Sind Schafe die neuen besten Freunde der Weinbauern?

Erst als Spinnerei abgetan, halten plötzlich Schafe, Ziegen und sogar Enten in den Weingärten von Top-Winzern Einzug. Aber: Ergibt das auch wirklich Sinn oder ist es bloß ein charmanter Marketing-Gag, um Naturnähe zu suggerieren?
März 2, 2023 | Text: Johannes Stühlinger | Fotos: Shutterstock, Rene Flindt, Regina Hügli

Es ist in allen Lebensbereichen offensichtlich: Schnell wird eine Sache als besonders umweltschonend verkauft, die sich bei genauerem Hinsehen bisweilen als das genaue Gegenteil entpuppt. Schlagworte wie Greenwashing fallen schnell und übrig bleibt ein ratloser Konsument, der oftmals gar keine Chance hat, hinter die Kulissen diverser Angebote zu blicken. Aktuell poppt im – spätestens seit Aufkommen der Natural-Weine – besonders naturnah positionierten Weinbau ein Thema auf, das förmlich nach Marketing-Gag riecht: Immer mehr Winzer berichten davon, Tiere in ihrem Weingarten zu halten. Sie sollen ihnen nicht nur bei der Bewirtschaftung helfen, sondern sogar die Weinqualität heben.

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Schafe im Weingarten machen sich auf Werbefotos gewiss gut. Aber helfen sie den ­Winzern tatsächlich auch bei der Bewirtschaftung des Weinguts?

Unbestritten ist, dass sich Schafe, Ziegen oder Enten neben Reben auf Werbefotos gut machen. Aber steckt hier wirklich mehr dahinter? Einer der Pioniere in dieser Form der „tierischen Feldforschung“ ist Erwin Sabathi. Der südsteirische Spitzenwinzer hat gemeinsam mit seiner Frau Patrizia vor Jahren begonnen, sich an das Thema heranzutasten. „Wir haben gesehen, dass Skipisten sehr erfolgreich von Schafen beweidet wurden. Das hat etwa auf der Planai die Lawinengefahr verringert und den Boden aufgelockert“, erzählt das Paar von den Anfängen, die sich vor allem auf die Bodensituation im Weingarten konzentriert hatten.

Es ist in allen Lebensbereichen offensichtlich: Schnell wird eine Sache als besonders umweltschonend verkauft, die sich bei genauerem Hinsehen bisweilen als das genaue Gegenteil entpuppt. Schlagworte wie Greenwashing fallen schnell und übrig bleibt ein ratloser Konsument, der oftmals gar keine Chance hat, hinter die Kulissen diverser Angebote zu blicken. Aktuell poppt im – spätestens seit Aufkommen der Natural-Weine – besonders naturnah positionierten Weinbau ein Thema auf, das förmlich nach Marketing-Gag riecht: Immer mehr Winzer berichten davon, Tiere in ihrem Weingarten zu halten. Sie sollen ihnen nicht nur bei der Bewirtschaftung helfen, sondern sogar die Weinqualität heben.

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Schafe im Weingarten machen sich auf Werbefotos gewiss gut. Aber helfen sie den ­Winzern tatsächlich auch bei der Bewirtschaftung des Weinguts?

Unbestritten ist, dass sich Schafe, Ziegen oder Enten neben Reben auf Werbefotos gut machen. Aber steckt hier wirklich mehr dahinter? Einer der Pioniere in dieser Form der „tierischen Feldforschung“ ist Erwin Sabathi. Der südsteirische Spitzenwinzer hat gemeinsam mit seiner Frau Patrizia vor Jahren begonnen, sich an das Thema heranzutasten. „Wir haben gesehen, dass Skipisten sehr erfolgreich von Schafen beweidet wurden. Das hat etwa auf der Planai die Lawinengefahr verringert und den Boden aufgelockert“, erzählt das Paar von den Anfängen, die sich vor allem auf die Bodensituation im Weingarten konzentriert hatten.

