Fine Dining: Warum du in Japan keinen Tisch bekommst
In den Gourmetrestaurants Japans geht es häufig nicht nur um exzellentes Essen und guten Service – auch auf die Gäste wird oft ein strenger Blick geworfen. Bist du unbekannt, hast du Pech. Hier regiert ein unsichtbares, aber mächtiges System.

In den Gourmetrestaurants Japans geht es häufig nicht nur um exzellentes Essen und guten Service – auch auf die Gäste wird oft ein strenger Blick geworfen. Bist du unbekannt, hast du Pech. Hier regiert ein unsichtbares, aber mächtiges System.

Eine unsichtbare Barriere
Viele der besten Restaurants Japans folgen einem Prinzip namens Ichigensan okotowari – zu Deutsch: Keine Erstkunden erlaubt.
Formal gibt es keine Mitgliedskarte, keine Anmeldegebühr, aber in der Praxis kann man als Neuling nicht einfach so einen Tisch buchen. Nur Stammgäste, die regelmäßig kommen und das Haus verstehen, dürfen Plätze reservieren – und Freunde mitbringen. Diese potenziell neuen Gäste müssen sich allerdings erst bewähren, um selbst irgendwann zum erlesenen Kreis zu gehören.
Warum das Ganze? Es geht darum, Qualität und Atmosphäre zu bewahren. In diesen gastronomischen Kreisen steht nicht nur die Spitzenküche im Mittelpunkt, sondern auch, dass die Gäste die Philosophie, die Rituale und die Kultur hinter dem Essen respektieren und wertschätzen. Ein flüchtiger Besucher, der nur einmal kurz etwas essen möchte und danach nie wieder kommt – das gibt es hier nicht.
Reservierungen haben ihren Preis
Selbst für Japaner ist die Reservierung in dieser Art von Restaurants ein Wettlauf – Monate im Voraus sind die Plätze ausgebucht. Und wenn man eine Reservierung hat, ist es vorbei mit Kompromissen: Kommt man nicht mit der vollen Gästezahl oder sagt (kurzfristig) ab, verliert man nicht nur diesen Termin, sondern auch alle anderen Reservierungen für das Jahr. Denn in derartigen Lokalitäten ist es nicht unüblich, dass für das ganze kommende Jahr bereits neue Reservierungen gemacht werden. Das System fordert absolute Verbindlichkeit.
Manche wenige Plätze werden sogar versteigert, oft für mindestens 100.000 Yen (rund 600 Euro) pro Sitzplatz. Ein Platz an der Sushi-Theke wird so zu einem Statussymbol – und das Essen selbst zu einem Erlebnis, das man sich verdient hat.
Die Kunst der exklusiven Gastfreundschaft
Das System mag aus westlicher Sicht unnahbar oder gar elitär wirken, doch in Japan ist es Ausdruck eines tiefen Respekts – gegenüber der Küche, der Kultur und den Menschen, die das kulinarische Erlebnis ermöglichen. Es geht nicht nur um Essen, sondern um ein gemeinsames Verständnis und einen ehrlichen Austausch.
Die japanischen Spitzenrestaurants zeigen damit, dass Qualität und Nachhaltigkeit oft nur dort gedeihen, wo man nicht einfach jeden reinlässt – sondern eine Gemeinschaft schafft, die wächst, lernt und sich gegenseitig schätzt.
Ein Paradebeispiel für Ichigensan okotowari
Sushi Saitō in Tokio ist eines der berühmtesten Beispiele für das Prinzip ‚Keine Erstkunden‘. Bis 2019 hatte es drei Michelin-Sterne, wurde danach aber aus dem Guide gestrichen, da ein Platz dort praktisch unerreichbar ist.
Unter Chef Takashi Saitō bietet das Restaurant nur acht Barplätze mit direktem Blick auf die Sushi-Kunst. Zusätzlich gibt es einen privaten Speisesaal, jedoch keine Gästetoilette. Ein Besuch will gut überlegt sein – sofern man überhaupt einen Platz bekommt.
Ein Ableger, Sushi Tsubomi, ist ebenfalls sehr beliebt. Hier ist es aber wenigstens möglich, ohne Beziehungen einen Tisch zu ergattern – wenn auch mit viel Geduld.