Alain Weissgerber: Der gallische Gockel Pannoniens

Alain Weissgerber übernahm 2014 das Küchenzepter seines Schwiegervaters Walter Eselböck im legendären Taubenkobel. Wie der französische Geschmackspurist es von der Militärkaserne zu den Fine-Dine-Tempeln der Welt schaffte – und den traditionsreichen Familienbetrieb in eine glänzende Zukunft führt.
Mai 13, 2019 | Text: Lucas Palm | Fotos: Raphael Gabauer, Philip Horrak

Eine Erfolgsgeschichte mit Härten

Das nordburgenländische Nest Schützen am Gebirge. Hier sagen sich Storch und Hase gute Nacht. Wäre da nicht das sagenumumwobene Taubenkobel. Das 1984 von Walter und Eveline Eselböck gegründete Restaurant machte die idyllische Ortschaft zur kosmopolitischen Fine-Dine-Destination schlechthin. Künstler, Literaten und Gourmets gleichermaßen versammelten sich hier um die bahnbrechenden pannonischen Gerichte der österreichischen Küchenlegende Walter Eselböck.
Nach kurzer Zeit habe ich einen eigenen Platz bekommen und nur noch für den Oberstab gekocht.
Alain Weissgerbers kulinarische Karriere nahm in Militäruniform bereits Fahrt auf
Mittendrin und nun als Küchenchef hinter dem Herd: Alain Weissgerber. Der gebürtige Elsässer übernahm 2014 das Küchenzepter seines Schwiegervaters – und bewies mit seinem puristischen Regionalismus, dass die Erfolgsgeschichte des traditionsreichen Familienbetriebs noch lange nicht auserzählt ist. 18 Punkte im Gault Millau oder auch die Auszeichnung „Coolest Place to eat 2016“ des renommierten Forbes Magazine sprechen eine klare Sprache. Doch der Weg dorthin war hart. Große Entscheidungen, dramatische Schicksalsschläge – all das blieb dem virtuosen Herdmagier nicht erspart. Aber eins nach dem anderen.

ALAIN WEISSGERBER WIRD AM 27. UND 28. MAI 2019 AUF ÖSTERREICHS GRÖSSTEM FOODSYMPOSIUM LIVE UND HAUTNAH ZU ERLEBEN SEIN!

Eine Erfolgsgeschichte mit Härten

Das nordburgenländische Nest Schützen am Gebirge. Hier sagen sich Storch und Hase gute Nacht. Wäre da nicht das sagenumumwobene Taubenkobel. Das 1984 von Walter und Eveline Eselböck gegründete Restaurant machte die idyllische Ortschaft zur kosmopolitischen Fine-Dine-Destination schlechthin. Künstler, Literaten und Gourmets gleichermaßen versammelten sich hier um die bahnbrechenden pannonischen Gerichte der österreichischen Küchenlegende Walter Eselböck.
Nach kurzer Zeit habe ich einen eigenen Platz bekommen und nur noch für den Oberstab gekocht.
Alain Weissgerbers kulinarische Karriere nahm in Militäruniform bereits Fahrt auf 
Mittendrin und nun als Küchenchef hinter dem Herd: Alain Weissgerber. Der gebürtige Elsässer übernahm 2014 das Küchenzepter seines Schwiegervaters – und bewies mit seinem puristischen Regionalismus, dass die Erfolgsgeschichte des traditionsreichen Familienbetriebs noch lange nicht auserzählt ist. 18 Punkte im Gault Millau oder auch die Auszeichnung „Coolest Place to eat 2016“ des renommierten Forbes Magazine sprechen eine klare Sprache. Doch der Weg dorthin war hart. Große Entscheidungen, dramatische Schicksalsschläge – all das blieb dem virtuosen Herdmagier nicht erspart. Aber eins nach dem anderen.
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Im ostösterreichischen Bundesland der Störche ist der gebürtige Elsässer Alain Weissgerber Pannoniens kulinarischer Überflieger. Seit 2014 ist er begnadeter Küchenchef des sagenumwobenen Taubenkobel. 

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Stehen Sie stramm, Chef!

