Deutschlands Mister Ghost Kitchen

Mit seinen Ghost Kitchen, also Küchen, die im Verborgenen viele unterschiedliche Marken bedienen, revolutioniert Beschir Hussain gerade Deutschlands Food-Delivery-Business.
November 3, 2022 | Text: Lucas Palm | Fotos: Ben Fuchs, Chefly, Beschir Hussain, beigestellt

Ein Gespenst geht um in der Gastronomie. Dieses Gespenst trägt verschiedene Namen: Ghost Kitchen, Dark Kitchen oder auch Cloud Kitchen. Sie bezeichnen alle ein und dasselbe: Küchen, die im Verborgenen liegen. Nicht etwa, weil sie verboten wären. Und auch nicht, weil sie etwas zu verbergen hätten. Sondern weil dort für Marken statt für Restaurants gekocht wird.

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Chefly-CEO Beschir Hussain (li.) und CFO Egor Korolkov (re.) mit ihrer Vadoli-Pizza, die seit ihrer Einführung neue Maßstäbe im Pizza-Delivery-Business setzt

Das heißt: Keine Gäste, keine Sitzplätze, keine Tische, kein Tresen. Stattdessen: Fahrer, die das Essen zu den Gästen nach Hause bringen. Gästen, die besagtes Essen über ihr Handy oder ihren Computer bestellt haben. Deswegen spricht man im deutschsprachigen Raum auch von „virtuellen Restaurants“ oder „delivery only Restaurants“. Dass sich noch kein Begriff für dieses neue Phänomen durchgesetzt hat, liegt wohl in der Natur der Sache: Weil solche Küchen für die Öffentlichkeit unsichtbar sind, spricht einfach kaum jemand darüber.

Ein Gespenst geht um in der Gastronomie. Dieses Gespenst trägt verschiedene Namen: Ghost Kitchen, Dark Kitchen oder auch Cloud Kitchen. Sie bezeichnen alle ein und dasselbe: Küchen, die im Verborgenen liegen. Nicht etwa, weil sie verboten wären. Und auch nicht, weil sie etwas zu verbergen hätten. Sondern weil dort für Marken statt für Restaurants gekocht wird.

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Chefly-CEO Beschir Hussain (li.) und CFO Egor Korolkov (re.) mit ihrer Vadoli-Pizza, die seit ihrer Einführung neue Maßstäbe im Pizza-Delivery-Business setzt

Das heißt: Keine Gäste, keine Sitzplätze, keine Tische, kein Tresen. Stattdessen: Fahrer, die das Essen zu den Gästen nach Hause bringen. Gästen, die besagtes Essen über ihr Handy oder ihren Computer bestellt haben. Deswegen spricht man im deutschsprachigen Raum auch von „virtuellen Restaurants“ oder „delivery only Restaurants“. Dass sich noch kein Begriff für dieses neue Phänomen durchgesetzt hat, liegt wohl in der Natur der Sache: Weil solche Küchen für die Öffentlichkeit unsichtbar sind, spricht einfach kaum jemand darüber.

„In unseren Küchen können wir mehrere Restaurants in einer Küche anbieten.“
Beschir Hussain beschreibt seine Ghost Kitchen

Einer, der sehr wohl darüber spricht, ist Beschir Hussain. Vor knapp zehn Jahren gründete der heute 36-Jährige eine der erfolgreichsten Lieferplattformen im Nahen Osten. Hellofood, wie das Unternehmen mit Sitz in Dubai hieß, machte innerhalb kürzester Zeit einen Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich. 2016 wurde es vom börsennotierten Branchenriesen Delivery Hero gekauft.

Spätestens seit diesem Geniestreich zählt auch Hussain zu den Big Playern im Food Delivery-Geschäft. Geboren in Berlin, schrieb er das beste Abitur seiner Schule, erhielt daraufhin ein Stipendium für Hochbegabte von der Studienstiftung des deutschen Volkes, studierte in New York Philosophie und Wirtschaftswissenschaften. Nach seinem Dubaier ­Intermezzo kehrte er in seine Heimatstadt zurück.

Und wirbelt mit seinem Unternehmen Vertical Food, das seit Kurzem in Chefly umbenannt wurde, die Delivery-Branche auf wie kein Zweiter. Allerdings versucht Hussain den Begriff „Ghost Kitchen“ zu vermeiden. Er selbst spricht lieber von Cloud Kitchen. „Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um Küchen, die in der Cloud, also für Kunden digital verfügbar sind“, sagt er. „Sie beherbergen mehrere Restaurants – aber nur für Menschen, die online dort ihr Essen bestellen.“ Was heißt das genau? Was treibt Beschir Hussain an? Und wie funktioniert so ein Cloud Kitchen-Imperium? 

Die vertikale Kontrolle

Hussain ist Zahlenmensch. Spricht man mit ihm über seinen Werdegang, seine Entscheidungen, sein Unternehmen, untermauert er seine Argumente stets mit Zahlen und Fakten. Wie zum Beispiel seine Entscheidung, nach seiner Zeit in Dubai den Lieferdienst Vertical Food in Deutschland zu gründen. „Wenn man sich die klassische Wertschöpfungskette anschaut“, erklärt er, „dann gibt es am Anfang die Online-Plattform, auf der man bestellt, und am Ende die Logistik, die ausliefert. Dazwischen sind die Restaurants selbst. Und das ist ein sehr fragmentierter Bereich. Alleine in Deutschland gibt es 75.000 Bars und Restaurants.

