Dr. Badass: Du schuldest deinem Körper etwas

Dr. Badass und Tantris-Top-Sommelier Justin Leone: Die ROLLING PIN-Sprechstunde über den Tribut eines gesunden Alltags.
Juni 30, 2016 | Text: Justin Leone | Fotos: Mike Krueger

Tantris-Top-Sommelier Justin Leone

Krankenhaus-Debakel

Mit einem Zimmernachbarn wie meinem kannst du dich glücklich schätzen, wenn du das Krankenhaus nicht total verändert verlässt. Michael, 85 Jahre alt, fast taub und blind, seine Sprache erinnert eher an ein Grunzen oder Bellen mit vagen Handbewegungen. Es ist, als würde ich ein Zimmer mit einem alternden Wookiee teilen, der die meisten seiner Haare bei der Explosion von Death Star Nummer vier verlor.

Wie Han hatte ich aber gelernt, unsere primitiven, aber charmanten Unterhaltungen zu schätzen. An einem Morgen erwachte ich mit einer Pfütze mitten im Raum, weil Chewbaccas Beutel am künstlichen Darmausgang geplatzt war und sich überall verteilte. Ich konnte nicht umhin, David Byrnes Worte zu hören: „Wie bin ich nur hierhergekommen?“

Wie alles begann

Eine dumme Hautinfektion. So fing alles an. Ein Zufall, unberechenbar und lähmend. Es beginnt mit einer Pore und endet mit einer Woche in einem kalten, sterilen Raum – ohne Wi-Fi oder Hoffnung. Gestoßen, gepikst, injiziert und extrahiert. Und so fand ich mich durch die Exkremente watend wieder und suchte Hoffnung in einer warmen Mahlzeit.

Denn ist es nicht so, dass – unter uns Profis – Essen ein Höhenflug ist? Ein Abenteuer für die Sinne und für den Geist gleichermaßen, die Chance, einzutauchen in eine essbare Kunstform? Als ich aber so hinunterschaute auf mein portioniertes und hochverarbeitetes Mahl, sah ich zwei verlorene Stücke Mortadella, ein kleines verwelktes Salatblatt und schüchterne Stücke Vollkornbrot, die argwöhnisch auf den apathisch danebenliegenden Pfirsich starrten. Bin ich schon tot? Das ist die Hölle!

Tantris-Top-Sommelier Justin Leone

Krankenhaus-Debakel

Mit einem Zimmernachbarn wie meinem kannst du dich glücklich schätzen, wenn du das Krankenhaus nicht total verändert verlässt. Michael, 85 Jahre alt, fast taub und blind, seine Sprache erinnert eher an ein Grunzen oder Bellen mit vagen Handbewegungen. Es ist, als würde ich ein Zimmer mit einem alternden Wookiee teilen, der die meisten seiner Haare bei der Explosion von Death Star Nummer vier verlor.

Wie Han hatte ich aber gelernt, unsere primitiven, aber charmanten Unterhaltungen zu schätzen. An einem Morgen erwachte ich mit einer Pfütze mitten im Raum, weil Chewbaccas Beutel am künstlichen Darmausgang geplatzt war und sich überall verteilte. Ich konnte nicht umhin, David Byrnes Worte zu hören: „Wie bin ich nur hierhergekommen?“

Wie alles begann

Eine dumme Hautinfektion. So fing alles an. Ein Zufall, unberechenbar und lähmend. Es beginnt mit einer Pore und endet mit einer Woche in einem kalten, sterilen Raum – ohne Wi-Fi oder Hoffnung. Gestoßen, gepikst, injiziert und extrahiert. Und so fand ich mich durch die Exkremente watend wieder und suchte Hoffnung in einer warmen Mahlzeit.

Denn ist es nicht so, dass – unter uns Profis – Essen ein Höhenflug ist? Ein Abenteuer für die Sinne und für den Geist gleichermaßen, die Chance, einzutauchen in eine essbare Kunstform? Als ich aber so hinunterschaute auf mein portioniertes und hochverarbeitetes Mahl, sah ich zwei verlorene Stücke Mortadella, ein kleines verwelktes Salatblatt und schüchterne Stücke Vollkornbrot, die argwöhnisch auf den apathisch danebenliegenden Pfirsich starrten. Bin ich schon tot? Das ist die Hölle!

Denk mal drüber nach!

Wie absurd es ist, dass Menschen, die so nah an und/oder mit dem besten Essen arbeiten, oftmals absolut fragwürdige Ernährungsgewohnheiten haben? Und wenn ich über den Krankenhausfraß als meinen persönlichen Tiefpunkt spreche, darf ich nicht unerwähnt lassen, dass meine bisherige Ernährungsweise leider nicht unweit davon entfernt liegt.

Wir widmen in der Gastronomie unser Leben der Präsentation beeindruckender Produkte, künstlerischer Teller, romantischer Geschichten der kleinen Produzenten und esoterischer Zutaten und erklären in großen Worten, welchen Köchen wir bis ans Ende der Welt folgen würden.

Jegliche Vitamine liefern überschüssige Bar-Garnierungen oder das Tonic in unserem Gin. Nicht wirklich das, was dein Körper als guten Start in den Tag bezeichnen würde.

Und doch fallen wir in unsere mittelalterlichen Insignien des Alltags zurück: Spät nach einer 14-Stunden-Schicht aufwachen, kurz den Zombie aus dem Gesicht waschen und direkt zur Arbeit. Vielleicht einen schnellen Joghurt auf dem Weg zur Espresso-Maschine – ungefähr so sieht dein „Frühstück“ aus.

