Was ein Michelin-Stern wirklich bedeutet – Erfolg oder Belastung?
Der Guide Michelin vergibt jährlich die wohl begehrteste Auszeichnung der Gastronomie: den Michelin-Stern. Weltweit gibt es mehr als 18.000 Restaurants mit mindestens einem Stern – an der Spitze ist es exklusiver: nur 157 tragen aktuell drei Sterne. Doch was bedeutet diese Auszeichnung eigentlich? Ist ein Stern der Schlüssel zum Erfolg oder doch eher eine Belastung?

Der Guide Michelin vergibt jährlich die wohl begehrteste Auszeichnung der Gastronomie: den Michelin-Stern. Weltweit gibt es mehr als 18.000 Restaurants mit mindestens einem Stern – an der Spitze ist es exklusiver: nur 157 tragen aktuell drei Sterne. Doch was bedeutet diese Auszeichnung eigentlich? Ist ein Stern der Schlüssel zum Erfolg oder doch eher eine Belastung?

Der 2018 verstorbene französische Koch Joël Robuchon weiß, wie sehr sich die Auszeichnung wirtschaftlich auszahlt: „Ein Michelin-Stern steigert den Umsatz um etwa 20 Prozent, zwei Sterne um 4 Prozent und drei Sterne sogar um 100 Prozent.“ Und er muss es wissen, denn seine Restaurants wurden insgesamt mit 32 Sternen ausgezeichnet – ein Rekord.
Angst vor der Schließung?
Aber mit Sternen wachsen nicht nur Umsatz, sondern auch die wirtschaftlichen Herausforderungen.
Wie groß das Risiko und die Herausforderungen tatsächlich sind, zeigt eine Analyse des University College London. Der Forscher hat 276 New Yorker Restaurants untersucht, die seit dem Jahr 2000 eröffneten. Die gewählten 276 haben besonders gute Bewertungen in der New York Times bekommen, aber nur 92 davon konnten auch einen Stern erkochen. Das Ergebnis der Folgejahre ist spannend: Beinahe die Hälfte – 42 von 92 – wurden bis 2019 wieder geschlossen. Bei den nicht ausgezeichneten Restaurants war die Quote deutlich niedriger: Weniger als jedes fünfte gab auf, und all jene, die schließen mussten, konnten im Schnitt ein Jahr länger durchhalten als die Sternerestaurants.
Aber natürlich spielen auch Faktoren wie Standort, Preisniveau oder Küchenstil eine Rolle in der Auswertung.
Fluch und Segen
Die Studie zeigt aber auch, dass ein Stern für enormen Andrang sorgt. Die Online-Suchanfragen steigen, Reservierungen häufen sich und auch das öffentliche Interesse nimmt oft weltweit zu. Auf den ersten Blick klingt das natürlich wie ein Traum, aber eine Medaille hat bekanntlich zwei Seiten. Mit dem Stern kommen nicht nur ständig volle Tische, sondern auch steigende Fixkosten, wie höhere Mieten, gestiegene Gehälter für Mitarbeiter und teurere Produkte von Lieferanten.
Was im Filmklassiker Spiderman als Lebensweisheit gilt – With great power comes great responsibility – trifft auch in der Spitzengastronomie zu. Die Macht, die der Stern mit sich bringt, kommt mit einem Preis und einer ganz anderen Verantwortung. Die Erwartungen der Gäste steigen und die Zielgruppe ändert sich. Statt Stammgästen stehen auf einmal viel mehr Touristen und Sterne-Jäger vor der Tür. Das bringt Prestige, aber auch enormen Druck. Denn wer einmal ausgezeichnet wird, möchte dieses Niveau auch halten. Mit neuen Investitionen, höheren Preisen und dem Image eines Premium-Unternehmens verändern sich nicht nur die Erwartungen der Kunden und Geschäftspartner, sondern auch die Haltung der eigenen Mitarbeiter.

Und wenn man ihn verliert?
Der Verlust eines Sternes ist für viele der absolute Albtraum. Aber wie dramatisch sind die Folgen? Schwierig zu sagen. Entscheidend ist auf jeden Fall wie der Küchenchef und sein Team damit umgehen. Wer die Abwertung gelassen nimmt, erlebt oft auch keinen wirtschaftlichen Absturz. Andere definieren sich über den Stern, und fällt dieser Weg, bricht auch ein Teil der Identität des Unternehmens weg. Andere feiern die neu gewonnene Freiheit, in der sie sich ohne Druck wieder kreativ ausleben können.
Aber abseits der Küche spielt bei einer Abwertung auch der Standort des Restaurants eine große Rolle. In Metropolen ist es einfacher zu bestehen – außerhalb kann der Sterne-Verlust bedeuten, dass die Wahrnehmung der Gäste weniger wird.
Kult um den Stern
Was 1967 als Qualitätsauszeichnung für Urlauber begonnen hat, ist mittlerweile ein gesellschaftliches Symbol. Während Michelin versucht transparente Bewertungskriterien zu etablieren, berichten die Inspektoren, dass persönliche Vorlieben und informelle Netzwerke durchaus Einfluss auf die Bewertung haben können. Dadurch verstärkt sich natürlich das Gefühl, Teil eines exklusiven Spiels zu sein.
Viele junge Köche kritisieren den Kult um den Stern und bezeichnen es als überholt und gesellschaftlich problematisch. Die Mischung aus dekadentem Publikum und einer Küche, die perfektionistisch getrieben ist, ist auch problematisch. Der Stern ist nicht nur eine Qualitätsauszeichnung – er ist ein gesellschaftliches Symbol.