Braucht Andreas Senn einen Maulkorb?

Raus aus Konventionen, rein ins eigene Lokal: Andreas Senn nimmt sich kein Blatt vor den Mund und lässt sich noch weniger in Schubladen stecken.
September 24, 2015 | Fotos: Helge O. Sommer

Andreas Senn

Im Fall von Andreas Senn ist Reden Gold: Mit großer Klappe und sehr viel dahinter geht er seinen eigenen Weg – raus aus festgefahrenen Strukturen und rein in die Selbstbestimmtheit. Obwohl er die Selbständigkeit lange Jahre nicht für sich in Betracht gezogen hat, ist Senn seit Anfang des Jahres Besitzer und Küchenchef des Restaurants SennS in Salzburg. „Ich habe mir viele Gedanken über die Wirtschaftlichkeit eines eigenen Lokals gemacht. Der Arbeitsaufwand ist höher, das Aufgabenspektrum größer. Und wenn die Gäste ausbleiben?“ Über fehlende Gäste muss sich der 35-Jährige keine Sorgen machen: Rund einen Monat nach der Eröffnung des Restaurants verlieh ihm der Guide Michelin einen Stern. Nein, keine Schieberei.

Das Pop-up-Restaurant Heimatliebe ist der namentliche Vorgänger des SennS und wurde vom Guide bewertet. Die Linie blieb im neuen Restaurant gleich und deshalb auch der Stern. Die Auszeichnungen „Neueinsteiger des Jahres 2015“ sowie 94 von 100 Punkten des österreichischen Falstaff tun ihr Übriges. „Eine bessere Werbung kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Senn stolz über seinen gelungenen Start. „Ich habe bei Michelin meine Handynummer hinterlegt. So kann ich nachvollziehen, wie viele Menschen über den Guide reservieren – fast 50 Prozent.“ Mehr noch als ein Ego-Push, sind Sterne das beste Mittel zur Kundenakquise. Nicht, dass Senn zuvor ein Unbekannter am Gastro-Himmel war.

Bürokratie ist der Feind der Selbstständigen.
Andreas Senn über seine bürokratischen Anlaufschwierigkeiten

Sterne, Hauben, Gabeln ebnen den Weg des Österreichers. Seine Stationen sind wie eine Vorbereitung auf die Selbständigkeit, die er nun in der Mozart-Stadt verwirklichte. Im Hangar-7 arbeitete Senn sechs Jahre lang mit der internationalen Spitzengastronomie zusammen: „Durch den monatlichen Wechsel der Gastköche habe ich die klassische Küche, wie ich sie zuvor im Restaurant Fuschl bei Salzburg als Küchenchef noch umgesetzt habe, hinter mir gelassen. Besonders beeindruckt hat mich die Professionalität von Dieter Müller. Auch Dani García mit seiner molekularen Küche hat mich geprägt. Sein Signature Dish, die Nitro-Tomate, gab es auch schon von mir bei einem der Events, bei denen wir das Catering übernehmen.“ 2010 wechselte Senn zum A-Rosa in Kitzbühel. Im hoteleigegen Restaurant Heimatliebe übernahm er die Küchenleitung und erarbeitete sich gemeinsam mit der Hotelleitung immer mehr Unabhängigkeit: „Natürlich musste ich mich an ein Budget halten, aber…

Andreas Senn

Im Fall von Andreas Senn ist Reden Gold: Mit großer Klappe und sehr viel dahinter geht er seinen eigenen Weg – raus aus festgefahrenen Strukturen und rein in die Selbstbestimmtheit. Obwohl er die Selbständigkeit lange Jahre nicht für sich in Betracht gezogen hat, ist Senn seit Anfang des Jahres Besitzer und Küchenchef des Restaurants SennS in Salzburg. „Ich habe mir viele Gedanken über die Wirtschaftlichkeit eines eigenen Lokals gemacht. Der Arbeitsaufwand ist höher, das Aufgabenspektrum größer. Und wenn die Gäste ausbleiben?“ Über fehlende Gäste muss sich der 35-Jährige keine Sorgen machen: Rund einen Monat nach der Eröffnung des Restaurants verlieh ihm der Guide Michelin einen Stern. Nein, keine Schieberei.

Das Pop-up-Restaurant Heimatliebe ist der namentliche Vorgänger des SennS und wurde vom Guide bewertet. Die Linie blieb im neuen Restaurant gleich und deshalb auch der Stern. Die Auszeichnungen „Neueinsteiger des Jahres 2015“ sowie 94 von 100 Punkten des österreichischen Falstaff tun ihr Übriges. „Eine bessere Werbung kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Senn stolz über seinen gelungenen Start. „Ich habe bei Michelin meine Handynummer hinterlegt. So kann ich nachvollziehen, wie viele Menschen über den Guide reservieren – fast 50 Prozent.“ Mehr noch als ein Ego-Push, sind Sterne das beste Mittel zur Kundenakquise. Nicht, dass Senn zuvor ein Unbekannter am Gastro-Himmel war.

