Chefkoch Flynn McGarry: Das Wunderkind

Chefkoch Flynn McGarry kann auf eine elfjährige Traumkarriere zurückblicken, dabei ist er derzeit erst 22 Jahre alt. Als kulinarische Stimme der Generation Z gestaltet er heute die Zukunft der Restaurantwelt. Wird er dem Hype um seine Person immer noch gerecht?
Oktober 28, 2021 | Text: Jenni Koutni | Fotos: Raphael Gabauer, beigestellt, Aaron Bengoch

WUNDERKIND“, „Justin Bieber des Kochens“ – das sind Bezeichnungen, mit denen man den Amerikaner Flynn McGarryin seiner gut elf Jahre andauernden Karriere bereits zur Genüge betitelt hat. Aus dem sogenannten Wunderkind von damals wurde mittlerweile nämlich ein Erwachsener, der auf der Suche nach sich selbst ist. So wie viele andere seiner jungen Generation.

Flynn McGarry
Sunnyboy mit Erdbeerlocke: Seit sage und schreibe elf Jahren ist der 22-jährige Chefkoch Darling der Gourmetwelt, Kritiker eingeschlossen.

WUNDERKIND“, „Justin Bieber des Kochens“ – das sind Bezeichnungen, mit denen man den Amerikaner Flynn McGarryin seiner gut elf Jahre andauernden Karriere bereits zur Genüge betitelt hat. Aus dem sogenannten Wunderkind von damals wurde mittlerweile nämlich ein Erwachsener, der auf der Suche nach sich selbst ist. So wie viele andere seiner jungen Generation.

Flynn McGarry
Sunnyboy mit Erdbeerlocke: Seit sage und schreibe elf Jahren ist der 22-jährige Chefkoch Darling der Gourmetwelt, Kritiker eingeschlossen.

Die steile Karriere des Flynn McGarry sucht allerdings ihresgleichen: Mit elf Jahren wurde sein Talent entdeckt, es folgten Praktika in den renommiertesten Küchen der Welt, wie dem Noma in Kopenhagen oder dem Alinea in Chicago. Mit 18 eröffnete er sein eigenes Restaurant in New York. Wir wollen aber wissen, was die Zukunft bringt. Am 25. November feiert McGarry Geburtstag, er wird 23 Jahre. Wünsche hat sich der Chefkoch selbst bereits unzählige erfüllt. Den Wunsch vom Großstadtleben realisierte er beispielsweise mit 16 Jahren, als er nach New York zog.

Ich hatte zehn Jahre Kindheit, und das war genug.
Flynn McGarry in seiner Doku „Chef Flynn“

Wer jetzt an Partymachen und Eskalation denkt, liegt falsch. Am Big Apple eröffnete McGarry stattdessen lieber ein Pop-up-Restaurant namens Eureka, gefolgt von seinem ersten permanenten Restaurant, in dem er seither laut eigenen Aussagen beinahe seine gesamte Zeit verbringt. Der Name: Gem, rückwärtsgelesen der Vorname seiner Mutter Meg. Nun brennt natürlich eine Frage auf der Zunge: Was macht der jüngste Küchenchef der Welt, der quasi hinter teuren Profiherden aufgewachsen ist und von Daniel Humm oder Rasmus Kofoed gelernt hat, als nächstes?

Das kann man recht gut in Echtzeit mitverfolgen. Denn wie jeder Anhänger der sogenannten Gen-Z lässt Flynn McGarry uns live an seinem Alltag teilhaben, am liebsten via Instagram, dem bevorzugten Social Media-Kanal des Twens. Aus diesem Mosaik aus privaten Eindrücken entsteht das Bild eines jungen Ästheten, der seinen 200k Followern seine Welt in warmen Pastellfarben serviert.

Flynn McGarry
Sellerie Yakitori

Trockenblumen & Schnitzelliebe

„Former teen chef“ ist in der Bio von @diningwithflynn zu lesen, mehr nicht. Neben Blumenbouquets zeigt der erwachsen gewordene Teeniekoch natürlich auch neueste kulinarische Kreationen. Da wäre zum Beispiel ein Schnitzel (für das hat McGarry eine Schwäche) aus Paprika, gefüllt mit Roggenbrot und Eierschwammerl, serviert mit Kirschblüten und Algenpaste auf einem Häkeldeckchen. Kommentiert wird das von Gen-Z-Celebrities mit „r u kidding me“ oder einem schlichten „dude“. Und jeder kennt sich aus. Die Codes dieser Generation verkörpert der in L. A. geborene McGarry auch äußerlich. Shootings, eingehüllt in hippe Designerlabels und zarten Gold- und Perlenschmuck stehen an der Tagesordnung.

Flynn McGarry
Zimmerpflanzen, Trockenblumen, Samtsofa und Thonetstühle: Das Gem strahlt großmütterliche Behaglichkeit aus – im besten Sinne.