Wenn Alain Weissgerber seinen Werdegang so Revue passieren lässt, scheint es, als wäre sein kulinarischer Königsweg von Anfang an in seiner DNA eingraviert gewesen. Zwar fängt auch bei ihm, wie bei so vielen Großen dieses Fachs, alles mit der kochenden Großmutter an. Doch wie bitterernst es der Kämpfernatur war, beweisen die Stationen ihrer von unbändigem Ehrgeiz getriebenen Lehr- und Wanderjahre. Nach der Lehre im elsässischen 1-Stern-Restaurant Le Bristol bei Dominique Le Stanc wurde der stattliche Küchennerd ins französische Heer in den Schwarzwald abkommandiert.
„Es gab damals noch ein Abkommen als Folge des Zweiten Weltkriegs“, erklärt der Elsässer, „wonach französische Truppen in Teilen Deutschlands stationiert sein mussten.“ Als ausgelernter Koch musste Weissgerber ohne Widerrede in der Heeresküche strammstehen. Ein Glück, wie sich der heutige Spitzenkoch erinnert. Denn seine Kasernen-Kulinarik schlug ein wie eine Bombe. „Nach kurzer Zeit habe ich einen eigenen Platz bekommen und nur noch für den Oberstab gekocht. Ich bin auch immer auf die verschiedensten Manöver mitgefahren“, erinnert sich der Wahlburgenländer. Es folgten eine Saison in der Schweiz und die erste kulinarische Spitzenstation: das Steirereck in Wien, damals noch unter der österreichischen Herdlegende Heinz Reitbauer senior.
Ich war 22, das war ein Wahnsinn.
Weissgerber über seine Zeit als Sous Chef in Otto Kochs Le Gourmet in München 

Offene Strukturen bei Otto Koch

Über zwei Jahre lernte Weissgerber dort die magische Welt des Fine-Dine kennen. Ausgerechnet in jenem Land also, das bald weit mehr als seine kulinarische Heimat werden sollte. Doch die erste große Herausforderung wartete woanders auf ihn. In Otto Kochs Le Gourmet in München wurde der Chef de Partie innerhalb kürzester Zeit Sous Chef.
„Ich war 22, das war ein Wahnsinn“, erinnert sich der Spitzenkoch. „Wir haben Gerichte kreiert und probiert. Jede Woche gab es einen Tag, an dem die Sous Chefs, der Küchenchef und auch der Oberkellner und Sommelier die neuen Speisen verkostet haben. Das heißt, es war bei aller Strukturiertheit auch alles sehr offen.“ Aber was war es, das den Fine-Dine-Getriebenen mit Anfang 20 wieder zurück ins beschauliche Österreich trieb?

Die Blaue Gans

„Ich wollte mich immer schon selbstständig machen“, erklärt Weissgerber. „Schon als Kind war es eigentlich immer mein Traum, ein eigenes Geschäft zu haben, am besten eines, das etwas mit Lebensmitteln zu tun hat.“ Als Sous Chef im Le Gourmet wusste er daher schon bald: „Wenn sich etwas Neues ergibt, muss es etwas Eigenes sein.“ Und dieses Eigene trug auch bald einen Namen: die Blaue Gans. Gelegen im malerischen Weiden am Neusiedler See, wusste das abenteuerlustige Küchengenie damals noch nicht, dass keine 30 Kilometer entfernt seine zukünftige Wirkungsstätte und Familie auf ihn wartete. Aber langsam.
Die Lage war top. Der Umsatz war gut.
Weissgerbers Blaue Gans blickte eigentlich einer glänzende Zukunft entgegen – eigentlich… 
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Alain Weissgerber hat das schier Unmögliche geschafft: eine altehrwürdige Küchenlinie weiterzuführen und sie gleichzeitig mit einer eigenen Handschrift zu versehen. 
Der rastlose Springinsfeld war jetzt gerade einmal 23 Jahre alt, beschäftigte drei Mitarbeiter – „bald waren wir aber nur zu zweit, weil es zu hart war“ – und machte einfach das, worauf er Bock hatte. „Ich hab mir damals relativ wenige Gedanken über irgendein Küchenkonzept gemacht. Es ging einfach nur darum, das, was ich gelernt hab, anzuwenden und das, was gut ist, auszuprobieren. Dass ich das mit saisonalen Produkten mache, war für mich sowieso klar – ich hatte es ja nicht anders gelernt.“ Sein Nichtkonzept funktionierte. „Die Lage war top. Der Umsatz war gut.“ Und: „Von Jahr zu Jahr wurden wir größer.“
Der bis 2009 erschienenen Österreich-Ausgabe des Guide Michelin war Weissgerbers intuitive Küche einen Michelin-Stern wert, dem Gault Millau zwei Hauben. Aber nicht nur in beruflicher, auch in privater Hinsicht hätten die ersten Jahre in der Blauen Gans nicht bedeutender sein können. Denn nach sieben Jahren begegnete er Barbara Eselböck, der Tochter der österreichischen Küchenlegende Walter Eselböck aus dem Taubenkobel. Sie war es, die später nicht nur seine Ehefrau, sondern als Hausherrin auch seine Geschäftspartnerin im Taubenkobel werden sollte.