Dazu gesellen sich die „Mittagessen“ im Servicebereich, die aus einem All-you-can-eat-Brot-und-Butter-Buffet sowie aus ein paar vor dem Geschirrspüler geretteten Petits Fours bestehen. Jegliche Vitamine liefern überschüssige Bar-Garnierungen oder das Tonic in unserem Gin. Nicht wirklich das, was dein Körper als guten Start in den Tag bezeichnen würde.

Nach dem ganzen Tag voller Arbeit folgt dann das Mitarbeiter-Essen. Das könnten die einzigen 20 goldenen Minuten der Genesung des Tages sein.

Du bekommst, was du verdienst

Aber was, wenn diese 20 Minuten der Genesung sich eher wie eine Strafe anfühlen? Ich habe in einer Handvoll Ländern in einigen der besten Restaurants gearbeitet und muss sagen: Es ist vielerorts kaum besser als die Bolognese oder die traurige Wurst im Krankenhaus. Du bekommst, was du verdienst.

Es ist eine grausame Straftat: Mitarbeiter, die in einer 15-Stunden-Schicht das Essen des Küchenchefs einwandfrei präsentieren, nur um dann wie entlaufene Sklaven von genau demselben Chef ausgepeitscht und mit einer Grütze zwangsernährt zu werden, die noch nicht einmal ausgehungerte Ferkel anrühren würden. Es ist eine Schande zu sehen, wozu hart arbeitende Kollegen verbannt werden.

In London habe ich es erlebt, dass alles aus dem Tiefkühler direkt in die Fritteuse kam. Dazu gab es gummiartiges, geschmackloses Konservengemüse. Ich habe oft für eine Salatbar gebetet – ein Monsanto-Ranch-Dressing wäre weniger giftig gewesen als das, was wir da essen mussten.

Aber es geht auch anders!

Im Tantris aber sieht die Sache ganz anders aus: Es ist Utopia! Steinbutt-Filets, Rehrücken, Ente mit Blaukraut – all das und noch viel mehr. Und jedes Mahl – von Käsenudeln bis Kaisergranat – ist für uns gemacht. Mit Aufmerksamkeit, Achtung und ganz viel Herz. Unser Chef Hans Haas glaubt, dass harte Arbeit eine Belohnung verdient.

Außerdem ist das Mitarbeiter-Essen der falsche Platz, um zu sparen.

Außerdem ist das Mitarbeiter-Essen der falsche Platz, um zu sparen. Ein glückliches und gut ernährtes Team kann einfach besser arbeiten. Haas wie auch die Tantris-Sous-Chefin Sigi Schelling wissen, wie wichtig ein gutes Essen für das Team, die Gäste und die Langlebigkeit des Restaurants ist.

Es bricht mir das Herz, dass diese unvergleichliche Großzügigkeit manchmal nicht vollends gewürdigt wird. Es ist eben leicht, ein Essen auf Sterneniveau zu erwarten, wenn man nichts anderes kennt. Manche der jüngeren Mitarbeiter werden überrascht sein, wenn sie nach einem Jobwechsel merken, dass das nicht überall selbstverständlich ist.

Dein Körper gibt dir nur einen Kredit

Aber eigentlich geht es hier um viel mehr als um ein Mitarbeiter-Essen. Es geht um deine Gesundheit. Die Stunden, die Erschöpfung, die physischen Anforderungen, die Reisen, der Mangel an Schlaf, das Überspringen von Mahlzeiten und die Neigung zu fragwürdigen Ernährungsgewohnheiten sind ganz normal in der Branche geworden.

Wir haben in dem beruflichen Stress verlernt, auf unseren Körper zu hören, und angefangen, ihn zu vernachlässigen. Was er braucht, ignorieren wir. So wie ich mein Immunsystem geschunden habe, ist es verwunderlich, dass ich für so eine Banalität ins Krankenhaus kam und nicht aufgrund Schlimmerem.

So wie ich mein Immunsystem geschunden habe, ist es verwunderlich, dass ich für so eine Banalität ins Krankenhaus kam.

Wir müssen unser Gleichgewicht finden. Deine fantastische Arbeit und dein Stolz bedeuten absolut nichts, wenn du arbeitsunfähig daliegst und deine Arbeitskollegen mit Schweißperlen auf der Stirn versuchen, ihre eigene und auch deine Arbeit zu machen. Am Ende des Tages bekommst du, was du säst.

Ein verrückter, durchgedrehter und übertriebener Lifestyle wird nicht positiv auf dich zurückfallen und wenn du die Rechnung dafür bekommst, solltest du dich gefasst machen.

Ich habe den Kredit, den mir mein Körper gab, überzogen. Zum Glück war es diesmal noch nicht so schlimm. Es wird aber die Zeit kommen, in der du nicht mehr 20 und unantastbar bist und alles ein bisschen schwerer und komplizierter wird. Denke daran: Du bist niemals zu beschäftigt, um etwas für deine Gesundheit zu tun. Es ist das Einzige, was wirklich wichtig ist.

Und wenn du das Glück hast, einen Küchenchef zu haben, der sich um seine Mitarbeiter und ihre Fitness kümmert, tu uns allen einen Gefallen und nimm es wahr.

Und an alle Chefs da draußen: Tut das Richtige! Gesunde Mitarbeiter sind eure Geheimwaffe und noch viel wichtiger: Eure Gerichte sind nur so gut wie die Präsentation. Kümmert euch also darum, dass eure Mitarbeiter bereit sind, das Beste zu geben – eurer Küche zuliebe.

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