Healthy Boy Band im Exklusiv-Interview

Natürlich geht’s um die Gaude, aber nicht nur: Als Healthy Boy Band brechen Felix Schellhorn, Lukas Mraz und Philip Rachinger verkrustete Gastro-Strukturen auf und trotzen mit anarchischem Talent der elendslangweiligen Eindimensionalität in der Welt des Fine Dine.
Juni 20, 2025 | Text: Lucas Palm | Fotos: Julia Losbichler

„Weißt was? Wir nehmen den Sonnenschirm!“, sagt Philip Rachinger und schnappt sich das gute Teil. Wir befinden uns Backstage auf der Rolling Pin.Convention in Graz, in genau zwei Minuten hat die Healthy Boy Band ihren großen Auftritt auf der Mainstage. Die Hütte ist voll, die Erwartungen ans Spektakel, das Felix Schellhorn, Lukas Mraz und Philip Rachinger liefern sollen, sind hoch. Lampenfieber? Oder zumindest Nervosität? Das Trio infernale kennt heute (und wohl irgendwie immer) nichts davon. Die Freude, mit der es nicht nur sein jeweiliges Gegenüber, sondern auch sich selbst überrascht, äußert sich hier und jetzt darin, dass das Trio hinter dem überlebensgroßen Sonnenschirm versteckt die Bühne betritt – und niemand genau versteht, was los ist.  Was hinter diesem ganzen (vermeintlichen?) Wahnsinn namens Healthy Boy Band steckt, darüber und über vieles mehr haben wir mit den dreien direkt nach dem Auftritt gesprochen.

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Drei Jungs, die aus gestandenen Familienbetrieben stammen – und ihre Liebe zur Gastronomie anders zum Ausdruck bringen, als man das bisher kannte: provokant, intelligent, improvisierend – und so ganz nebenbei zukunftsweisend.

„Weißt was? Wir nehmen den Sonnenschirm!“, sagt Philip Rachinger und schnappt sich das gute Teil. Wir befinden uns Backstage auf der Rolling Pin.Convention in Graz, in genau zwei Minuten hat die Healthy Boy Band ihren großen Auftritt auf der Mainstage. Die Hütte ist voll, die Erwartungen ans Spektakel, das Felix Schellhorn, Lukas Mraz und Philip Rachinger liefern sollen, sind hoch. Lampenfieber? Oder zumindest Nervosität? Das Trio infernale kennt heute (und wohl irgendwie immer) nichts davon. Die Freude, mit der es nicht nur sein jeweiliges Gegenüber, sondern auch sich selbst überrascht, äußert sich hier und jetzt darin, dass das Trio hinter dem überlebensgroßen Sonnenschirm versteckt die Bühne betritt – und niemand genau versteht, was los ist.  Was hinter diesem ganzen (vermeintlichen?) Wahnsinn namens Healthy Boy Band steckt, darüber und über vieles mehr haben wir mit den dreien direkt nach dem Auftritt gesprochen.

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Drei Jungs, die aus gestandenen Familienbetrieben stammen – und ihre Liebe zur Gastronomie anders zum Ausdruck bringen, als man das bisher kannte: provokant, intelligent, improvisierend – und so ganz nebenbei zukunftsweisend.

Rolling Pin: Die HBB gibt es nun seit acht Jahren. Was hat euch drei damals dazu bewogen, als junge Köche eine Band zu gründen?

Lukas Mraz: Ausschlaggebend war das Gelinaz-Event im Jahr 2017 beim Philip im Mühltalhof. Dort hatte sich damals das Who’s who der internationalen Spitzenköche getroffen, um gemeinsam zu kochen. Was für mich dieses Event aber so speziell gemacht hat war, dass es nicht wie sonst immer darum ging, die besten und schönsten Gerichte zu kreieren, wie man das schon so oft gesehen hatte.

Diese ganzen Four-Hands-Dinners heutzutage sind alle extrem langweilig, da macht halt jeder die Gerichte, die er am besten kann, nur schlechter als im eigenen Betrieb. Beim Gelinaz-Event ging es um mehr: ums Kennenlernen, um den Austausch untereinander, darum, neue Freundschaften schließen, um Kreativität, darum, neue Sachen auszuprobieren und dabei auch Fehler machen zu dürfen. Auf der Heimfahrt von Neufelden hatten der Felix und ich das Gefühl, eine Erleuchtung gehabt zu haben, so inspirierend war das alles.

