So entsteht im Zén ein Menü, das alle Grenzen sprengt

Im Zén treffen Präzision und Intuition aufeinander. Küchenchef Martin Öfner erklärt, wie ein Menü entsteht, das nicht wiederholt – sondern überrascht.
August 6, 2025 | Text: Miriam Pilko | Fotos: Zén Singapore

Im Zén in Singapur verschmelzen meisterhafte Technik und pure Leidenschaft zu einem kulinarischen Erlebnis der Extraklasse. Hier geht es nicht um Trends oder Prestige, sondern darum, Geschmack neu zu definieren – mit Präzision, Mut und einem Blick für das Außergewöhnliche. Das Ergebnis: Ein Menü, das überrascht und jedes Gericht zu einer kleinen Sensation macht.

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Martin Öfner – gebürtiger Tiroler und Küchenchef im Zén Singapore

Im Zén in Singapur verschmelzen meisterhafte Technik und pure Leidenschaft zu einem kulinarischen Erlebnis der Extraklasse. Hier geht es nicht um Trends oder Prestige, sondern darum, Geschmack neu zu definieren – mit Präzision, Mut und einem Blick für das Außergewöhnliche. Das Ergebnis: Ein Menü, das überrascht und jedes Gericht zu einer kleinen Sensation macht.

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Martin Öfner – gebürtiger Tiroler und Küchenchef im Zén Singapore

Küchenchef Martin Öfner denkt nicht gerne in Lieblingen – denn „Vieles lebt von Vielfalt“. Die besten Menüs, die er je probiert hat, – egal ob in New York oder Kyoto – waren „gefüllt mit Dynamik und Ups and Downs. Und im Endeffekt macht das das Ganze so spannend“, erzählt der gebürtige Tiroler.

Diese Haltung zeigt sich auch im aktuellen Sommermenü des Zén Singapore – eine Reise durch Texturen, Herkunft und Aromenwelten.

Marron à la minute: Ein stimmiges Duo

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Marron à la minute

„Gold vom Flussbett“ – so nennen Einheimische den Marron, einen der größten Flusskrebse der Welt – und wenn man ihn isst, weiß man auch, wo der Name herkommt. „Obwohl er wie ein Hummer ausschaut, hat er nie die gleiche Zähe, die ein Hummer haben kann. Das Fleisch hat eine sehr elegante Süße, die man selten in irgendeiner Art von Schalentieren findet“, erklärt der Küchenchef.

Was Martin besonders an dem Tier schätzt: Man muss – beziehungsweise sollte – nicht zu viel damit machen. Kurz pochiert oder gegrillt – und der Marron behält seine beinahe buttrige Textur.

Kombiniert wird der Flusskrebs mit Hamaguri, – einer Muschel aus dem Hafen von Tomakomai – serviert in einem Dashi aus Bonito, Shiitake, gegrilltem Ingwer und Kakuida-Reisessig. Erst im letzten Jahr hat Martin in Kabushima den 10 Jahre lang oxidativ im Fass ausgereiften Reisessig kennengelernt und war davon begeistert, „wie komplex der Essig ist.“ Ihn zeichnet eine „extrem komplexe Nussigkeit“ aus, die in der Kombination mit diesem Gericht den perfekten Einklang bildet.

On top gibt es Koshishikari-Reis aus Niigata, der gekocht, getrocknet, und frittiert wird und dadurch eine wichtige Komponente für die Textur ist. Außerdem die sogenannten „Algen des Landes“ aus Hokkaido: Okahijiki, „eine der ersten Pflanzengattungen, die es aufs Land geschafft haben.“ Diese beiden Extras obendrauf verleihen dem Gericht den gewissen Crunch.

Fingerfood als Konzeptkunst: Marron-Tartelette

Auch hier bekommt der Marron seine Bühne – hier aber nicht mit dem Fleisch des Schwanzes, das für den Marron à la minute verwendet wird, sondern das Scherenfleisch des Tieres steht hier im Fokus.

Über Nacht wird das Klauenfleisch in eine Bierbeize mit Dill, Fenchel- und Koriandersaat, etwas Salz und Zucker mariniert und in eine Kabu-Tartelette (Kabu ist eine Art japanische Rübe) gebettet. Danach wird es mit einer Thai-Basilikum-Emulsion, geröstetem Knoblauch, Miso, Ättika-Essig und Zitronensalz bestrichen und gewürzt.