Geschlechternormen sind für diese Altersgruppe wie die Petersiliengarnitur auf einem Gourmetgericht – die braucht niemand mehr. Regelmäßig inspiriert der Chefkoch seine Fans mit neuen Kompositionen, so frisch und schön, als ob sie genauso aus der Erde gesprossen wären. Die derzeitige Lieblingsspielerei: Spiralförmig geschnitzte Ananas und Kürbisse, die auf einer Gläserpyramide positioniert mit Champagner oder Cider übergossen werden. Eine Hommage an den Sternekoch Alain Passard und absolut TikTok-worthy.

Jede Veränderung kann ein Leuchtfeuer sein, das den Weg weist.
McGarry über positive Veränderungen in der Restaurantbranche und seine Vorbildfunktion als Küchenchef

Place To Be in NYC

Im Gem serviert man 12- bis 15-Gänge-Menüs um 200 Dollar, vergleichsweise günstig für Fine-Dining am Big Apple. Tagsüber heißt es: first come, first serve. Beim abendlichen À-la-carte-Menü fokussiert sich McGarry auf regionales Seafood und Gemüse, nur gelegentlich kommt Fleisch auf die handgemachten Keramikteller. Im Gem werden Trockenblumen zu Designobjekten erhoben und Holzmöbel sehen aus, als hätte sie McGarry auf einem der hippen Flohmärkte in Brooklyn ergattert. Der Dresscode: as you like. Denn dem Chef graut es vor steifer Etikette und herablassendem Gehabe des Personals. Ein Besuch in seinem Etablissement solle sich anfühlen, als wäre man bei Freunden eingeladen. Locker, chillig und ohne Zwang.

Der Aperitif wird daher im Vorraum eingenommen, der einem Wohnzimmer gleicht. Apropos, ein kleiner Funfact: Laut US-amerikanischem Recht durfte der damals 19-Jährige bei der Eröffnung seines Restaurants selbst noch gar keinen Alkohol trinken, geschweige denn bekam er eine Ausschanklizenz. Seine ältere Schwester Paris sprang daher ein und bürgte für ihren Bruder.

Generation Mental Health

Der Beginn des ersten Lockdowns war für Flynn McGarry seit seinem zwölften Lebensjahr das erste Mal, dass er einen Monat lang nicht fünf Tage die Woche in der Küche stand. Den Workload, den er sich selbst seit über zehn Jahren auferlegt, verlangt der Restaurantbesitzer seinem Küchenteam nicht ab. Als junger Chef eines kleinen Teams ist Flynn McGarry Gallionsfigur der längst fälligen Wende, die die Restaurantbranche gerade durchläuft. Flache Hierarchien, bezahlter Urlaub, faires Gehalt und Raum zur Selbstentfaltung sollen die körperliche und auch psychische Gesundheit der Gem-Belegschaft sichern. Der bald 23-Jährige wünscht sich, dass Restaurantbesuche wieder mehr Wertschätzung erfahren und Personal gerecht bezahlt wird.

Flynn McGarry
Huckleberry Duck

Seine Aufgabe im Gem sieht er auch darin, mit gutem Beispiel voranzugehen und damit im besten Fall auch andere dazu zu inspirieren. Und der Erfolg gibt ihm schließlich recht. Ein Restaurant, so McGarry, sei ein Ökosystem, in dem alles miteinander verbunden sei und in sich greife wie ein Zahnrad. Kellner, die sich mit Anbau und Aufzucht beschäftigen, Bauern, die selbst leidenschaftlich kochen, Köche, die wissen, wie man Lebensmittelabfälle kompostiert – eine Utopie, die sich „Chef Flynn“ für die Zukunft wünscht. Nebenbei arbeitet er gerade an einem Kinderbuch, das die Freude am kreativen Kochen vermitteln soll, kleinen Nachwuchstalenten, wie er es einst war. Vor dem Älterwerden hat Flynn McGarry keine Angst, im Gegenteil. Es sei zwar hart, die Beurteilung und den gleichen Druck wie alle anderen Chefköche zu erfahren, aber genau das habe er sich all die Jahre gewünscht.

gem-nyc.com

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FLYNN MCGARRY: Mit elf Jahren, also quasi aus dem Kinderzimmer heraus, eröffnete das Naturtalent zuhause in L. A. seinen Supper Club, anfangs nur für Freunde und Familie. Mit 16 Jahren zog er nach New York und tischte im Pop-up-Restaurant Eureka im West Village auf. Seitdem reißt man sich um den Amerikaner: Talkshow-Legenden interviewten ihn, Magazine widmeten ihm die Titel und der Dokumentarfilm „Chef Flynn“ sorgte am Sundance Film Festival für Beifall. Nach Stops im Geranium in Kopenhagen, dem Eleven Madison Park in NYC oder dem Maaemo in Oslo eröffnete McGarry 2018 sein erstes permanentes Restaurant namens Gem in der New Yorker Lower East Side. Damals war er 18 Jahre alt.

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