Felix Schellhorn: Wir kommen alle drei aus Familienbetrieben, und was uns dieses Event damals gezeigt hat war, dass es Freiräume gibt, die man sich selbst schaffen kann. Damit man auch Platz hat für Dinge, die im eigenen Betrieb vielleicht so nicht möglich sind und Möglichkeiten hat, Dinge außerhalb unserer Familie zu machen. Und genau solche Freiräume wollten wir uns durch die Healthy Boy Band selbst schaffen.

In diesen acht Jahren hat sich viel getan, auch bei euch persönlich. Spürt ihr heute immer noch die Notwendigkeit der Healthy Boy Band – oder ist es mittlerweile eher ein Projekt aus Spaß an der Freude?

Philip Rachinger: Heute braucht es die Healthy Boy Band mehr denn je! Schaut man sich die Welt der Gastronomie an, kann man ja gar nicht anders als festzustellen, dass sich in den letzten acht Jahren nichts verändert hat. Mir kommt vor, es herrscht sogar ein noch größerer Einheitsbrei als früher. Zumindest, wenn ich mir die ganzen Four-Hand-Dinners und 50 Best-Sachen anschaue. Natürlich gibt es sehr, sehr spannende junge Gastro­nomen in Deutschland, der Schweiz oder Frankreich, aber ich finde, das ist alles unter dem Radar momentan.

Felix: Es ist alles so irrelevant. Vielleicht ist es Instagram, vielleicht ist es, weil man alles am Handy sieht und nichts mehr schmecken muss. Vielleicht ist es auch generell die Gesellschaft, die immer konservativer wird, und das sogenannte Fine Dine immer sechs bis zehn Gänge haben muss. Es ist total langweilig. Aber uns geht es ja nicht nur ums Fine Dining.

Sondern? Worum geht es euch?

Felix: Darum, dass wir die Gastronomie anders definieren, als sie von den meisten wahrgenommen wird. Wir wollen sie brechen und wieder neu aufbauen. Wir wollen eine andere Gastronomie-Kultur repräsentieren und den Leuten zeigen, dass Gastronomie mehr sein kann als vorhersehbare Insta­gram-Teller.

Es geht uns darum, zu zeigen, was Gastronomie heute leisten kann, und zwar abseits vom reinen Geschäft. Die Leute sollen nach einem Abend bei uns sagen: Das war nicht nur gutes Essen, sondern es hat ganzheitlich inspiriert, Spaß gemacht. Vielleicht denken sie dann ein bisschen anders über Gastronomie.

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Von Lukas für Philip: Hörnchen mit Taube und Dingen, die nach Haschisch riechen, plus: Haschischsuppe ohne Haschisch.

Philip: Der Spaß ist natürlich wichtig, und gerade deswegen ist die Band für uns ein Spielfeld: Wir können alles ausprobieren, was uns interessiert, können tiefergehende inhaltliche Themen bearbeiten: politisch, künstlerisch, kulturell. Und das Beste daran: Alles ganz ohne Druck, weil wir das ja nicht hauptberuflich machen.

Lukas: Damit konnten wir auch junge Leute in die Gastronomie bringen, nicht nur als Gäste, auch als Mitarbeiterinnen. Das hat wirklich gut funktioniert, weil wir fachübergreifend von Kunst über Musik vieles ausprobieren und miteinander verknüpfen können.

Gab es schon einmal die Überlegung, die Healthy Boy Band größer aufzuziehen?

Philip: Wir haben alle drei das Glück, zu Hause in unseren Betrieben gesettled zu sein. Wenn wir wollten, könnten wir von der Band locker leben, aber dann wären wir davon abhängig und die gesamte Freiheit, zu tun was wir wollen, wäre weg. Es geht darum, einfach irgendwo aufblitzen zu können, damit die Leute sich denken: „Was machen diese drei Wahnsinnigen schon wieder?“, und dass alle wieder was zum Sudern haben.

Lukas: Die meisten Freundschaften gehen ja entweder an Liebesbeziehungen oder an Geld zugrunde. Deswegen wollen wir dieses Projekt nicht wegen des Geldes machen müssen. Wir haben das jedes Mal gespürt, wenn dieses Bezahlungs- und Geldthema kommt – das zieht uns alle runter.