Gekrönt wird das Ganze mit einem schimmernden Aspik aus Tomatenwasser der Heirloom-Tomate, einer alten kalifornischen Tomatensorte – sie bringt viel Umami und natürliche Salze mit sich. Gemeinsam mit Gelatine wird daraus eine Verbindung, die als „shiny topping“ eine zusätzliche Textur gibt.

Main Dessert: Wenn Ananas der Star ist

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Sweet Potato ice cream, grilles pineapple, mezcal

Dieses Dessert wurde von drei Ländern inspiriert: Japan, Philippinen, Mexiko. Gestartet wurde der Prozess der Ideenfindung für diesen Gang mit der Frage: Wo kommt die süßeste Ananas her? Thailand und Malaysia hätten bereits ziemlich gute Früchte – „aber was uns wirklich irgendwie aus den Socken gehauen hat, waren die aus Bukidnon, von den Philippinen.“

Die gesamte Ananas wird hierbei – „wie ein Kebap oder Spanferkel“ – am Spieß etwa 35 bis 40 Minuten lang über japanischer Binchotan-Kohle gedreht und geröstet, währenddessen wiederholt mit 18 Jahre altem Hon Mirin – einem japanischen Reiswein – nappiert. Das Ergebnis: eine „extreme Soja-Komplexität, die der Ananas einen leicht Molasse-artigen Soja-Ton verleiht und die Pikantheit ein bisschen triggert.“

Dazu: geröstete Süßkartoffel aus Okinawa, deren nussige Tiefe aus dem mineralstoffreichen Boden der Insel stammt. Ergänzt durch Frozen Fudge aus Crème Crue und italienischem Kastanienhonig – gefroren, pacossiert und mit Mezcal-Karamell getoppt. Mezcal sei hier die naheliegendste Zutat gewesen: „Weil diese leichten fleischigen-, die leichten Räuchernoten sich mit der Barbecue-Pineapple gut ergänzt haben.“

Okinawa ist für Martin „eine von den geilsten Inseln überhaupt“ – in der Blue Zone sei es egal, ob Kartoffeln, Algen oder Fisch: „es ist eigentlich alles extrem, extrem gut.“ Klar, dass die Süßkartoffeln dann aus dieser Region genommen werden.

„ultra product focused“

Der rote Faden in Zéns Menüführung ist klar: Produktzentrierung auf höchstem Niveau – egal ob Ankimo (Seeteufelleber) aus Hokkaido, Akamutsu (Schwarzkehl-Seebarsch), Reh oder Reis. Jedes Gericht beginnt mit dem besten verfügbaren Element.

Das Stilprinzip: französische Technik, japanische Aromatik, nordische Klarheit.

„Wir schauen natürlich immer gern nach Japan, wir schauen immer gern nach Frankreich und auch ins Baskenland“, sagt Martin.

Das Ziel: maximale Tiefe bei minimaler Schwere. Wenig Kohlenhydrate, bewusst eingesetzte Fette – aber immer Ausdruck, immer Struktur.

„Das Ziel ist halt wirklich, in Singapur ein Menü zu kreieren, das Leichtigkeit und Eleganz hat – ohne schwer und überladen zu wirken“, so der Küchenchef.

Kreiert wird, „was halt immer so grad aus dem Boden schießt“, erklärt er.

Zeit, Raum und Rhythmus

Nicht nur das Menü, auch das Restauranterlebnis ist kuratiert wie eine Performance: Aperitif im Erdgeschoss, Menü im ersten Stock, Digestif im Wohnzimmer unterm Dach. Zwei feste Seatings pro Abend takten das Erlebnis.

Wer nicht erscheint, muss zahlen – oft vorab per Kreditkarte bestätigt. No-Shows sind existenzbedrohend für Restaurants dieser Klasse – die Regeln dienen dem Schutz der Küche, nicht der Bevormundung des Gastes.

Auch in der Zukunft wird es köstlich

Das nächste Highlight ist schon in Planung: Rehsattel aus Neuseeland, umhüllt von Bienenwachs und Heu, reift im Dry Ager zu intensiver Aromenschärfe – die Geschmäcker komprimieren sich.

