Nach Verriss: „Schlechtestes Sternerestaurant“ schlägt mit Kampfansage zurück

Das Bros' in Lecce will eine vernichtende Kritik nicht ohne weiteres hinnehmen und antwortet mit einem Drei-Seiten-Manifest zur Verteidigung der gehobenen Küche. Wie es dazu gekommen ist, und was Pferde mit Fine Dining zu tun haben.
Dezember 14, 2021 | Fotos: Pellegrino Bros'

Sternekoch vs. Food-Blogger

Das Abendessen im Restaurant Bros‘, das als eines von zwei Restaurants in der italienischen Stadt Lecce mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, sollte eigentlich der Höhepunkt eines Food-Trips der Autorin Geraldine DeRuiter im Kreise von Freunden sein. „Bros‘ steht für freien und jugendlichen Geist, Kreativität und Image getragen von Qualität“, beschreibt der Guide Michelin das Lokal von Floriano Pellegrino.

Doch am besagten Abend kam alles anders, als es sich DeRuiter erwartet hatte. Die muntere Gesellschaft bekam für teures Geld zwar ein Tasting-Menü mit sage und schreibe 27 Gängen serviert, beendete den Abend aber enttäuscht, verwundert und immer noch hungrig. „Nichts, was einem richtigen Essen gleichkommen würde, wurde serviert“, schrieb sie später in einem Blogeintrag auf Everywhereist, der kurz nach der Veröffentlichung viral wurde. Der Titel des polarisierenden Artikels: „Bros., Lecce: We Eat at The Worst Michelin Starred Restaurant, Ever“. Das schlechteste Sternerestaurant; kann der Abend so schlimm wirklich gewesen sein? Glaubt man der detailreichen Erzählung, dann ja.

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Isabella Potì und Floriano Pellegrino gründeten gemeinsam das Restaurant Bros‘ in Lecce und die Marke Pellegrino Brothers, zu der unter anderem ein Rugby-Club gehört

Sternekoch vs. Food-Blogger

Das Abendessen im Restaurant Bros‘, das als eines von zwei Restaurants in der italienischen Stadt Lecce mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, sollte eigentlich der Höhepunkt eines Food-Trips der Autorin Geraldine DeRuiter im Kreise von Freunden sein. „Bros‘ steht für freien und jugendlichen Geist, Kreativität und Image getragen von Qualität“, beschreibt der Guide Michelin das Lokal von Floriano Pellegrino.

Doch am besagten Abend kam alles anders, als es sich DeRuiter erwartet hatte. Die muntere Gesellschaft bekam für teures Geld zwar ein Tasting-Menü mit sage und schreibe 27 Gängen serviert, beendete den Abend aber enttäuscht, verwundert und immer noch hungrig. „Nichts, was einem richtigen Essen gleichkommen würde, wurde serviert“, schrieb sie später in einem Blogeintrag auf Everywhereist, der kurz nach der Veröffentlichung viral wurde. Der Titel des polarisierenden Artikels: „Bros., Lecce: We Eat at The Worst Michelin Starred Restaurant, Ever“. Das schlechteste Sternerestaurant; kann der Abend so schlimm wirklich gewesen sein? Glaubt man der detailreichen Erzählung, dann ja.

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Isabella Potì und Floriano Pellegrino gründeten gemeinsam das Restaurant Bros‘ in Lecce und die Marke Pellegrino Brothers, zu der unter anderem ein Rugby-Club gehört

Die Autorin beklagt das unfreundliche Ambiente, die Unfähigkeit des Servicepersonals, Lebensmittelallergien der Gäste zu berücksichtigen, und vor allem: ein Menü, das hauptsächlich aus Schaum-Gerichten besteht und keineswegs satt macht.

