Kocholympiade in Erfurt

Bei der Olympiade der Köche in Erfurt lieferten sich Teams aus 54 Nationen einen kulinarischen Wettstreit. Geschlafen wird erst wieder daheim.
November 13, 2015

Fotos: Messe Erfurt AG, Erfurt (Deutschland), Verband der Köche Deutschlands

Norwegen holt Gold bei der Kocholympiade in ErfurtDie Rastazöpfe sind unter der Kochmütze versteckt, weshalb sie auch gefährlich nach hinten rutscht, das Karamell läuft gerade über, worauf eine besorgte Zuschauerin mit einem hektischen Klopfen an die Plexiglasscheibe aufmerksam macht – Sheldon Sweeting, seines Zeichens Teamkapitän der Nationalmannschaft der Bahamas, ist trotzdem völlig relaxt. Daumen nach oben bedankt er sich schmunzelnd bei der unerwarteten Helferin. Die blutjunge Kandidatin Meiko aus Japan weiß dagegen gerade nicht, wo ihr der Kopf steht. Sie löst eine Wildente aus, bereitet die Teile für ihre nachfolgenden Kollegen im Jugendnationalmannschaftsbewerb vor und muss nun noch eine Vorspeise zaubern. Und das alles vor haufenweise Publikum, in einer hektischen Kochstudioatmosphäre direkt neben ihren Konkurrenten und innerhalb nur einer halben Stunde. „Das ist brutal, die Nerven flattern, der Zeitdruck ist groß“, sagt Helmut Deutsch, Teamchef der österreichischen Jugendnationalmannschaft, über diese olympische Disziplin für die Junioren. Vor der gläsernen Kochkoje der Norweger haben sich rund 50 Schlachtenbummler versammelt, die sich die Nasen platt drücken, ausgelassen Fahnen schwenken und…

Fotos: Messe Erfurt AG, Erfurt (Deutschland), Verband der Köche Deutschlands

Norwegen holt Gold bei der Kocholympiade in ErfurtDie Rastazöpfe sind unter der Kochmütze versteckt, weshalb sie auch gefährlich nach hinten rutscht, das Karamell läuft gerade über, worauf eine besorgte Zuschauerin mit einem hektischen Klopfen an die Plexiglasscheibe aufmerksam macht – Sheldon Sweeting, seines Zeichens Teamkapitän der Nationalmannschaft der Bahamas, ist trotzdem völlig relaxt. Daumen nach oben bedankt er sich schmunzelnd bei der unerwarteten Helferin. Die blutjunge Kandidatin Meiko aus Japan weiß dagegen gerade nicht, wo ihr der Kopf steht. Sie löst eine Wildente aus, bereitet die Teile für ihre nachfolgenden Kollegen im Jugendnationalmannschaftsbewerb vor und muss nun noch eine Vorspeise zaubern. Und das alles vor haufenweise Publikum, in einer hektischen Kochstudioatmosphäre direkt neben ihren Konkurrenten und innerhalb nur einer halben Stunde. „Das ist brutal, die Nerven flattern, der Zeitdruck ist groß“, sagt Helmut Deutsch, Teamchef der österreichischen Jugendnationalmannschaft, über diese olympische Disziplin für die Junioren. Vor der gläsernen Kochkoje der Norweger haben sich rund 50 Schlachtenbummler versammelt, die sich die Nasen platt drücken, ausgelassen Fahnen schwenken und in wilder Wikingermanier ihre Mannschaft anfeuern – Teamgeist über …

Norwegen ist Sieger der Kocholympiade in Erfurt… alles ist die überaus erfolgreiche Devise der Skandinavier. Am Ende werden die Bahamas mit einer Bronzemedaille, das japanische Jugendnationalteam als Fünfte in der Gesamtwertung, das österreichische Jugendteam mit Bronze und das norwegische Nationalteam mit drei Goldmedaillen und dem Titel „Olympiasieger“ nach Hause fahren.

