Diego Guerrero: Der mit dem Essen spricht
Schon beim Namen seines Lokals wird schnell klar, dass es sich bei Diego Guerrero um einen eher nicht so gewöhnlichen Koch handelt. So steht das Akronym DSTAgE einerseits für das englische „the stage“ (die Bühne), andererseits für die Mission des Chefs: „Days to Smell Taste Amaze Grow & Enjoy“. Was so viel heißt wie: „Tage zum Riechen, Schmecken, Staunen, Wachsen und Genießen“.
Bei Diego Guerrero verbringt man also Tage, an denen die Sinne im Mittelpunkt stehen. Riechen, schmecken, staunen, wachsen, genießen. Dafür steht Diego Guerrero.
Das alles vereint er in seinen Gerichten, auf seiner Bühne, die ebenso weit über das Kochen hinausgeht wie seine Philosophie. So setzt sich Guerrero, geboren im April 1975 im baskischen Vitoria-Gasteiz, seit Langem für geregelte Arbeitszeiten im Gastgewerbe ein, führte als erster spanischer Spitzengastronom die Vier-Tage-Woche ein – und das ohne Qualitätseinbußen: Schon fünf Monate nach der Eröffnung bekam DSTAgE seinen ersten Michelin-Stern.
Seit 2016 hält es bei zwei Sternen. Und auch, wenn Diego Guerrero derartige Auszeichnungen durchaus zu schätzen weiß – auch im wirtschaftlichen Sinne –, so verfolgt er mit seiner Küche in erster Linie doch anderes. Er will in Dialog treten. Dialoge anregen. Ein wichtiger Aspekt dabei: Musik. So wie das Kochen ist auch sie für den Starkoch ein artistischer Ausdruck. Dabei laufen Musik und Kochen nebeneinander, das eine nähre das andere nicht, wie er sagt. Ebensowenig ist DSTAgE eine Kreativschmiede, sondern vielmehr eine Erfahrung, die sich nur zum Teil mit Worten und Gerichten beschreiben lässt. Dennoch haben wir Diego Guerrero um genau das gebeten. Und ihm bei dieser Gelegenheit noch ein paar Fragen mehr gestellt.
Schon beim Namen seines Lokals wird schnell klar, dass es sich bei Diego Guerrero um einen eher nicht so gewöhnlichen Koch handelt. So steht das Akronym DSTAgE einerseits für das englische „the stage“ (die Bühne), andererseits für die Mission des Chefs: „Days to Smell Taste Amaze Grow & Enjoy“. Was so viel heißt wie: „Tage zum Riechen, Schmecken, Staunen, Wachsen und Genießen“.
Bei Diego Guerrero verbringt man also Tage, an denen die Sinne im Mittelpunkt stehen. Riechen, schmecken, staunen, wachsen, genießen. Dafür steht Diego Guerrero.
Das alles vereint er in seinen Gerichten, auf seiner Bühne, die ebenso weit über das Kochen hinausgeht wie seine Philosophie. So setzt sich Guerrero, geboren im April 1975 im baskischen Vitoria-Gasteiz, seit Langem für geregelte Arbeitszeiten im Gastgewerbe ein, führte als erster spanischer Spitzengastronom die Vier-Tage-Woche ein – und das ohne Qualitätseinbußen: Schon fünf Monate nach der Eröffnung bekam DSTAgE seinen ersten Michelin-Stern.
Seit 2016 hält es bei zwei Sternen. Und auch, wenn Diego Guerrero derartige Auszeichnungen durchaus zu schätzen weiß – auch im wirtschaftlichen Sinne –, so verfolgt er mit seiner Küche in erster Linie doch anderes. Er will in Dialog treten. Dialoge anregen. Ein wichtiger Aspekt dabei: Musik. So wie das Kochen ist auch sie für den Starkoch ein artistischer Ausdruck. Dabei laufen Musik und Kochen nebeneinander, das eine nähre das andere nicht, wie er sagt. Ebensowenig ist DSTAgE eine Kreativschmiede, sondern vielmehr eine Erfahrung, die sich nur zum Teil mit Worten und Gerichten beschreiben lässt. Dennoch haben wir Diego Guerrero um genau das gebeten. Und ihm bei dieser Gelegenheit noch ein paar Fragen mehr gestellt.