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Verhängnisvolle Asche

Man könnte glauben, Alain Weissgerber sei damit erstens voll ausgelastet gewesen und zweitens in der burgenländischen Idylle endgültig sesshaft geworden. Doch der kompromisslose Produktfanatiker winkt gleich ab: „Wenn wir mit der Blauen Gans im Winter freihatten, habe ich auf Stage bei tollen Köchen wie Robuchon in Paris, Elena Arzak in San Sebastián oder im Tantris gearbeitet, um dazuzulernen.“ Der Spitzenkoch stand also mitten im Leben.
Wir wussten: Das war’s. Und: Wir müssen jetzt etwas anderes machen.
Die Gans war flambiert – und alle Fragen offen 
Es lief gut. Offenbar zu gut, um wahr zu sein. „Wir waren gerade auf dem Heimweg vom Urlaub in Kroatien“, erinnert sich Weissgerber an den tragischen Schicksalsschlag im Jahr 2010. „Da bekam ich einen Anruf. Ein guter Freund von mir war dran. Er sagte: ‚Alain, die Blaue Gans brennt.‘“ Anfangs hieß es, die Feuerwehr sei bereits vor Ort, es sei nichts allzu Schlimmes. „Wir sind dann trotz allem gemütlich nach Hause gefahren, bis wir plötzlich die Durchsage im Radio hörten, dass die Blaue Gans kontrolliert abbrennt.“ Was war passiert?
Über dem Restaurant befand sich ein Nachtklub, in dem es in dieser Nacht offenbar zu heiß zugegangen war. Nicht erkaltete Asche, die achtlos in einen Plastikeimer gekippt worden war, hatte wieder zu glosen begonnen. Jahrelange Arbeit, die Alain und Barbara mit Herzblut investiert hatten, lag mit einem Mal in Trümmern. „Wir wussten: Das war’s. Und: Wir müssen jetzt etwas anderes machen.“ Drei Monate überlegten Barbara Eselböck und Alain Weissgerber, wie ihre Zukunft aussehen könnte. „Gehen wir weg? Bleiben wir da?“ Doch bald war klar: „Wir gehen in den Taubenkobel.“