Und die konzentrieren sich eben meist auf die Bewirtung von Gästen. Da stellt sich die Frage: Wie viele dieser Restaurants bieten ihre Gerichte online an? Und wie viele berücksichtigen dabei, dass ihre Gerichte binnen 15 Minuten geliefert werden müssen?“ Hussains Antwort ging damals viel weiter als bloß ein Restaurant zu gründen, das sich auf Essensauslieferung spezialisiert. Vielmehr sah er die Marktlücke darin, die Nachfrage nach gutem, frisch zubereiteten Essen, das auch schnell geliefert wird, „vertikal zu lösen“. Das heißt, jeden Schritt von der Bestellung bis zur Lieferung selbst abzudecken: die Bestellung der Kunden auf der unternehmenseigenen Website, die Zubereitung des Essens an sich in der Ghost Kitchen und die Auslieferung mithilfe einer eigenen Flotte. All das, so die Idee, sollte die klassische Wertschöpfungskette von Food Delivery noch effizienter machen. Weil man eben die Kontrolle über jeden einzelnen Schritt behält – und auch genau weiß, wo man sich verbessern kann. Um seine Idee zu testen, wagte sich Hussain ausgerechnet auf das hart umkämpfte Terrain der Pizza-Lieferdienste. 

Der Pizza-Test

Es war also nicht etwa risikofreudiger Größenwahn, der ihn dazu verleitete. Vielmehr setzte Hussain auch hier wieder unbeirrt auf Zahlen und Fakten. Der deutsche Pizza-Delivery-Markt, sagt er, sei ja mit einem Wert von etwa einer Milliarde Euro sehr attraktiv. „Aber er wurde damals immer noch von denselben Anbietern dominiert, die seit den 1980er Jahren Pan-Pizzen produzierten. Außerdem wurden über die Hälfte der Bestellungen immer noch telefonisch bearbeitet, und auch die Auslieferung dauerte überdurchschnittlich lange.“ Unter der Marke „Vadoli“ brachte Hussain eine qualitativ hochwertige, durch und durch authentische Steinofenpizza auf diesen nur scheinbar übersättigten Markt.

Entwickelt wurde die Marke in Zusammenarbeit mit renommierten Pizzabäckern aus Neapel. „Die Rezeptur ist auf 20 Minuten Lieferzeit ausgerichtet, das bedeutet, der Wasseranteil im Teig ist etwas geringer als bei einer Pizza, die nicht ausgeliefert wird.“ Die in den Liefertaschen eingebauten Induktionssysteme sorgten dafür, dass sie wohl als eine der ersten Pizzen in ganz Deutschland die Kunden weder kalt noch labbrig erreichte. Kurz: Vadoli war ein absoluter Voll­treffer. Doch nur mit Pizzen brillieren, das war ohnehin nicht Hussains Plan gewesen. Als unbestechlicher Analyst seiner unternehmerischen Umgebung wusste er: Da ging noch mehr. Sehr viel mehr sogar. 

Food Brands als Zukunftsbusiness

Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte Hussain zusammen mit seinem Geschäftspartner Egor Korolkov vier weitere Food-Marken. „Fresh’s“ etwa steht mit Salaten, Bowls, Wraps und Smoothies für leichte, gesunde Küche. „Bun up“ bedient die Burger-Sparte, aber in Kooperation mit dem niederländischen Unternehmen The Vegetarian Butcher in vegetarischer Form. „Spyces“ stellt die mediterrane Küche in den Fokus, zusammen mit dem Berliner Sternekoch Gal Ben Moshe. Und „Spagettini“ wartet mit herzhaften Pastagerichten nach italienischer oder französischer Art auf. In insgesamt fünf Küchen in Berlin und Frankfurt werden die Gerichte dieser unterschiedlichen Marken produziert.

„Wir wollen uns auf Food Brand suns virtuelle Food-Marken konzentrieren.“
Beschir Hussain hat große Pläne

Fünf Küchen für fünf Marken, das klingt erst einmal danach, als würde in jeder Küche für eine einzige Marke gekocht. Doch das Gegenteil ist der Fall. Und genau darin liegt auch das unternehmerische Herzstück von Hussains Zugang: „Das Merkmal einer Cloud Kitchen besteht da­rin, dass eine Marke nicht die Fläche eines einzelnen Restaurants erfordert. Stattdessen kann man mit einer Cloud Kitchen eine Vielzahl an Restaurants auf begrenzter Fläche anbieten.“ Das bedeutet, in einer einzelnen Cloud Kitchen wird auf unterschiedlichen Stationen für mehrere Marken gleichzeitig gekocht. Das Potenzial von Hussains Unterfangen erkennen mittlerweile auch große Firmen. Seit vergangenem Jahr investiert mit Unilever einer der weltweit größten Konsumgüterkonzerne in Hussains Unternehmen, das deswegen in Chefly umbenannt wurde. Warum? „Wir wollen durch diesen neuen Namen wieder das, was in der Küche passiert, in den Vordergrund stellen“, sagt Hussain. „Wir wollen uns in Zukunft voll und ganz auf Food Brands konzentrieren und virtuelle Food-Marken an bestehende Restaurants lizenzieren.“

 

Beschir Hussain

Der Berliner schrieb das beste Abitur seiner Schule und studierte mit Begabtenförderung Philosophie und Wirtschaft in New York, danach an einer Wirtschaftshochschule in Rheinland-Pfalz. 2013 gründete er in Dubai Hellofood, einen erfolgreichen Lieferdienst im Nahen Osten. Dieser wurde 2016 von Delivery Hero gekauft. 2017 gründete Hussain in Berlin das Cloud Kitchen-Unternehmen Vertical Food, das mittlerweile Chefly heißt und Unilever als Investor zählt.

 

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