Wein, danke? So reagieren Winzer auf Kundenschwund
In der Regel sind es die Weine selbst, die Emotionen auslösen. Die Genießer schwärmen oder die Nase rümpfen lassen. Aktuell aber rücken bei Winzern, Sommeliers und Weinliebhabern diese Momente allerdings zeitweise in den Hintergrund. Stattdessen sorgen nackte Zahlen für teilweise blankes Entsetzen. Stichwort: Weinrezession.
In der Regel sind es die Weine selbst, die Emotionen auslösen. Die Genießer schwärmen oder die Nase rümpfen lassen. Aktuell aber rücken bei Winzern, Sommeliers und Weinliebhabern diese Momente allerdings zeitweise in den Hintergrund. Stattdessen sorgen nackte Zahlen für teilweise blankes Entsetzen. Stichwort: Weinrezession.
Tatsache ist, dass weltweit der Absatz von Weinen rasant auf Talfahrt ist. Wie das Deutsche Weininstitut (DWI) auf Basis einer aktuellen Analyse des deutschen Weinmarktes ermittelte, sank etwa die Menge des bundesweit eingekauften Weins 2024 um vier Prozent und der damit erzielte Umsatz um fünf Prozent. Ähnlich sieht die Situation in Österreich aus – und auch im Mutterland des Weins, in Frankreich.
Hier verzeichnet die Statistik für 2024 ein Exportminus von vier Prozent. Was auf den ersten Blick nach wenig klingen mag, ist vor allem für die Winzer teilweise existenzbedrohend. Zumal diese Zahlen nicht etwa eine Momentaufnahme spiegeln, sondern daraus ganz klar ein weltweiter Trend abzuleiten ist, der allen Prognosen zufolge nicht so bald zu bremsen sein wird.
Auf der Suche nach Gründen
Den Gründen dafür ist zudem nur schwer aktiv zu begegnen. Sie liegen nämlich keineswegs bloß in etwaigen Preissteigerungen oder sind an der Inflation festzumachen. „Es handelt sich um einen kulturellen Wandel“, sagt etwa die erfahrene Sommelière Nancy Großmann vom Grill Royal in Berlin. Dass Wein ein hochwertiges Genussmittel und keine böse Droge sei, würde in ihren Augen oft nicht differenziert und falle somit oft dem allgemeinen Gesundheitstrend zum Opfer. Auch Andreas Pirschl, Geschäftsführer von Lenz Moser, Österreichs größter Weinkellerei, sieht gesellschaftliche Aspekte als größten Treiber der Weinrezession.

Er sagt: „Klar ist, dass bei der jungen Generation Alkohol kein so großes Thema mehr ist. Und wenn Wein getrunken wird, dann süße Produkte.“ Seiner Wahrnehmung nach sei die Jugend durch die zuckerhaltigere Ernährung für trockene Weine weniger zugänglich geworden. Doch mit tiefergehender Ursachenforschung möchten weder Winzer noch Sommeliers groß Energie und Zeit verschwenden. Sie alle eint vielmehr die Suche nach Alternativen und Lösungen, um mit den Gegebenheiten besser leben zu können.
Spannende Lösungen
Eines ist jedenfalls klar: Abwarten und Tee trinken ist keine Option. Und so haben sich französische Winzer Ende des Jahres zu einem radikalen Schritt durchgerungen, der gleichzeitig die Dimension der Problematik unterstreicht: Sie haben mit der Rodung ihrer Weinberge begonnen. Unterstützung kommt gar von der EU – sie zahlt 4.000 Euro Entschädigung pro Hektar. Auf diese Weise sollen in den kommenden Jahren bis zu 30.000 der insgesamt 800.000 Hektar Rebfläche Frankfreichs dem Erdboden gleichgemacht werden. Um einerseits Kosten zu sparen und andererseits die Flächen für andere, rentablere Kulturpflanzen freizumachen.
„Der Erlös der Reben liegt unter dem Mindestlohn. Weinbau rechnet sich für kleine Winzer wie mich nicht mehr!“
Der deutsche Winzer Hermann Frisch sattelt auf 2,5 Hektar von Trauben auf Oliven um.
Eine Gangart, die auch in Deutschland bereits erste Nachahmer findet. Winzer Hermann Frisch aus dem deutschen Weinsberg hat auf 2,5 Hektar seiner Rebfläche die Reben gerodet und stattdessen Olivenbäume gepflanzt. „Der Erlös der Reben liegt unter dem Mindestlohn“, sagt Hermann Frisch. Nach Abzug aller Kosten würde sich der Weinbau für viele kleinere Betriebe wie den seinen nicht mehr rentieren. Dass in Weinsberg künftig Olivenöl entstehen soll, verdankt er auch dem Klimawandel. „Die Bäume halten Temperaturen bis minus 14 Grad aus. Und wir hatten in den letzten 15 bis 20 Jahren keine Minustemperaturen mehr in diesem Bereich“, erklärt Frisch.

Ganz anders stellt man sich in Österreichs Rotweinregion Nummer eins auf etwaige Umsatzeinbrüche ein. Christoph Salzl vom Weingut Salzl etwa verzeichnet selbst noch keinen Absatzeinbruch, allerdings sieht er wohl, wohin die Trends gehen. Er sagt: „Wir stellen unsere hochwertigen Süßweine stärker in den Vordergrund.“ Ihr Geschmacksprofil würde bei den jungen Menschen gut ankommen und zudem haben Trockenbeerenauslesen und Auslesen einen wesentlich geringeren Alkoholgehalt als normale Weine. Die aktuell auch gern gehypten alkoholfreien Weine wiederum sieht Salzl kritisch: „Allein aus dem Nachhaltigkeitsgedanken sind sie schwierig.“
Der Prozess der Entalkoholisierung sei energieaufwendig und die dazu nötigen Anlagen würden weit weg in Deutschland stehen. Bei größeren Mengen, wie sie Lenz Moser absetzen muss, entzerrt sich dieses Problem freilich. Und das nutzt Andreas Pirschl aktuell, um einen kreativen Lösungsweg zu verfolgen: Er cuvetiert alkoholfreien Wein mit der süßlicheren Rebsorte Muskat Ottonel.
Das Resultat ist ein süßerer Weißwein mit einem minimalen Alkoholgehalt von fünf Volumsprozent. Damit sucht man den Anschluss an die junge Zielgruppe zu halten, um langfristig vielleicht doch Begeisterung für große Weine zu wecken.
Eine Idee, die auch Nancy Großmann in ihrem Tun verfolgt. „Ich investiere heute viel Zeit und Energie, um Menschen die Angst vor Wein zu nehmen. Um zu erzählen, dass Wein gar nicht kompliziert und schwierig ist, sondern einfach ein sehr schönes Genussmittel.“