Ihr seid alle drei international sehr gut vernetzt. Die Gastronomie und Esskultur in Österreich soll auch wegen der Rückkehr des Guide Michelin verstärkt nach außen kommuniziert werden. Wie steht es eurer Meinung nach um das Profil der österreichischen Gastronomie?

Lukas: Ich finde es erschreckend, wie spät die österreichischen Tourismusverbände die Gastronomie für sich entdeckt haben. Dabei haben das viele Köchinnen und Köche seit Jahren gepredigt, dass Essen als kultureller Bestandteil Österreichs verstanden werden muss.

Felix: Ich finde es super, dass die Kulinarik jetzt nach außen kommuniziert wird, aber meine Kritik ist, dass man ja nicht einfach sagen kann: „Hey, wir haben eine super Küche!“ Das ist doch kein Alleinstellungsmerkmal, kein USP, weil: Gute Küche hat mittlerweile so gut wie jedes Land und Fine Dining und Sterne gibt es sowieso schon fast überall.

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Spargonara von Philip Rachinger für Felix Schellhorn, das heißt: mit ganz viel Ketchup – in
diesem Fall aus Rhabarber.

Was ist stattdessen das kulinarische Alleinstellungsmerkmal Österreichs? Gibt es das überhaupt?

Felix: Das Knochenmark von Österreichs Gastronomie sind die Familienbetriebe – und zwar oft über mehrere Generationen hinweg. Wenn wir im Ausland unterwegs sind und sagen, dass wir alle drei in dritter Generation aus Familienbetrieben sind, hören wir immer nur: „Crazy!“

Philip: Ich glaube, wenn es eine internationale Liste à la World’s 50 Best gäbe, die die 100 wirtschaftlichsten Betriebe auflistet, wären sicherlich acht davon in Österreich, weil wir hier einfach viel nachhaltiger und gesünder arbeiten und von den Zahlen her sicherlich besser dastehen als so manche Fine-Dine-Restaurants der Welt. Wenn ich mir etwa das Frantzén in Stockholm anschaue, das ist doch einfach eine Formel-1-Maschine, in der Geld vernichtet wird.

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Von Luki für Philip: T-Bone-Steak von der Taube – mit viel süß.

Aber sind das auch Stärken, die sich auf die Sternevergaben vonseiten des Guide Michelin auswirken würden?

Lukas: In Österreich sollte es einen eigenen Chef-Tester geben oder zumindest einen Chef für den Guide in Österreich. Weil, und das ist ja eine Tatsache, ein deutscher Chef-Tester kann unsere Kultur nicht verstehen. Das ist einfach so. Vielleicht würde das dabei helfen, dass ähnlich wie in Japan nicht nur die Punkti-Punkti-Küche besternt wird.

Von mir aus kann das Anzengruber in Wien für sein Gulasch einen Stern bekommen, in Japan wäre so etwas ja nicht abnormal. Dort gehst du um zehn Euro Ramen essen, das einen Stern hat. Das würde bedeuten, dass man auch mit einem guten Schnitzel einen Stern bekommen könnte. So etwas könnte in Zukunft unsere gastronomische Kultur dann wirklich nach oben pushen.

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Von Felix für Lukas: Weiße Schoko über Ofen-Steinbutt, dazu asiatische Erdnusssauce, Rhabarberpulver und Chili.
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Von Philip für Luki: Verbene-Burger mit Kalbsnieren, Ei, vietnamesischer Koriander, Kaviar und: ohne Käse.

Stichwort Zukunft: Was wünscht sich die mittlerweile acht Jahre alte Healthy Boy Band für die nächsten acht Jahre?

Philip: Der Plan von Felix und von mir ist: Wir müssen den Luki in den nächsten zwei Jahren zum Golfen bringen, dann wird’s richtig geil.

Felix: Genau, als Healthy Boy Band ­organisieren wir Golf-Turniere, für die wir dann andere Köche engagieren, die die Verpflegungsstationen auf halber Runde schmeißen. Wir machen Golf und Kulinarik wieder geil.

Lukas: Ich bin und bleibe Tennisspieler, aber eine Sache wünsche ich mir in den kommenden acht Jahren mehr als alles andere: Dass die Sternerestaurants mit den Tartelettes als Häppchen aufhören. Wie Felix gesagt hat: Überall dasselbe.

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