Viele Millionen Lebewesen als Erfolgsgaranten

Long Story short: Heute sind es 100 Schafe, die den Großteil des Jahres die gesamte Rebfläche des Weinguts Sabathi bevölkern. Und dabei weit mehr Arbeit erledigen, also bloß die Erde positiv zu bearbeiten. Aber dazu später mehr – vorerst bleiben wir noch am Boden. Sabathi erklärt: „Durch die Schafe fällt das Mähen weg, wir müssen also viel seltener mit dem Traktor arbeiten.“

Wenn man den Wein über einen längeren Zeitraum erlebt, wird man auch seine Tiefe innerhalb dieser Zeitspanne wahrnehmen.
Sommelière Sophie Lehmann weiß, wie man die „Tierebene“ erschmecken kann

Gerade in einer Weinregion, in der das Befahren steiler Hänge an der Tagesordnung steht, ein besonders relevanter Aspekt, da jede Traktorfahrt auch ein gewisses Unfallrisiko mit sich bringt. Außerdem wissen die Sabathis inzwischen, dass schwere Maschinen nicht bloß ob ihres Gewichts den Boden verdichten, sondern vor allem durch ihre Vibrationen. Diese werden dank der Vierbeiner genauso minimiert wie die Schadstoffbelastung durch Abgase; während stattdessen die Ausscheidungen der Vierbeiner als natürlicher Dünger dienen.

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Sommelière Sophie Lehmann ist sich sicher: „Ja. Man kann schmecken, ob Tiere dem Winzer helfen!“

Vor allem aber verteilen die Tiere mit ihrem Fell und ihren Hufen überall Samen der Wiesenblumen, wodurch die Diversität steigt. Ein aus Patrizia Sabathis Sicht besonders wichtiger Aspekt. Sie rechnet vor: „In einem Kubikmeter gesunder Erde leben so viele Einwohner wie in ganz Österreich – ungefähr neun Millionen.“ Ihr Mann ergänzt: „Auf diese aufzupassen, ist für uns heute besonders wichtig.

Denn: Sie sind verantwortlich dafür, dass unsere Weine noch besser werden.“ Konkret sorgen die vielen Mikroorganismen dafür, dass die Trauben mehr Essenz und weniger Wasser in sich tragen. Das wiederum führt dazu, dass die edlen Tropfen – sofern man im Weinkeller keine Fehler macht – viel länger lagerfähig sind.

In einem Kubikmeter Erde leben neun Millionen Lebewesen.

Für den Weingenießer aber vielleicht viel wichtiger: Diese Kleinstlebewesen geben dem jeweiligen Rebstock seinen spezifischen Geschmack. Sie sind ein relevantes Puzzleteil, wenn man von Terroir spricht. Also davon, dass ein Wein von einer bestimmten Lage auch ganz individuelle Geschmacksnoten aufweist. „Uns ist es seit jeher wichtig, den Weingarten und die Herkunft der Trauben in die Flasche zu bringen und nicht im Weinkeller zu tricksen“, sagt Erwin Sabathi. Die Arbeit mit den Tieren im Weingarten habe dabei einen nächsten Entwicklungsschritt bedeutet.   

Mehr Zeit für Genuss als Bedingung

Aber: Sind das geschmackliche Entwicklungen, die auch beim Konsumenten ankommen oder eher im Bereich des absoluten Expertentums oder gar der Theorie angesiedelt bleiben?

Die deutsche Sommelière Sophie Lehmann vom 100/200 Kitchen in Hamburg hat dazu eine ganz klare Meinung – und gibt zu Protokoll: „Ja. Das schmeckt man!“ Für sie ist das eines der vielen Puzzleteile, die einem Wein nicht nur spezifischen Geschmack, sondern auch eine besondere Tiefe verleihen. Um diese Nuancen zu erfassen, müsse man auch keineswegs über besonderes Fachwissen oder einen außergewöhnlich ausgeprägten Geschmackssinn verfügen, betont die 31-Jährige.

