddorneis
Das Eigelb mit dem Zucker und dem Sanddornpüree zur Rose abziehen. Die Butter mit einem Mixer mixen und alles in der Eismaschine kalt rühren.

Sanddorncreme
Alle Zutaten zur Rose abziehen. Eventuell danach noch aufmixen. Kalt stellen.

Kaffeecreme
Alle Zutaten zusammen aufkochen und die ausgedrückte Gelatine unterrühren. Die Creme daumenhoch auf ein Backblech gießen.

Hier geht’s zu den großartigen Rezepten von Stefan Hartmann und anderen Starköchen!

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