Rolling Pin: Zwei Michelin-Sterne für das DSTAgE. Auch im El Club Allard hattest du zwei Sterne erkocht. Und das, obwohl deine Eltern anfänglich strikt gegen eine Laufbahn in der Gastronomie waren. Warum hast du dich ihnen widersetzt?
Diego Guerrero: Ich habe etwas gesucht, um mich auszudrücken. Als es mit 18 Jahren daran ging, einen Karriereweg einzuschlagen, war ich unentschlossen zwischen Kunst, Journalismus und Kochen. Meine Eltern meinten damals: Nur nicht Kochen. Und das zu Recht, ich hatte bis damals noch nie eine Pfanne angegriffen. Gut essen, das war mir zwar schon damals wichtig.
Immerhin komme ich aus dem Baskenland. Dort hat gutes Essen einen sehr hohen Stellenwert. Und meine Mutter, meine Oma, meine Tante, kochen alle sehr gut. Nur selbst gekocht, das habe ich bis zum Beginn meiner Ausbildung nicht. Um meinen Eltern eins auszuwischen, habe ich mich damals dennoch für die Küche entschieden.
„Kochen ohne Musik geht nicht!“

Und wie schaut es jetzt, mehr als 30 Jahre später, damit aus?
Guerrero: Heute bin ich sehr glücklich mit dieser Entscheidung. Und ich bin motivierter denn je. Küche entwickelt sich, genauso wie wir uns entwickeln. Und ich finde, gerade die Gastronomie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen. Bei DSTAgE kann ich Ideen mehr Platz und Zeit einräumen. Und ich sehe es auch als meine gesellschaftliche Verantwortung, Gastronomie als Branche weichzuzeichnen. Ich meine damit, dass wir seit Tag eins aufzeigen, dass auch in der Top-Gastronomie eine Work-Life-Balance möglich ist. Wir waren das erste Sternelokal in Spanien, das am Wochenende geschlossen hatte.
„Mir ist lieber, wir gefallen 100 Leuten sehr und 30 gar nicht, als dass uns 200 gerade mal ok finden.“
Dass Diego Guerrero sich nicht mit Mittelmaß zufriedengibt, bewies er unter anderem bei Martín Berasategui, im elBulli, im El Refor in Alava sowie im El Club Allard in Madrid.
Ist das heute noch immer so?
Guerrero: Nach der Pandemie mussten wir wirtschaftlich aufholen und haben auch am Wochenende geöffnet. Trotzdem haben wir immer noch eine Vier-Tage-Woche. Das ist auch gut so. Ideen und Kreativität brauchen Platz, Zeit und auch Eindrücke von außen.
Was meinst du damit?
Guerrero: Als ich 2013 nach zehn Jahren im Zwei-Sterne-Lokal Club Allard aufgehört habe, wusste ich nicht, was ich weiter tun werde. Es war damals nicht mein Plan, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Ich habe einfach gespürt, dass ich aufhören muss. In diesem Laufrad aus vielen Stunden und Routine habe ich bemerkt, dass meine Küche austauschbarer wird. Weil ich außer an die Arbeit an nichts mehr gedacht habe. Erst, als ich eine Zeit lang aus dem Club Allard draußen war, kam mir die Frage in den Sinn: Wie wäre es eigentlich, wenn ich etwas Eigenes aufmache?
Und das war dann das DSTAgE.
Guerrero: Ja, zumindest die erste Version davon im Jahr 2014. Wir und auch DSTAgE unterliegen einem ständigen Wandel. Es ist eine Bühne für alles mögliche. Und eine Möglichkeit für uns, über unsere Gerichte zu kommunizieren. In einer Gesellschaft, die schnelle Antworten sucht, versuchen wir, uns langsam fortzubewegen. Ideen Platz und Zeit zu geben. Alles passiert so schnell, ich finde, langsam zu sein, ist heutzutage schon fast heroisch.
„Menschen sind die einzigen Wesen, die kochen.“
Wie kann man diese Langsamkeit in Gerichten umsetzen?
Guerrero: Wir widmen uns den Produkten und schauen, was man damit alles machen kann. Nehmen wir unser Brot, um nur ein Beispiel zu nennen: Es ist in seinen Bestandteilen in mindestens fünf Gerichten vertreten. Als Sirup von Brotmelasse beispielsweise mit Shitake und Wild. Oder als Dessert mit Algen und Jakobsmuscheln. Was die Herkunft betrifft, will ich dabei nicht scheinheilig sagen: „Wir kaufen nur aus der Gegend.“ Wir haben das Glück, dass Spanien ein Land ist, das reich an Produkten ist. Die Erbsen aus Galizien, Zitrusfrüchte, Artischocken, beste Fleischqualitäten und der Atlantik – all diesen Produkten und Herkünften muss man seinen Wert beimessen. Aber Madrid liegt nun einmal nicht am Meer, hat keinen Hafen. Und trotzdem haben wir Fisch auf der Karte.