Pannonien auf Französisch

Das bedeute zunächst: ein Herd, zwei Alphatiere. Nicht nur, dass der Neo-Ex-Küchenchef aus der Blauen Gans sich nun die Küche mit jemandem teilen musste, nein: Dieser Jemand war noch dazu der eigene Schwiegervater. Aber Spaß beiseite. „Es hat sehr gut funktioniert“, versichert Weissgerber, „Walter war auch sehr offen und hat mich von Anfang an viel mit- entscheiden lassen.“ Vier Jahre schwangen die beiden Küchenkapazunder gemeinsam die Kochlöffel. „Es war eine spannende Zeit – vor allem, weil das Taubenkobel einfach in einer anderen Liga spielt als damals die Blaue Gans. Aber auch das Konzept ist ja ein anderes.“
Weissgerber spielt damit auf das kleine Imperium an, das die Eselböcks sich in den vergangenen 35 Jahren aufgebaut haben: Hotel mit sorgsam eingerichteten Zimmern, eine Greißlerei, in der es kulinarisch unkompliziert und locker zugeht – „da kriegt man auch sein Schnitzel“ –, und eben das Restaurant. 2014 war es dann soweit: Weissgerber übernahm die Küchenregie im Taubenkobel.
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Taubenkobel pur: Pilzessenz mit Pilzchip 
„Uns war immer wichtig, die Linie weiterzuführen. Den Taubenkobel gibt es jetzt seit 35 Jahren, und der Weg davor hat sich ja mehr als bewährt. Natürlich entwickeln wir es weiter, das heißt, es kommen beispielsweise neue Gerichte hinzu. Aber wir haben nichts über Bord geworfen. Wir wären ja blöd gewesen, hätten wir gesagt: ‚So, jetzt kommen wir und machen alles anders.‘“ Die Philosophie, das war eben jene der pannonischen Küche, einer kulinarischen Linie also, die sich so gut wie ausschließlich der Produkte Pannoniens bedient, jener zentraleuropäischen historischen Region, die in der k. u. k.-Monarchie heutige Gebiete Westungarns und Ostösterreichs abdeckte.
Sosehr Weissgerber das kulinarische Erbe seines Schwiegervaters weiterführt, sosehr weiß er auch, was er Neues in die Küche gebracht hat. „Der französische Einfluss“, sagt er, „ist präsenter. Die Saucen beispielsweise. Es ist alles sehr reduziert, und am wichtigsten ist weiterhin, klar zu bleiben“, so der pannonoische Geschmackspurist. Die 19 Gault-Millau- Punkte, die er von seinem Schwiegervater übernommen hatte, wurden ihm zwar nicht zuteil – Weissgerber kocht 18 Punkte –, doch der Elsässer sieht das pragmatisch. „Natürlich ist es super, wenn man gut bewertet ist. Aber es gibt mittlerweile viele Führer und auch immer mehr Leute, die auch öffentlich ihre Meinung zum Essen kundtun. Das gehört dazu.“

Die guten neuen Zeiten

Mittlerweile fliegt das Team des Taubenkobels regelmäßig aus. Mit dem Pop-up Lokvogel bringt es die pannonische Küche und das kosmopolitsche Flair aus Schützen am Gebirge in verschiedenste Locations nach Wien. „Es hat klein angefangen“, erinnert sich der rastlose Spitzenkoch, „aber jetzt hat es wirklich eine gewisse Dimension bekommen. Sobald es bei uns im Burgenland ruhiger wird, so ab November, dachten wir uns, dass es gut wäre, nach Wien zu gehen. Viele unserer Gäste sind ja aus Wien, und in dieser Zeit gibt es überall Feiern. Außerdem ist es auch für die Mitarbeiter super. Wir übernachten in Wien, lernen Neues, am Abend gehen wir ab und zu auch gemeinsam aus. Das motiviert.“
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Alles im Blick: In Zukunft wird Alain Weissgerber ein Stück Verantwortung in der Küche an seinen ehemaligen Sous Chef Christoph Mandl abgeben. Er selbst will sich verstärkt um das Taubenkobel-Imperium kümmern – vor allem um den anstehenden Ausbau eines Raums. 
Weissgerber spricht damit einen Punkt an, der nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für den Taubenkobel an Bedeutung gewinnen wird: die Mitarbeiterführung. Vor Kurzem gab es deswegen auch eine Änderung in der Küche: Weissgerbers jahrelanger Sous Chef Christoph Mandl ist seit diesem Jahr ebenfalls Küchenchef. „Er ist seit über zehn Jahren bei mir. Wir haben uns damit die Verantwortung aufgeteilt. So etwas tut den Jungen gut – und ich kann mich um andere Sachen kümmern.“ Wie zum Beispiel um den Umbau eines Raums, der seit zwei Jahren im Gespräch ist. Der Franzose schätzt, dass noch in diesem Jahr klar wird, was damit passiert.
„Die Veränderung und das Setzen neuer Akzente sind eben auch ein Teil dessen, was wir tagtäglich gemeinsam machen“, sagt Weissgerber. Ein Satz, in dem nicht nur der Erfolg eines Ausnahmebetriebs steckt. Sondern allem Anschein nach auch seine verheißungsvolle Zukunft.

ALAIN WEISSGERBER WIRD AM 27. UND 28. MAI 2019 AUF ÖSTERREICHS GRÖSSTEM FOODSYMPOSIUM LIVE UND HAUTNAH ZU ERLEBEN SEIN!

Hier geht’s zu Alain Weissgerbers Lieblingsrezept: www.rollingpin.at/rezept www.taubenkobel.com

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