Sternerestaurants werden ja oft für kleine Portionen kritisiert. Dass es sich trotzdem lohnen kann, teures Geld für ein Mehrgänge-Menü in einem preisgekrönten Restaurant liegenzulassen, weiß auch DeRuiter: „Ich bin die experimentelle Küche ziemlich gewohnt und war schon in ein paar Michelin-Sterne-Restaurants“, klärt sie auf. „Also hatte ich etwas Ungewöhnliches und Spaß erwartet. Ich hatte nicht mit einem 4-stündigen Hunger-induzierten Fiebertraum gerechnet.“

Höhepunkt des Abendmahls, das zumindest für die Food-Bloggerin wohl das letzte bei Bros‘ bleiben sollte, war ein Gang, der im Gipsabdruck der Lippen des Chefkochs serviert wurde. Das Foto dieses Gerichts war es wohl, das in den Sozialen Medien für am meisten Aufsehen sorgte. Der gelbliche Schaum, der aus dem Gips-Mundwinkel tropft, erregte für die Autorin für mehr Ekel als Appetit. Wer das Erlebnis, sein Essen aus dem Mund von Isabella Potì oder Floriano Pellegrino zu schlürfen, zu Hause nachstellen will, kann sich die Gipsabdrücke übrigens im Webshop des Restaurants bestellen.

Fast ein Fall für unsere Bestenliste: Die 10 verrücktesten Serviermethoden.

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Einen Servierteller in Form von Floriano Pellegrinos Mund gibt es für 58 Euro im Bros‘-Webshop

Pferdezeichnungen und Mitarbeiter-Push-Ups

Zeitgenössische Kunst bietet keine Antworten, sondern große Fragen. Zeitgenössische Küche sollte dasselbe tun

Die Antwort des italienischen Sternekochs ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem Pellegrino die vernichtende Review gelesen hatte, schrieb er ein dreiseitiges Manifest über die Kunst der gehobenen Küche, das in voller Länge auf today.com veröffentlicht wurde. In seinem Schreiben vergleicht er das Kochen mit bildender Kunst: „Einen Mann auf einem Pferd zeichnen zu können, macht dich nicht zu einem Künstler. Das Ergebnis deines Talents kann schön anzuschauen sein, aber es ist keine Kunst.“ Viele Leute können gut kochen, argumentiert er, aber nur manche sind großartige Köche. Und: „Zeitgenössische Kunst bietet keine Antworten, sondern große Fragen. Zeitgenössische Küche sollte dasselbe tun.“

Aus dem Text wird klar, dass Pellegrino sich nicht als Koch sieht, der den Mainstream bedienen will, sondern als Künstler, der im Streben nach Avantgarde die Geschmäcker der Gäste herausfordert.

Es wird nicht das erste und nicht das letzte Mal gewesen sein, dass eine schlechte Restaurant-Kritik eine öffentliche Diskussion über den Sinn – oder die Aufgabe – von Fine Dining hervorbringt. In diesem Fall waren es zwei Extreme, die aufeinanderstießen. Auf der einen Seite ein Gast, der die (nicht allzu irrationale) Anforderung an ein Restaurant stellte, Essen solle satt machen. Auf der anderen Seite ein Küchenchef, der scheinbar auf seine Kunst mehr wert legt, als auf das Wohl des Gastes.

Was der ganze Vorfall aber zusätzlich zutage gebracht hat, ist ein erschreckendes Zeugnis eines ehemaligen Mitarbeiters der Bros‘, der in Reaktion auf den Artikel von seiner Zeit bei Pellegrino berichtete. „Ich habe mit ihnen eine Weile gearbeitet, und das größte Trauma meines Lebens erlebt“, schreibt der Twitter-Nutzer. 17-19 Stunden pro Tag habe er schuften müssen, und zu allem Überfluss hätten die Chefs die Mitarbeiter zu Liegestützen gezwungen. Über Qualität lässt sich ja streiten, aber seine Angestellten sollte er auf jeden Fall besser behandeln, der Künstler aus Lecce.

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