Wie würdest du denn selbst das DSTAgE und seine Gerichte beschreiben?
Guerrero: Die Gastronomie ist ein sehr breites Feld, mit unendlich vielen Möglichkeiten, um etwas damit zu erzählen. Wir nehmen das Produkt, das nach Möglichkeit aus der Gegend ist – was tatsächlich oft der Fall ist. Aber Dogmen haben bei uns noch weniger Platz als internationale Zutaten. Und dann betrachten wir es mit unserem kreativen Auge. Jedes Gericht hat bei uns etwas zu sagen. Ich freue mich daher heute noch jeden Tag darüber, dass ich damals die für mich beste Wahl getroffen habe, um mich auszudrücken: das Kochen und die Gastronomie.

Leute vom Fach behaupten nach einem Besuch bei dir: „Eines der besondersten Essen meines Lebens.“ Nimmst du so etwas ernst?
Guerrero: Das ist das größte Kompliment, das man überhaupt bekommen kann. Mein größter Wunsch ist nämlich dieser: Ich möchte, dass die Leute aus dem Lokal gehen und das Bedürfnis haben, anderen positiv davon zu erzählen. Dann warst du besonders. Mir ist lieber, es gefällt 100 Leuten sehr und 30 Gästen gar nicht, als dass es 200 gerade einmal ok fanden. Denn wenn alle uns und unsere Küche verstehen würden, dann wären wir austauschbar. Wir würden mit unseren Gerichten viel weniger erzählen. In dieser Hinsicht werden wir immer romantischer – aber nicht zu sehr (lacht). Ich brauche zwar inzwischen viel weniger im Leben, und das gibt mir Freiheit, aber eine gewisse Wirtschaftlichkeit braucht es natürlich schon. Ich könnte bestimmt auch etwas zugänglicher sein mit meiner Küche. Aber darum geht es mir nicht. Und das ist auch nicht DSTAgE.

Wie möchtest du, beziehungsweise wie soll DSTAgE in Erinnerung bleiben?
Guerrero: Ich glaube, im Leben geht es nicht darum, in Erinnerung zu bleiben. Das Leben ist schnell vorbei. Ich möchte die Zeit, die mir gegeben wird, genutzt haben. Dass es für etwas gut war. Dass man im Rückblick sagen kann: Das, was wir gemacht haben, hat andere weitergebracht. Ich mache mir mehr Gedanken darüber, was ich der Welt hinterlasse, als darüber, wie ich in Erinnerung bleibe.
„Ich will über die Essenz des Lebens sprechen.“
Würdest du jungen Menschen heute noch empfehlen, in die Gastronomie zu gehen?
Guerrero: Es liegt dem Menschen, sich anzupassen. Auch ich hatte in 30 Jahren im Berufsleben immer wieder Probleme der unterschiedlichsten Art. Das Leben ändert sich und mit ihm ändern sich auch die Probleme. Ich glaube, dass die Gastronomie immer eine Zukunft haben wird. Sie ist eines der Dinge, die uns vom Tier unterscheidet. Wir Menschen sind die einzigen, die kochen. Das ist etwas Soziokulturelles, es ist unmöglich, dass das irgendwann aufhört. Ich sage sogar voraus, dass die Küche uns Menschen überleben wird.

Ich denke, was einem immer hilft, ist, seine Ziele klar vor Augen zu haben. Zu wissen, was man will und zu wissen, dass sich Ziele auch ändern können. Solange sie mit den eigenen Werten einhergehen und Platz bleibt für Kameradschaft, für Motivation und eine gewisse Leichtigkeit, dann sind es gute Ziele. Mein Ziel ist es, in seiner Essenz über den Sinn des Lebens zu sprechen und über die Rolle der Gastronomie darin.
Wenn du „sprechen“ sagst, meinst du in erster Linie damit: mit deinen Gerichten sprechen, oder …
Guerrero: … nun, vielleicht schreibe ich ja einmal ein Buch (lächelt). Lust dazu habe ich schon.