1600 Kochprofis – absoluter Teilnehmerrekord – rittern in Erfurt, zum dritten Mal Austragungsort der Olympiade, vier Tage lang um Edelmetall. Das kulinarische Kräftemessen im Rahmen der Internationalen Kochkunstausstellung (IKA) ist nur auf den ersten Blick ein Kampf unter gleichen Voraussetzungen: Vor Ort finden die Mannschaften zwar die gleichen Bedingungen in Sachen Hardware vor, die Software in Bezug auf die Vorbereitung variiert aber enorm. Hier regiert das Geld, die Teams werden von Ihren Nationen sehr unterschiedlich unterstützt. Während etwa die Österreicher mit einem Budget zwischen 10.000 und 20.000 Euro auskommen müssen und die Griechen zumindest schon 50.000 Euro zur Verfügung haben, jonglieren die Favoritenteams aus der Schweiz, den USA und Schweden mit Millionenbeträgen – von rund zwei Millionen Euro ist hier die Rede. Auch Jurypräsident Mattias Schantin spricht zumindest von sechsstelligen Beträgen, „natürlich ist es auch eine Budgetfrage, ob man einen eigenen Logistiker und 20 bis 30 oder bloß acht Leute mithat. Das kann schon ein Startnachteil sein, muss aber nicht.“

Vorhandene Gelder wirken sich auf alle Fälle auf mehreren Ebenen direkt aus: Die Mannschaften haben nicht nur viel Verstärkung dabei, die Trainingsphasen sind weitaus länger (bis zu drei Jahre), Waren werden eingeflogen (wie etwa 80 Kilo Doper-Lamm aus Australien), sie reisen in eigenen Bussen, sind von Kopf bis Fuß extra eingekleidet und mit haufenweise Promotion­material und stylishen Imagebroschüren ausgestattet.

Nervenflattern und höchster Einsatz herrschen bei der Kocholympiade in ErfurtImmer wieder sorgt auch die 80/20-Regel für Geprächsstoff, die besagt, dass 80 Prozent der Speisen vorbereitet mitgebracht werden dürfen, die restlichen 20 Prozent müssen im Rohzustand sein und sind vor Ort zu finalisieren. Wer also wie die Amerikaner in der Vorbereitungsküche auf 20 bis 25 Mann zurückgreifen kann, der hat in Sachen Ressourcen eindeutig die Nase vorn. Die Griechen kämpften dagegen mit ganz anderen Widrigkeiten: Nicholas Tsiknakos – übrigens im vorigen Jahr Finalist im „junge wilde“-Bewerb von ROLLING PIN – berichtete von einem Reifenplatzer im ungünstigsten Moment: Material fehlte, Speisen mussten nachjustiert werden und wurden deswegen nur mit viel Weh und Ach fertig. Am Ende war die Freude aber groß: Acht Monate lang hatten sie für Ihre erste Teilnahme als Regionalmannschaft trainiert, drei Nächte vor Ort nicht geschlafen und waren ob ihrer Bronzemedaille ganz aus dem Häuschen. So eng liegen Enttäuschung und Jubel über den gleichen Erfolg beieinander: Österreichs Chef des Jugendteams, aus dem sich nach der kurzfristigen Neuformierung im Mai langfristig eine Nationalmannschaft entwickeln soll, war nach Bronze nur gedämpfter Stimmung. Österreich war heuer mit gar keiner Nationalmannschaft dabei, da nach Querelen im Kochverband das Team zurückgetreten war und man sich im Mai nur für ein Jugendteam entschloss. In der Endwertung reichte es bloß für den vorletzten Platz.