Bürokratie ist der Feind der Selbstständigen.
Andreas Senn über seine bürokratischen Anlaufschwierigkeiten

Sterne, Hauben, Gabeln ebnen den Weg des Österreichers. Seine Stationen sind wie eine Vorbereitung auf die Selbständigkeit, die er nun in der Mozart-Stadt verwirklichte. Im Hangar-7 arbeitete Senn sechs Jahre lang mit der internationalen Spitzengastronomie zusammen: „Durch den monatlichen Wechsel der Gastköche habe ich die klassische Küche, wie ich sie zuvor im Restaurant Fuschl bei Salzburg als Küchenchef noch umgesetzt habe, hinter mir gelassen. Besonders beeindruckt hat mich die Professionalität von Dieter Müller. Auch Dani García mit seiner molekularen Küche hat mich geprägt. Sein Signature Dish, die Nitro-Tomate, gab es auch schon von mir bei einem der Events, bei denen wir das Catering übernehmen.“ 2010 wechselte Senn zum A-Rosa in Kitzbühel. Im hoteleigegen Restaurant Heimatliebe übernahm er die Küchenleitung und erarbeitete sich gemeinsam mit der Hotelleitung immer mehr Unabhängigkeit: „Natürlich musste ich mich an ein Budget halten, aber ich habe das Restaurant nahezu selbständig führen dürfen.“ Ein weiterer Schritt war dann das Pop-up-Restaurant Heimatliebe in Salzburg.

Senn konnte 2014 über die Sommermonate seine Linie aus Kitzbühel in Salzburg ausprobieren. Sich in der Selbständigkeit üben. Seinen Mut finden. Die Wegrationalisierung des Hotel-Restaurants in Kitzbühel traf ihn nicht aus heiterem Himmel: „Wir haben gemeinsam darüber gesprochen und uns Ende Dezember gegen die Weiterführung entschlossen. Nach fünf Jahren im gleichen Restaurant war es an der Zeit, sich etwas Neues zu suchen. Uwe Schramm, der Hoteldirektor des A-Rosa, hat mich mental stark bei dem Schritt in die Selbständigkeit unterstützt. Im Januar habe ich dann schon an der Eröffnung des SennS gearbeitet und im Februar eröffnet.“ Ob er noch einmal ein Restaurant so kurzfristig aufziehen wolle? „Sicher nicht. Ich würde mir vielleicht zwei Wochen mehr geben“, lacht er. „Die bürokratischen Einschränkungen haben mich stark gebremst.“ Im Lokal gab es zwar eine Küche von Lohberger, aber keinen Fettabscheider. Die Organisation und der Briefwechsel waren sehr aufwendig. Und das ist nur ein Punkt gewesen.“ Es scheint, als wolle der Staat ein Bein stellen.

Unkompliziert ausgefallen

Senn lässt sich aber von solchen Behinderungen nicht von seinem Ziel ablenken. Nachdem er die Selbständigkeit auf Probe im Pop-up-Restaurant in derselben Location – im Objekt 6 des Gusswerks – in Salzburg ausprobieren konnte, war er von der Idee und dem Willen gepackt, sich selbst mit einem eigenen Restaurant zu verwirklichen. Das SennS erinnert mit seiner unkomplizierten Küchenlinie mit asiatischen Einflüssen an das Pop-up. „Meine Küchenlinie ist leicht – ohne Sahne und Butter. Viele meiner Zutaten sind zudem asiatischer Herkunft. Soja, Ingwer, Dashi und Miso verwende ich sehr gerne. Mein Signature Dish mit Hamashi, Gänseleber und Jakobsmuscheln wird durch Miso verfeinert.“ Einmal im Monat ändert Senn die Karte. „Für ein neues Menü investiere ich sehr viel Zeit. Das kann schon einmal zwei Wochen dauern, ich bin eben ein Perfektionist.“ Inspiration holt er sich natürlich bei seinen Kollegen, aber kopieren geht gar nicht. „Produktvielfalt habe ich im Hangar-7 kennengelernt. Ich wollte und will es anders machen als die anderen. Es kochen sowieso immer alle das Gleiche. Die nordische Küche hat zwar das Bewusstsein verändert, aber ich brauche sie nicht in Österreich.“ Mit einer größeren Produktauswahl potenziert sich die Kreativität. Der Hangar-7 hat aber nicht nur Vorteile für junge Köche: „Es wurde uns oft eine Abhängigkeit von Externen unterstellt: Es hieß, dass wir nicht eigenständig arbeiten und wirtschaften könnten.“ Im A-Rosa konnte er bereits das Gegenteil beweisen. Nun spiegeln ein Wareneinsatz von unter 30 Prozent und ein ausgebuchtes Restaurant einen sehr wirtschaftlichen Senn wider.

