Interview Heiko Antoniewicz: Der Mann, der den Verfall kontrolliert

In seinem neuen Buch mit dem schlichten Titel „Fermentation“ widmet sich der deutsche Küchen-Wizard ebendiesem Thema.
November 6, 2015 | Text: Stephanie Fuchs | Fotos: Thomas Ruhl

Fermentation nach Heiko Antoniewicz

Mittlerweile ist Fermentation im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Heiko Antoniewicz: Das Spannende daran ist vor allem auszuloten, welche beinahe unendlichen Möglichkeiten die Techniken bieten, und zu erkennen, wie unterschiedlich mit dem Thema in verschiedensten Kulturen umgegangen wird. Die Europäer zum Beispiel haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Schimmelkulturen, in Asien sind sie essenzieller Bestandteil der Küche. Während meiner Recherche für das Buch sind mir solche Extreme erst richtig bewusst geworden.

Wie zum Beispiel?
Antoniewicz: Für Asiaten ist Sauerteigbrot absolut exotisch, in unserem Kulturkreis wiederum sind traditionelle Fermente wie Natto (Anm.: schleimiges Sojaferment) definitiv keine Angelegenheit des geschmacklichen Mainstreams. Lustigerweise lieben wir in Europa Würzen wie Sojasauce oder Miso, die ja ebenfalls auf einem Schimmelpilz-Starter, nämlich Koji, basieren.

Welches Gericht aus dem Buch beziehungsweise welche Technik hat Sie am meisten gefordert?
Antoniewicz: Grundsätzlich haben wir versucht, uns bei den Rezepturen so einfach wie möglich zu halten. Natürlich spielt der Faktor Zeit mitunter eine Rolle. Wir haben etwa unsere eigene Fischsauce hergestellt, und das dauert in der Regel ein Jahr. Wer die selbst herstellen möchte, muss leidensfähig sein, kann dafür aber auch gut mit heimischen Produkten arbeiten. Wir haben unser Fischgarum aus Sardinen, Makrelen und Hechtköpfen hergestellt und das hat wunderbar funktioniert. Auch das Taubenpastrami war überraschend spitze.

Das müssen Sie jetzt kurz genauer erklären …
Antoniewicz: Viele Menschen mögen die Konsistenz von Taubenfleisch nicht, weil es so weich ist. Wir haben die Taubenbrust mit Salz und Gewürzen im Vakuum reifen lassen und danach im Sous-Vide-Verfahren gegart. Grandios!

Klingt so, als wäre das Ihr Liebling aus dem Buch?
Antoniewicz: Die „Fjordforelle in Sack und Asche“ ist schon auch genial. Die haben wir in Mullbinden eingedreht und in Buchenasche eingelegt, so bleiben alle unerwünschten Bakterien außen vor, denn Asche ist basisch und desinfizierend.

Was hat denn nicht so gut funktioniert?
Antoniewicz: Für die perfekte Misopaste haben wir schon drei, vier Anläufe gebraucht.

Welche wertvollen Tipps haben Sie denn für zukünftige Fermentierer auf Lager?
Antoniewicz: Ich würde erst mit Obst und Gemüse anfangen, weil man damit in kurzer Zeit gute Ergebnisse erzielen kann. Bei Kohlsorten macht es Sinn, sie vorher kurz zu blanchieren, bevor man sie in Gläser packt. Und meine persönliche Erfahrung zeigt, dass sich Violettgläser besser zum Einlegen eignen als normale Weckgläser, weil sie UV-geschützt sind und der Reifeprozess noch schneller und konsequenter stattfindet.

www.antoniewicz.org

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