Danach wird das Fleisch vom Knochen gelöst und über Nacht in einer Beize aus geröstetem Knoblauchöl, geröstetem Kaffee und rotem Szechuanpfeffer mariniert. Das Ergebnis: eine tiefe, rauchige Würze.

Der Clou folgt beim Grillen: Sobald der Sattel eine Kerntemperatur von ca. 52 °C erreicht, wird er mit Lardo vom Noir de Bigorre veredelt – ein Speck aus Pyrenäen-Schweinen, die Eicheln und Bucheckern fressen. Der nussige Charakter des Lardo verschmilzt mit dem Reh zu einem aromatischen Zusammespiel.

Darunter spielen gegrillte Maitake-Pilze ihre nussige Komplexität aus – eine Zutat, die der Küchenchef während seiner Station in Junan, China kennenlernte. „Ich finde wirklich, dass Maitake sich am besten eignet zum Grillen.“ Die Pilze werden mit einer leicht karamellisierten Himbeer-Tare glasiert, die dank Mirin verführerische Tiefe gewinnt.

Der finale Touch: eine fermentierte Himbeer-Kosho aus Allackerbeeren, – arktischen Himbeeren aus Schweden – deren kräftige, schwarze Fruchtnoten mit Chili-Paste harmonieren. Serviert wird das satte Ensemble begleitet von einer schwarzen Biersauce, parfümiert mit südindischem Langpfeffer und Vanilleöl – rauchig, süßlich, wild.

Das Gericht steckt noch in der Entwicklungsphase, verspricht aber schon jetzt ein sensitives Zusammenspiel aus Fermentation, Reifung und Grillkunst – ein kulinarisches Spektakel in der Mache.

Ein langer Weg

Was auf den Tellern im Zén landet, ist das Ergebnis eines langen kreativen Prozesses – oft intensiv, manchmal zermürbend. „Manchmal geht das wirklich an die Substanz“, sagt Martin Öfner. „Aber wenn man diese Erfolgsmomente hat, ist es dann echt cool – das ist wirklich ein extrem spannender Part von dem Job“ – gerade als Executive Chef.

Probieren, verwerfen, verbessern – so laufen Prozesse über Monate hinweg. In den internen Test Kitchens wird ausprobiert, neu kombiniert, angepasst – und „verwerfen bleibt natürlich essenziell.“ Denn nur durch Wiederholung und Geduld entstehen jene komplexen Aromenkombinationen, die die Küche des Zén auszeichnen.

Mit der Zeit entwickelt man ein sensorisches Gedächtnis – besonders durch intensive Erfahrungen in anderen Ländern, in denen Texturen und Geschmäcker auf andere Weise funktionieren. Irgendwann kommt dieses Know-how: Welche Temperatur braucht man wofür? Wie funktioniert welche Textur? Welche Kombi kann funktionieren? Und wo liegt die feine Grenze zwischen gut und großartig?

„The creative adult is the child who survived“, ist ein sehr passendes Zitat für das Zén, sagt Öfner. Denn genau das spürt man in jeder Komponente: neugieriges Ausprobieren, kontrollierte Verspieltheit – und kompromissloser Geschmack.

Restaurant Zén

Das Restaurant Zén in Singapur, eröffnet im November 2018 als Schwesterhaus des Drei‑Sterne‑Frantzén in Stockholm, verbindet skandinavische Küchenphilosophie mit klassischer französischer Technik und japanischen Zutaten – gepaart mit hochwertigen Produkten aus ganz Asien und Skandinavien. Die Bühne der Speisen erstreckt sich über drei Etagen eines liebevoll restaurierten Heritage-Shophouses in Tanjong Pagar – vom Aperitif und Canapés im Erdgeschoss über den neo-nordischen Hauptgang im ersten Stock bis hin zum Dessert im „Wohnzimmer“ im Obergeschoss.

Das Ergebnis ist ein dynamisches, saisonales Menü, das jedes Mal aufs Neue überraschen will – wie auch die Geschichten der Köche dahinter. Die drei Michelin-Sterne, die das Zén seit fünf Jahren hält, sind dabei weniger Statussymbol als Versprechen für außergewöhnliche Qualität und kreative Präzision.

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