Leichtigkeit strahlt auch das Interieur des Restaurants aus. Die Location ist unaufgeregt und leger – zumindest im Vergleich zum Pop-up. Das Backsteinhaus glänzt mit seinem rustikalen Auftreten. „Für einen Besuch im SennS gibt es keinen Dresscode. Bei uns sollen sich alle wohlfühlen – meinetwegen in kurzer Hose und T-Shirt.“ Das Ambiente des Gusswerks wird durch die Inneneinrichtung auf ein stylishes Niveau gehoben: Die Firmen im Gusswerk in der Söllheimerstraße nutzen das Restaurant als Ausstellungsraum. Licht und Einrichtung stellt die Hotel&Design Werkstatt (HDW), die in Absprache mit Senn in regelmäßigen Abständen das Interieur ändert. Für den Weinkeller des Restaurants bekam Senn von Rieger Weine Unterstützung. Die richtige Ausstattung mit Geschirr konnte Senn durch das Catering bei einem Event Anfang Februar finanzieren. Das Restaurant ist nämlich nur ein Standbein. Senn hat sich mit dem Event-Catering eine zusätzliche finanzielle Einnahmequelle neben dem Mittags- und Abendgeschäft geschaffen. Er nutzt den Mittagstisch und das Catering, um seine Verluste sowie den Wareneinsatz gering zu halten. „Ohne das Catering, das ich mit meinem Team stemme, wäre das Restaurant nicht tragbar.“

Königskrabbe
Black Cod mit Miso
Andreas Senn

Handfeste Teamarbeit

Zu Beginn arbeitete Senn mit einem Partner zusammen. Mittlerweile steht er allein hinter dem Restaurant: „Andere Geldgeber oder stille Teilhaber gab und gibt es nicht, weil ich mein eigenes Ding machen will. Investoren stänkern dir in dein Geschäft. Mit voller Hose ist es eben leicht, zu stinken.“ Senn fasst den monetären Aufwand auf rund 100.000 Euro zusammen. „Wir haben unseren Break-even auf Ende des Jahres gelegt. Das ist aber nur möglich, weil wir so viel Resonanz durch die Vergabe des ersten Sterns bekommen haben. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass das SennS dermaßen gut anläuft.“ Die gastronomische Situation in Salzburg scheint angespannt zu sein. Viele gute und sehr gute Restaurants gibt es, viele Gastronomen sperren zu. „Ich weiß nicht, wo die Fehler der anderen liegen. Salzburg ist stetig im Wandel. Die Gäste sind für jeden Gas­tronomen das Wichtigste.“ Mit Lockerheit und Prägnanz trifft Senn genau den Geschmack seiner Gäste.

Durch seine offene Art merken sie kaum, wie ehrgeizig, perfektionistisch und arbeitswillig der Küchenchef tatsächlich ist. „Ich bringe das Essen gerne selbst raus. Dann kann ich es am besten erklären und stehe auch noch mit meinem Gesicht und nicht nur mit dem Namen für das Lokal. Ich stelle lieber einen Koch mehr ein, als mich in der Küche zu verstecken. Und die Leute sind begeistert“, erklärt der junge Besitzer seine Strategie. Sein Team besteht aus seiner Freundin, die sich im Büro um die Buchhaltung, den Internetauftritt auf Social-Media-Seiten und ihre gemeinsame 16 Monate alte Tochter kümmert. „Meine Freundin war lang Oberkellnerin im Hangar-7 und unterstützt mich zeitweise im Service noch bei Events. Eben so viel, wie das als Mutter möglich ist.“ Insgesamt sorgen fünf Köche und vier Servicekräfte bei den Gästen an den neun Tischen für einen gelungenen Besuch. Den Fachkräftemangel hat Senn bei der Personalsuche nicht bemerkt: „Der Stern ist auch bei Bewerbungen das ultimative Aushängeschild. Es kommen jeden Tag
Bewerbungen rein.“

Mit voller Hose ist leicht stinken.
Andreas Senn über die anstrengende Attitüde von Geldgebern

Auch Senn hat als Jungkoch nur bei ausgezeichneten Betrieben gelernt. Früh übt sich. Zusätzlich zum Alltagsgeschäft schupft Senn durchschnittlich ein Event pro Woche mit mehr als 100 Personen mit seinem Team. „Für ein Event in der Größe brauchen wir meist drei bis vier Tage zur Vorbereitung. Während des Events bleibt das Restaurant dann geschlossen.“ Seit die stressige Anfangsphase geschafft ist, kann sich Senn die freien Sonn- und Montage wirklich Zeit für seine kleine Familie nehmen. „Das war zu Beginn einfach nicht möglich!“

Mittlerweile hat sich der Stress gelegt und Senn schmiedet fleißig Zukunftspläne. Abhängigkeit ist sicher nicht dabei: „Es wird noch ein zweites Restaurant ab 2017 in Salzburg geben: etwas größer und ein einzigartiges Projekt. Mehr wird nicht verraten.“ Ungewöhnlich dieses Schweigen von einem Mann ohne Blatt vor dem Mund.

www.senns.restaurant

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