Vielmehr sollte man sich auf den jeweiligen Wein besser einlassen, ihn bewusster trinken. Sie plädiert für eine Abkehr vom glasweisen Weintrinken, hin zum flaschenweisen Weingenießen. „Wenn man den gleichen Wein über einen längeren Zeitraum erlebt, wird man auch seine Tiefe und seine Entwicklung innerhalb dieser Zeitspanne wahrnehmen“, sagt die Fachfrau. Nachsatz: „Ebendieses Erlebnis wird bei Weinen größer und spannender sein, deren Trauben in einem Weingarten gereift sind, der mit Tieren bewirtschaftet wird.“

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100 Schafe helfen Patrizia und Erwin Sabathi bei der Bewirtschaftung ihrer Weingärten

Es werden nicht nur Trauben geerntet

Während die einen mit Schafen arbeiten, haben andere Ziegen zwischen den Reben. Und auch Enten sowie Hühner kommen zum Einsatz, um etwa Schnecken und dergleichen zu vertilgen. Allesamt eint jedoch ein Aspekt, der gar nicht so direkt den Wein, sondern eher unser gesamtes Verständnis von naturnaher Landwirtschaft betrifft. „Durch die Tiere wird der Humusaufbau gefördert und dieser wiederum ist nicht nur ein Speicher für Wasser und Nährstoffe – was den Reben guttut –, sondern auch einer von CO2“, sagt Erwin Sabathi.

Die Tiere sorgen für gesunden Boden. Das hat Auswirkungen auf den Geschmack.
Erwin Sabathi berichtet aus Erfahrung

Wie mächtig Humus ist, zeigt eine Beispielrechnung, die der steirische Winzer gerne zitiert: „Wenn wir weltweit überall ein Prozent mehr Humus hätten, dann wäre unser weltweites CO2-Problem gelöst!“ Ins gleiche Horn stößt mit Ernst Triebaumer ein weiterer Pionier in Sachen „Weingarten der Kuscheltiere“. Er sagt: „Bei einem guten Weidenmanagement lässt sich der Humusgehalt des Bodens um eine Tonne pro Hektar und Jahr erhöhen.“

Zudem sieht der burgenländische Paradewinzer noch einen anderen Vorteil, der aus der Tierhaltung erwächst: „Wir ernten zusätzlich zu den Trauben noch drei Lämmer pro Hektar und Jahr aus artgerechter Haltung.“ Ein Detail, das seiner Meinung nach im Rahmen der gesamten Welternährungsthematik besonders erwähnenswert ist.

Was jedenfalls auffällt: Sowohl Triebaumer als auch Sabathi gehören keineswegs zu den derzeit gehypten Natural-Wein-Winzern. Beide aber sind in Sachen ökologischer Weinbau Vordenker und in der internationalen Weinszene echte Nummern. Vor allem aber sind beide daran interessiert, nicht bloß beste Weine zu keltern, sondern gesunde Weingärten an die nächste Generation zu übergeben. Und dabei wäre ein derart aufwendiger Marketing-Gag blanke Energieverschwendung.

 

Im Weingarten der Kuscheltiere

Im modernen Weinbau halten nicht etwa modernste Maschinen Einzug, sondern immer öfter Tiere. Schafe, Ziegen, Enten, Gänse oder gar Hühner sorgen für ein besonderes Klima im Weingarten, wird postuliert. Und tatsächlich sind die Vorteile der Tiere im Weingarten nicht von der Hand zu weisen: Weniger Pilzbefall, kaum Düngemittel, gesündere Rebstöcke, höhere Diversität und ein rascherer Humusaufbau sind offensichtlich nur einige der vielen daraus resultierenden Vorteile. Gleichzeitig werden neuesten Erkenntnissen zufolge die terroirspezifischen Merkmale geschärft.

 

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