Der Cyborg und der Pâtissier

Spiel mir das Lied von Orange: Der eine kann Farben hören, der andere ist Jordi Roca. Zusammen kreieren sie Desserts, die Musik in den Ohren ist.
Feber 10, 2016 | Text: Nina Wessely | Fotos: El Celler de Can Roca

Farbvertont

Aus Jordi Rocas Pâtisserie im Celler de Can Roca tönt seit einiger Zukunftsmusik. Essbare. Denn die  drei Brüder, die dem laut der „S. Pellegrino Liste der 50 Best Restaurants“ besten Restaurant der Welt vorstehen, geben sich nicht damit zufrieden, Auge, Nase und Mund mit ihren Gerichten zu fordern.

Sie gehen wie üblich einen Schritt weiter. Beziehungsweise eine Dimension. Jordi Roca: „Ich möchte Gerichte kreieren, die nicht nur gut schmecken. Sie sollen auch gut klingen.“

Dazu muss man wissen, dass Jordi Roca einen ganz besonderen Freund hat. Einen Cyborg namens Neil Harbisson. Übrigens der erste Mensch, der offiziell als Cyborg anerkannt ist. Also jemand, der durch in seinem Körper verpflanzte Technik erweiterte Fähigkeiten entwickelt hat. So wie Farben hören zu können.

Harbisson: „Ich verwende keine Technologie, ich bin Technologie. Wir sollten nicht daran arbeiten ständig neue Apps für unsere Handys zu designen. Wir sollten uns selbst optimieren. Und damit unser Wissen erweitern.“

Farbvertont

Aus Jordi Rocas Pâtisserie im Celler de Can Roca tönt seit einiger Zukunftsmusik. Essbare. Denn die  drei Brüder, die dem laut der „S. Pellegrino Liste der 50 Best Restaurants“ besten Restaurant der Welt vorstehen, geben sich nicht damit zufrieden, Auge, Nase und Mund mit ihren Gerichten zu fordern.

Sie gehen wie üblich einen Schritt weiter. Beziehungsweise eine Dimension. Jordi Roca: „Ich möchte Gerichte kreieren, die nicht nur gut schmecken. Sie sollen auch gut klingen.“

Dazu muss man wissen, dass Jordi Roca einen ganz besonderen Freund hat. Einen Cyborg namens Neil Harbisson. Übrigens der erste Mensch, der offiziell als Cyborg anerkannt ist. Also jemand, der durch in seinem Körper verpflanzte Technik erweiterte Fähigkeiten entwickelt hat. So wie Farben hören zu können.

Harbisson: „Ich verwende keine Technologie, ich bin Technologie. Wir sollten nicht daran arbeiten ständig neue Apps für unsere Handys zu designen. Wir sollten uns selbst optimieren. Und damit unser Wissen erweitern.“

Jordi Roca

Denn auch Neil Harbissons Dasein als Cyborg, mit einer im Gehirn verpflanzten Antenne, die Harbisson liebevoll „Eyeborg“ nennt, begann damit, dass der heute 33-jährige mehr wissen wollte. Und zwar, wie Farben aussehen. Von Geburt an farbenblind wurde es dem Künstler bald zu blöd. Genau gesagt, im Jahr 2004.

Eyeborg

Da hat er sich dann eben den „Eyeborg“ zu Hilfe geholt. Harbisson: „Licht und Ton werden von Frequenzen übertragen. Mein Eyeborg vertont diese Frequenzen. Rot hat zum Beispiel eine komplett andere Farbfrequenz als grün. Vertont ist Rot mehr ein tiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiii – tiiiiiiiiiiiii tiiiiiiiiiiiiii un grün mehr teiteiteiteitei.“ So kommen die Farben bei Harbisson an.

Der sich jetzt nur noch so anzieht, wie es gut klingt – lächelt er und zupft sich seine knallgelbe Hose zurecht, die unter dem königsblauen Sakko hervorblitzt. Seit einiger Zeit wurde Neils Antenne um eine Bluetooth-Funktion erweitert, und Wlan ist sowieso Standard. „Menschen können mir von überall her, Farben schicken. Ganz einfach über ihr Handy“, so der Cyborg für den eine wachsende Anzahl an Cyborgs wohlklingende Zukunftsmusik ist, und nur logische Konsequenz daraus, die eigenen menschlichen Fähigkeiten optimieren zu wollen. So weit so zukunftsträchtig. Aber Jordi Roca, denkt süß.

Wie kann man also Neil Harbissons besondere Fähigkeit in der Pâtisserie nutzen? Die Dimensionen erweitern, schon bevor wir alle laut Harbisson sowieso nur mehr über unsere Antennen und Wifi kommunizieren?  „Think outside the box“ im besten Restaurant der Welt.

Ich möchte Desserts kreieren, die nicht nur schmecken, sondern auch gut klingen.
Jordi Roca über die Zusammenarbeit mit Cyborg Neil

Wie das funktioniert und inwiefern sich das auszahlt – und zwar für Ohren und Mund – haben die beiden kürzlich auf der Madrid Fusión in Spanien gezeigt. Dazu hat Jordi Roca ein Dessert aus dem Jahr 2005 ausgegraben – ein bunter Reigen aus Erdbeere, Mango, Süßholz, Feige und weiteren 43 Komponenten.

Ein weiterer Freund von Jordi hat die Antenne, die Neil im Kopf hat, auf einem drehbaren Tablett nachgebaut. Darauf setzt Jordi sein Gericht auf einem durchsichtigen Teller und dreht den Teller an.
Titiit daaa daa daaa und rietititi –Zwischenapplaus – unterbricht das harmonisch Vertonte. Harbisson: „Ich kann Picassos hören und in den Supermarkt zu gehen, ist wie ein Diskobesuch für mich. Warum also nicht auch die Gastronomie um diese Dimension bereichern.“

Wie schmeckt ein Gericht, das wie Lady Gaga klingt? Welche Komponenten beinhaltet es? Denkansätze, die bei Jordi Roca nicht auf taube Ohren stoßen. Ein Restaurantbesuch ist ein ganzheitliches Erlebnis. Warum sich also nur mit der Bedienung von drei Sinnen zufrieden geben? Im besten Restaurant der Welt jedenfalls, tut man das eben nicht.

Wissen kommt von unseren Sinnen. Wenn wir sie erweitern, wird auch unser Wissen größer.
Neil Harbisson über die Vorteile des Cyborg-Daseins

Neil Harbisson

Während Neil Harbisson Menschen mit seiner Stiftung dazu ermutigt selbst auch zum Cyborg zu werden, möchte Jordi Roca die Fähigkeiten seiner Desserts pimpen. Sie singen lassen. Keine Frage, dass der 37-jährige Jordi und sein Freund Neil weiter an der Idee feilen werden, Zukunftsmusik essbar zu machen.

Und zwar solange, bis nicht nur Neil oder einer seiner Cyborg-Kollegen findet, dass dieses Gericht super klingt, sondern bis auch der Gast ohne Antennen, Ennio Morricone pfeifen hört oder zu Beethovens Elise mitwiegt.

Ein Denkanstoß, der auch Köche dazu ermutigen soll, sich in andere Dimensionen zu bewegen. Und auf definierte Spielräume für Köche wie Aroma, Konsistenz und Geruch pfeifen. Klingt doch gut, nicht?

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