Dass Skandinavier grundsätzlich ein Abonnement auf das Siegerpodest haben, hat sich auch bei dieser Olympiade wieder bewahrheitet: Schweden konnte seinen Titel zwar nicht verteidigen, errang aber den dritten Platz. Die Norweger überzeugten auf allen Linien – unter anderem mit Fjordlachsforelle, arktischer Kaviarsauce und Variationen vom Svanöy-Lamm. Schantins Versuch einer Erklärung: „Die Schweizer und die Franzosen dominierten die Küche lange, Österreich und Deutschland zogen nach, aber jetzt ziehen die nordischen Länder vorbei. Und in den nächsten 10 bis 20 Jahren werden die Ostblockländer folgen.“

Go for Edelmetall hieß es freilich auch für das deutsche Nationalteam im Vorfeld. „Die Erwartungen sind durchaus realistisch“, sagte Ctefan Wohlfeil, Präsident des Deutschen Kochverbandes. Nervenflattern inklusive: „Das ist Anspannung pur und nur von einem eingespielten Team zu schaffen“, betonte Teamchef Uwe Scotland. Platz zwei in der Endwertung kann sich sehen lassen, die Junioren heimsten vor der Schweiz und Schweden sogar den Gesamtsieg ein. Bitter enttäuscht war die Schweizer Nationalmannschaft über den 8. Gesamtplatz.

Die Plattenschau ist eine Welt für sich – perfektionierte Handwerkskunst auf Mikroniveau, in schlaflosen Nächten für die Ewigkeit präpariert und doch am Ende des Tages als Aspikkunstwerk entsorgt. Ein Overkill an Komponenten auf einem Teller macht auch die Jury nicht glücklich, „das ist einfach viel zu viel, da wird man geschmacksmäßig erschlagen“, so eine Jurorin. Pragmatismus gehört zum Programm: „Den Titel vom letzten Mal kann uns keiner nehmen“, schmunzelt Franz Krautsack, Österreichs Teamchef in der Kategorie Gemeinschaftsverpflegung und Sieger 2004, „das System wurde heuer geändert, dieses Mal geht es um den GV-Award“. Neben dem unermüdlichen Einsatz – „die Olympiade kostet mich jedes Mal 3 Kilo Substanz“ – soll der Funfaktor nicht zu kurz kommen. Für das Motto Karibik kochte sein Team im Piratenoutfit auf. „Aber alles unter einer Silbermedaille wäre eine Enttäuschung“, setzt er nach. Die erreichten sie, gesamt aber Platz 3.

Matthias Schantin Matthias Schantin Jurypräsident
Er steht an der Spitze von 76 Juroren und ist Vizepräsident des Verbandes Deutscher Köche.

ROLLING PIN: Was ist die absolute Härte für die Jury?
Schantin: Der Zeitdruck – innerhalb von sechs Stunden muss jeder Juror tausende Kleinigkeiten bewerten und dann mit 5 anderen Individualisten einen Konsens finden. Die Teams interpretieren die Regeln recht frei, haben oft die Wettbewerbsregeln nicht genau gelesen. In der Plattenschau konzentrieren sich manche zu 80 Prozent auf die Deko statt auf die Gerichte. Das sind völlig falsche Prioritäten. Wir bewerten Deko nicht.

RP: Sind die Regeln nicht zu dehnbar?
Schantin: Die 80/20-Vorgabe ist noch weich und nicht wirklich gelungen. Es gibt keine exakten Richtlinien, was man darf und was nicht. Wann handelt es sich beispielsweise noch um einen Fond, wann ist es schon eine Sauce? Oft wird hier die Kompromissfähigkeit auf beiden Seiten getestet.

RP: Wohin führt die Zukunft?
Schantin: Die Speisen sollen so exklusiv wie möglich sein, Sterneniveau ist unter den Rahmenbedingungen aber nicht möglich. Ob sich die Molekularküche so hält, bleibt fraglich. Wir haben ja Gäste mit Zähnen. Fingerfood bleibt auf alle Fälle, vegetarische Gerichte sind auch ein Trend. Die festlichen Schauplatten sind eigentlich nicht mehr zeitgemäß.

 

Die Kochstation im Messesaal der Kocholympiade in Erfurt von

>> Die Olympiasieger

Nationalmannschaft (6 Personen):
1. Norwegen, 2. Deutschland,
3. Schweden, 4. Singapur,
5. Kanada, 6. Dänemark,
7. USA, 8. Schweiz,
9. Australien, 10. Island,
11. Niederlande, 12. Hongkong,
13. Großbritannien, 14. Zypern,
15. Finnland, 16. Südafrika,
17. Luxemburg, 18. Irland,
19. Tschechische Republik, 20. Wales,
21. Ungarn, 22. Slowenien,
23. Italien, 24. Portugal,
25. Japan, 26. Slowakei,
27. Südkorea, 28. Rumänien,
29.Bulgarien, 30. Kroatien,
31. Türkei, 32. Bahamas

Jugendnationalmannschaft
(5 Personen plus 1 Ersatzteilnehmer, maximal 23 Jahre alt)
1. Deutschland, 2. Schweiz,
3. Schweden, 4. USA,
5. Japan, 6. Australien,
7. Kanada, 8. Luxemburg,
9. Dänemark, 10. Tschechien,
11. Portugal, 12. Großbritannien,
13. Schottland, 14. Irland,
15. Italien, 16. Rumänien,
17. Mexiko, 18. Israel,
19. Österreich, 20. Polen

Militär Teams
1. Schweiz, 2. USA,
3. Deutschland, 4. Großbritanien,
5. Schweden, 6. Ungarn,
7. Irland, 8. Polen,
9. Slovenien, 10. Niederlande

Teams Großverpflegung
1. GV Team Bundeswehr
2. GV Team Sabis Restauranger
3. GV Team Austria
4. GV Team Technisches Hilfswerk
5. GV Team Biochef
6. GV Team Klinki Löwenstein, Zentrum für Pneumologie, Thorax- und Gefäßchirugie
7. GV Team Volkswagen AG
8. GV Team Fachklinik Herzogenaurach

Regionalteams
1. Culinary Team AAC, 2. Culinary Team Alberta,
3. Cercle des Chef de Cuisine Zürich, 4. Rhoneköche,
5. Culinary Team British Columbia, 6. Culinary Team ACF,
7. Meistervereinigung Gastronom, 8. Culinary Team Ontario
9. Aargauer Kochgilde, 10. Culinary Team Gothenburg,
11. Culinary Team Milko, 12. Quebec Regional Team ,
13. Hunguest Hotels Chef Club 99, 14. Culinary Team Guatemala
15. Culinary Team Eastern light, 16. National Culinary Team Israel,
17. Culinary Team Stockholm, 18. Verein der Nürnberger Köche e.V.,
19. Taste of Wizard, 20. L´art culinaire des copains des alpes,
21. Team Squadra Sarc Reggio Emilia, 22. Békés County Gastronomic Team,
23. Culinary Team Iss Norcat, 24. Athen´s Chef Club,
25. Debrecen Regional Team, 26. Team Veneto Chef,
27. Skane Kulinar, 28. Chef Team Regione Lombardia,
29. LV der Köche Berlin Brandenburg, 30. Culinary Team Poltauria,
31. Romantik Hotel Kis Helikon, 32. Carlsbad Plaza Hotel,
33. Culinary Nestlé Team, 34. Landesverband Niedersachsen,
35. Pomerania Team, 36. Culinary Team Equipe Emilia Romagna,
37. Landesverband Mitteldeutschland, 38. Culinary Team Amsterdam,
39. Landesverband Bayern, 40. Team of Slovenian Chefs Association,
41. Culinary Team Palermo, 42. Makro Culinary Team,
43. Associazione Concorsi Cuochi Friulani, 44. Nowaco Gastro Team,
45. Klub der Köche Kärnten, 46. Culinary Team Taj Mahal Hotel ,
47. Klub der Köche Pittental Bucklige Welt, 48. Culinary Association of Serbia,
49. Team Amber Alliance, 50. Team Regione Liguria,
51. Team Regione Piemonte Cuneo, 52. Culinary Team Prague,
53. Budapester Wirtschaftshochschule, 54. Culinary Team Belarus,
55. Culinary Team of Croatia, 56. Landesverband NRW,
57. Culinary Institute Gianni Brera -Como, 58. Culinary Team Mexiko,
59. Culinary Team Restaurant Mourmoyris, 60. Culinary Team Puglia,
61. Culinary Team Pine Bay Holiday Resort, 62. Culinary Team Euroturk Chefs

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